II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 753

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IrOfessorBernhandl
S9heaters
Professor Bernhardi
Schnitlers Komödie im Theater in der
Königgrätzer Straße
Der Professor Bernhardi, den man gestern
abend nach langer, langer Zeit wieder begrüßen
durfte, ist der Mann, der einmal in mo###entauer
Aufwallung an den Schlaf der Welt rührt und
dann seine Ruhe haben will, — so sagt er selbst.
Nachdem er dem Geistlichen den Zutritt zur Ster¬
benden, die nichts von ihrem nahen Ende ahnt,
verweigert hat, Mittelpunkt einer Affäre ge¬
worden ist zwei Monate Gefängnis erhält und
absitzt, sieht man ihn im Gespräch mit dem
Priester, im Gespräch mit dem Minister — und
immer reichen sich zwei Personen am Ende die
Hände, einmal sehr ernst über „den Abgrund
hinweg“, ein anderes Mal ironisch. Und alles
ist, als wäre es nie gewesen.
Kampf führen muß, von dessen Notwendigkeit er
Was ehedem vor nun mehr als 17 Jahren
keinen Augenblick überzeugt war. Eine Reihe
uns sehr beschäftigte, wird fast zum Anlaß einer
Professorentypen war gelungen, ohne daß man
Fopperei. Was ehedem als beachtenswerter An¬
eine Leistung über dem Durchschnitt sah. Otto:
laß zur Betrachtung eines unerträglichen Zu¬
ein Schönredner von Minister, Hörbiger: ein
standes wurde, wird'nun ganz Komödie, und die
Ministerialrat, am echtesten, unverfälscht und
Art, wie hier „Politik“ genommen wird, erscheint
lustig; er allein brachte schon sprachlich zum Be¬
fast spießig. Und wenn es anfangs schien, als
wußtsein, daß es sich um ein Wiener Stück aus
ginge es hart auf hart, begannen die Leute bald
dem Jahre 1900 handelte. Alle anderen Per¬
zu lachen, am Schluß war man mitten im
Schwank. Das Menschenleben, das zu Beginn sonen, so wie sie gestern abend verkörpert wur¬
den ließen dies Typische vermissen: Viechtum,
yerloren ging, war vergessen. Und ebenso ver¬
Schlamperei und Raunzerei, verbunden mit ein
gessen war auf der Bühne, daß die Debatte um
wenig Charme, Sorglosigkeit und — Gemeinheit.
dies verlorene Leben nicht zu Ende geführt war.
So ging alles ein wenig durcheinander, dafür
Der Rebell in diesem Stück wird als „Viech“ be¬
gab es starken Beifall und viele Hervorrufe.
zeichnet, er ist nicht einmal das, sondern ein
Drückeberger, ein Urlauber. Es bleibt immer¬
hin Schnitzlers einzigstes Stück ohne Luxus¬
menschen. Wenn es an Stoßkraft fehlt, ist es
nicht wunderlich. Ein Schelm gibt mehr als er
hat.
Barnowsky hat ehedem den Bernhardi zu¬
erst in Berlin inszeniert, damals bewußt als
Thesen=, als Kampfstück, heute ist es kaum noch
möglich. Und so beginnt es beinahe wie ein
Intrigen= und Kabalenstück, um fast als Schwank
zu enden. Nun hat man verwundert die Teile
in der Hand und weiß erst recht nicht viel damit
zu beginnen. Darstellerisch interessante Köpfe:
Kortner sehr beherrscht, bedrückt, fast scheu
und kränkelnd, ein müder Skeptiker, der einen