II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 754

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25. Brofea Benhand1
Blick. In dem Zwiespalt zwischen Glauben und Wissen lauert

die Vermessenheit und der offene Angriff auf die Religion.
Von Schnitzler zu Finkelnburg
Von Schnitzler zu Finkelnburg ist ein gerader
Weg.
Arthur Schnitzler: „Professor Bernhardi“
Für diese Aufführung stellte Barnowsky Fritz Kortner
Theater in der Königgrätzer Straße
in den Vordergrund. Eine verrniffene und satirische Leistung
Dieses Kulturkampfstück von Arthur Schnitzler spielt in dem
dieses Schauspielers, der seine Rasse betont und den Konflikt
absterbenden Oesterreich der Jahrhundertwende. Seine Seele
schärft. Kortner wird deutlich. Die Haltung zwischen Shylock
ist der kaiserlich=königliche Hofrat im Ministerium für Kunst
und Ahasver liegt ihm. Um ihn spielen Felix Bressart,
und Unterricht, eine Figur zwischen Anarchie und elegantem
Hans Salfner, Georg Schnell, Friedrich Ettel, Paul
Salon, ein liebenswürdiger Beamter, der die echt österreichische
Otto, Erwin Kalser und Emil Mamelok. Herr Bar¬
Weisheit verkündet, das Falsche zu tun und das Richtige zu
nowsky läßt sich keinen simplizistischen Ulk gegen die Arier ent¬
meiden. Das ist keine Karikatur, sondern ein Stück Leben, ein
gehen.
Zwischenspiel aus Wien, wie es nicht mehr lebt.
Der Kulturkampf geht los, um einer kleinen Taktlosigkeit
Paul Hörbiger versöhnt zum Schluß alle durch seine
swillen. Professor Bernhardi, Direktor eines Krankenhauses,
liebenswürdige, wunderbare, komische Hofratscharge. Die
Jude, verweigert einem katholischen Geistlichen den Zutritt zum
Seele des alten Oesterreich feiert noch einmal Auferstehung aus
Krankenlager einer sterbenden Sünderin. Die Kranke hat in
der Tragik der versäumten Gelegenheiten.
ihrer letzten Stunde das täuschende Gefühl der Genesung, des
Ein Stück, das ältlich und unzeitgemäß und falsch ist. Im
neuen Lebensglückes, der neuen Lebensfreiheit. Durch die Ge¬
Zeitalter der Christenverfolgung, des verpönten Christentums
stalt des Geistlichen würde ihr dieser letzte Traum zerrissen.
diese Farce!
Dr. N. B.
Der Arzt will dies nicht verantworten. Der Geistliche muß
gehen.
Darüber kommt es zum Kulturkampf der Klerikalen gegen
die Juden. Die Juden, in der Gestalt des Bernhardi kämpfen
um Menschenrecht, um Freiheit, sie sind die Unterdrückten und
Verfolgten in einem Christenstaat, dessen klerikale und parlo¬
mentarische Vertreter nur aus Heuchlern und Dummköpfen be¬
stehen. Das wäre ja nun die prompte Genugtuung, die dem
empfindsamen Alfred Kerr von Herrn Schnitzler und von Herrn
Barnowfky zuteil wurde. Wie hat der Kerr geschmäht und
gepoltert, pfui Deibel gespuckt, als in dem Volksstück des Stephan
Großmann und der „Volksbühne“ der Hauptschieber, der Haupt¬
bedrücker ein Jud Landecker war. Nun ist der Jud Bernhardi
ein Edeling, ein Märtyrer, ein Streiter für Wahrheie und
Freiheit. Die Christen sind böswillig gemein, niederträchtig,
heuchlerisch, dummköpfig und jesuitisch!
So sicht das „zeitgemäße“ Stück aus, das der Arzt Arthur
*
Schnitzler vor rund drei Jahrzehnten schrieb. Im vierten Akt
findet noch einmal eine Begegnung zwischen Arzt und Geist¬
lichem statt, in der festgelegt wird, daß beide Recht haben
können, der Arzt in seiner Sorge um das irdische Heil, der Geist¬
liche in seiner Sorge um die Seligkeit des Patienten. Aber
Schnitzler vermeidet eine Klärung, alle veformatorischen Schär¬
fen, alle klaren Entscheidungen, alle letzten Folgerungen. Er
wäre kein Wiener, wenn die ganze Aufregung nicht im Sande
verliefe. 's ist eh' nix zu machen. Man kann nix ändern. Man
muß es halt schon laufen lassen. Es wird schon gut gehen. Und
so ist es in Oesterreich auch schief gegangen.
Auch dieses Stück hat den seindseligen, bösen und schiefen