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25. Profes—Bernhandi
docas sahavenkanaden
E EAIII
osdautes arurstari Tüeregeraussenutrtadao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Vorwärts, Berlin
Abend=Ausgabe
24.JA 1930.
Ausschnitt aus der Nummer vom:
Wird der Gewissensfrieden des Kranken und Sterbenden dort nicht
„Theater in der Königgrätzer Straße.
immer noch häufig genug beleidigt oder gar mißhandelt?
Artur Schnitzler: „Dr. Bernhardi.“
Arthur Schnitzler, Arzt und Dichter, hat seinen Kollegen und
Lehrern aus der Klinik hellsichtig in die Seele geblickt. Bar¬
Deutlich waren Zufriedenheit und Freude zu merken. Schnitz¬
nowsky hat die Komödie inszeniert und nicht mit Derbheit und
lers Komödie hat in zwanzig Jahren der Bühnenexistenz nichts
volkstümlichen Mitteln gespart. Es ist oft eine etwas laute Vor¬
von ihrer Heiterkeis und von ihrem Ernst verloren. Es ist ein
stellung, mehr schreiendes Wort als still siegender Gedanke Auch
jüdischer Krankenhausdirektor in Wien, der Internist Professor
das schadete nichts. Die Menge will eben die Dinge etwas gro߬
Dr. Bernhatdi, der nicht gestattet, daß der Priester die letzten
sprecherisch und auch im Bildlichen etwas filmisch aufgetakelt haben
Minuten eie# sterbenden Mädchens stört. Denn dieses Mädchen,
Kortner der im Theaterbüro so ungebärdig, auf der Bühne
schmerzgeplagt und verängstet, solange es atmete, wird erst in der
aber so diszipliniert ist, spielt den Bernhärdi, den Arzt, dessen Röck
Stunde ihres Endes ruhig und sogar glücklich. In dieser Stunde
ein schlechter Schneider, dessen Geistesgradheit aber ein prächsiger
erst gönnen Schicksal und Natur ihm die Hoffnung, daß es wieder
Schöpfer zuschnitt. Eine schmutziggraue und gesträubte Perücke,
aufblühen wird. Träte der Priester mit Sakramenten und peinigen¬
ein übernächtigt bleiches Gesicht, schon etwas Hängebacken, kein
den Beichtvaterfragen an das Bett des Mädchens, es würde be¬
Mädchenheld, doch ein gelehrter und moralischer Kulturkämpfer,
greifen, daß es zum Vermodern verurteilt sei. Wozu diese Men¬
Humor und Gelassenheit im Blut, wenn auch etwas schleppend in
schenquälerei, die die Kirche verlangt? Das fragt der Arzt. Er
der Bewegung. Die Typen des Klinikerkonzils: Mamelok,
versperrt dem Priester den Weg, damit ein sterbendes Wesen
wotansbärtig, rotblond und borniert, Bressart empfindsam und
wenigstens noch in seinen letzten Sekunden den inneren Frieden
roman'isch, doch entzückend professoral und begeistert, Salsner
nicht verliert. Es beginnt die Hetze gegen den Arzt. Klerikale und
48er Liberalismus und ehrlich bis in die Knochen, Kalser,
kaiserlich=österreichische Völkische bringen ihn wegen tätbicher Be¬
nervöser, galliger, nicht umzubringendek Opponent der Reaktion,
leidigung des Geistlichen auf zwei Monate ins Gefängnis. Bern¬
Hörbiger, etwas verschlampter, geheim anarchistischer k. u.
hardis Freunde und die aufgeklärte Oeffentlichkeit sind erst stärker,
Hofrat usw. usw. Endlich Stahl=Nachbaur, hochwürdender
sie können erst die bormerten Köpfe beseitigen, nachdem bewiesen
Pfarrer: Weil er taktvoll und sogar demütig die Sache der kriege¬
ist, daß Bernhardi ein guter Arzt, ein guter Mann, ein unentbehr¬
rischen Kirche geltend macht und niemals wie ein Wilder ins Feuer
licher und nützlicher Staatsbürger gewesen ist. Die Dunkelmänner
geht, zeigt er desto gründlicher die gefährliche Allmacht seiner Kaste.
unterliegen jedoch nur für eine Weile, die Klugen, die auch das
Max Hochdorf.
Herz auf dem eechten Fleck haben, dürfen sich vorläufig nur mit
der Gewißheit begnügen, daß die Dummheit höchstens für einige
Zeit begraben ist.
Ja, dieser Skeptiziemus ist der beste Teil der Komödie. Er
gibt dem witzigen Stück den Dauerwert. Es war zeitgemäß, es
ist heute noch so, es wird noch lange so sein. Schnitzler nimmt
mit Andacht und Welterfahrung Partei. Der Arzt und der Prieste#!
führen ein überirdisches Gespräch. Gegeneinander richten sich
empor die Kirche als Gottes Erdenmacht und Gottes freiester Sach¬
walter, der duldsame Menschenfreund. Plötzlich ahnen beide, daß
sie sich versöhnen könnten, wäre die schönste Idee der Nächstenliebe
nicht in die Gewalt von Schächern und Krämern geraten. Tendenz,
dis so vorsichtig und staatserhaltend ausgewogen wurde, ist gute
Tendenz. Darum ist Schnitzlers Komödie ein sehr gutes Tendenz¬
stück. Es ist auch gutes Theater, weit der Dichter alles Grundsätz¬
liche aus dem Inneren der spielenden Personen herausholt. Wir
werden an dem geistigen Prozeß eng beteiligt. Gezwungen werden
wir, uns mit den Kämpfern zu verbrüdern. Alles wird, nichts ist
schon da, so daß wir wirklich zittern und fiebern, weil wir mit¬
entscheiden wollen über die moralische Belohnung des gerechten
Mannes. Bernhardis Kampf spielt in Oesterreich. Er hat, wie
Barbusse in seinem Roman von der Hölle erzählt, auch in Frank¬
reich gespielt. Und wie ist es heute noch oft in deutschen Spitälern?
25. Profes—Bernhandi
docas sahavenkanaden
E EAIII
osdautes arurstari Tüeregeraussenutrtadao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Vorwärts, Berlin
Abend=Ausgabe
24.JA 1930.
Ausschnitt aus der Nummer vom:
Wird der Gewissensfrieden des Kranken und Sterbenden dort nicht
„Theater in der Königgrätzer Straße.
immer noch häufig genug beleidigt oder gar mißhandelt?
Artur Schnitzler: „Dr. Bernhardi.“
Arthur Schnitzler, Arzt und Dichter, hat seinen Kollegen und
Lehrern aus der Klinik hellsichtig in die Seele geblickt. Bar¬
Deutlich waren Zufriedenheit und Freude zu merken. Schnitz¬
nowsky hat die Komödie inszeniert und nicht mit Derbheit und
lers Komödie hat in zwanzig Jahren der Bühnenexistenz nichts
volkstümlichen Mitteln gespart. Es ist oft eine etwas laute Vor¬
von ihrer Heiterkeis und von ihrem Ernst verloren. Es ist ein
stellung, mehr schreiendes Wort als still siegender Gedanke Auch
jüdischer Krankenhausdirektor in Wien, der Internist Professor
das schadete nichts. Die Menge will eben die Dinge etwas gro߬
Dr. Bernhatdi, der nicht gestattet, daß der Priester die letzten
sprecherisch und auch im Bildlichen etwas filmisch aufgetakelt haben
Minuten eie# sterbenden Mädchens stört. Denn dieses Mädchen,
Kortner der im Theaterbüro so ungebärdig, auf der Bühne
schmerzgeplagt und verängstet, solange es atmete, wird erst in der
aber so diszipliniert ist, spielt den Bernhärdi, den Arzt, dessen Röck
Stunde ihres Endes ruhig und sogar glücklich. In dieser Stunde
ein schlechter Schneider, dessen Geistesgradheit aber ein prächsiger
erst gönnen Schicksal und Natur ihm die Hoffnung, daß es wieder
Schöpfer zuschnitt. Eine schmutziggraue und gesträubte Perücke,
aufblühen wird. Träte der Priester mit Sakramenten und peinigen¬
ein übernächtigt bleiches Gesicht, schon etwas Hängebacken, kein
den Beichtvaterfragen an das Bett des Mädchens, es würde be¬
Mädchenheld, doch ein gelehrter und moralischer Kulturkämpfer,
greifen, daß es zum Vermodern verurteilt sei. Wozu diese Men¬
Humor und Gelassenheit im Blut, wenn auch etwas schleppend in
schenquälerei, die die Kirche verlangt? Das fragt der Arzt. Er
der Bewegung. Die Typen des Klinikerkonzils: Mamelok,
versperrt dem Priester den Weg, damit ein sterbendes Wesen
wotansbärtig, rotblond und borniert, Bressart empfindsam und
wenigstens noch in seinen letzten Sekunden den inneren Frieden
roman'isch, doch entzückend professoral und begeistert, Salsner
nicht verliert. Es beginnt die Hetze gegen den Arzt. Klerikale und
48er Liberalismus und ehrlich bis in die Knochen, Kalser,
kaiserlich=österreichische Völkische bringen ihn wegen tätbicher Be¬
nervöser, galliger, nicht umzubringendek Opponent der Reaktion,
leidigung des Geistlichen auf zwei Monate ins Gefängnis. Bern¬
Hörbiger, etwas verschlampter, geheim anarchistischer k. u.
hardis Freunde und die aufgeklärte Oeffentlichkeit sind erst stärker,
Hofrat usw. usw. Endlich Stahl=Nachbaur, hochwürdender
sie können erst die bormerten Köpfe beseitigen, nachdem bewiesen
Pfarrer: Weil er taktvoll und sogar demütig die Sache der kriege¬
ist, daß Bernhardi ein guter Arzt, ein guter Mann, ein unentbehr¬
rischen Kirche geltend macht und niemals wie ein Wilder ins Feuer
licher und nützlicher Staatsbürger gewesen ist. Die Dunkelmänner
geht, zeigt er desto gründlicher die gefährliche Allmacht seiner Kaste.
unterliegen jedoch nur für eine Weile, die Klugen, die auch das
Max Hochdorf.
Herz auf dem eechten Fleck haben, dürfen sich vorläufig nur mit
der Gewißheit begnügen, daß die Dummheit höchstens für einige
Zeit begraben ist.
Ja, dieser Skeptiziemus ist der beste Teil der Komödie. Er
gibt dem witzigen Stück den Dauerwert. Es war zeitgemäß, es
ist heute noch so, es wird noch lange so sein. Schnitzler nimmt
mit Andacht und Welterfahrung Partei. Der Arzt und der Prieste#!
führen ein überirdisches Gespräch. Gegeneinander richten sich
empor die Kirche als Gottes Erdenmacht und Gottes freiester Sach¬
walter, der duldsame Menschenfreund. Plötzlich ahnen beide, daß
sie sich versöhnen könnten, wäre die schönste Idee der Nächstenliebe
nicht in die Gewalt von Schächern und Krämern geraten. Tendenz,
dis so vorsichtig und staatserhaltend ausgewogen wurde, ist gute
Tendenz. Darum ist Schnitzlers Komödie ein sehr gutes Tendenz¬
stück. Es ist auch gutes Theater, weit der Dichter alles Grundsätz¬
liche aus dem Inneren der spielenden Personen herausholt. Wir
werden an dem geistigen Prozeß eng beteiligt. Gezwungen werden
wir, uns mit den Kämpfern zu verbrüdern. Alles wird, nichts ist
schon da, so daß wir wirklich zittern und fiebern, weil wir mit¬
entscheiden wollen über die moralische Belohnung des gerechten
Mannes. Bernhardis Kampf spielt in Oesterreich. Er hat, wie
Barbusse in seinem Roman von der Hölle erzählt, auch in Frank¬
reich gespielt. Und wie ist es heute noch oft in deutschen Spitälern?