II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 762

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25 Bernhandi
finden sie als Sophistik und auf die Dauer als
langweilig (wie das ganze Stück), obwohl Ernst
Theater in der Königgräter Straße
Stahl=Nachbaur den Pfarrer mit mensch¬
licher Wärme in einer Weise darstellte, daß die
sophistischen Verschleierungen. Deshalb ist auch
im Untergrunde seiner Seele brodelnden, von der
die Titelrolle so schwer darzustellen.
Autorität der Kirche niedergehaltenen Konflikte
Der Professor Bernhardi, eine für seine Ueber¬
und Proteste wohl fühlbar wurden und mehr
zeugung leidende Nathan=Natur, soll offenbar
sehen ließen als das Schicksal eines einzelnen.
ein gütiger und weiser Mensch sein. Weisheit
Die Zahl der Professoren= und Doktoren=Dar¬
aber kommt in Worten weniger zum Ausdruck
steller ist Legion. Paul Hörbiger als k. u. k.
als im Wesen — ### abgesehen davon, daß die
Worte bei So
hl oft geistreich aber nicht
weise sind;
ehr muß der Schauspieler
menschliche G
nd Tiefe besitzen. Kortner
erledigt seine 2
e mit kluger Sparsamkeit in
den Mitteln, ab
ist nicht groß und nicht tief.
Er Sleibt
menschliche Wirkung schul¬
dig. Alle S en der Gedrücktheit, die der
Wtior nicht erwischen konnte, haften auch
Ihm an. Lessings Nathan ist in seiner

Art ein König; Schnitzlers (und Kortners)
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Bernhardi kann, trotz aller geistigen Kultur und
zivilisatorischen Bildung, die Verwandtschaft mit
dem Ghetto nicht verleugnen. Kortner spielt

zwar nicht „im Sinne“ des Autors, aber dessen
Wesen entsprechend. Werner Krauß wäre in der
Lage, aus dem Bernhardi einen großen Menschen
Ernst Stahl=Nachbaur
zu machen. Aber der wäre dann nicht mehr
„naturgetreu“. Kortner ersetzt die menschliche
liberaler Hofrat war großartig. Felix Bres¬
durch intellektuelle Ueberlegenheit und durch
sart zeigte in seinem Nervenprofessor wieder
Ironie, vermischt mit einer wenig glaubhaften
seine vortreffliche, humorvolle Beobachtungs= und
und anrüchigen Apathie: Meine Ruhe will ich
Nachahmungsgabe. Heinz Salfner vertrat mit
haben. Solche Resignation deutet, um im intel¬
Glück das jugendliche Temperament unter den
lektuellen Jargon zu reden, auf Minderwertig¬
Alten. Paul Otto spielte den Minister Flint
keitskomplexe.
mit der richtigen öligen Glätte und in seiner Art
Die Unterredung zwischen Bernhardi und dem
überzeugend, aber im Verhältnis zu Bernhardi
katholischen Pfarrer hat wohl vor 20 Jahren in
zu jung. Der teutonische Professor Ebenwald
Oesterreich das Interesse wachgehalten. Wir emp¬
wurde schon von Schnitzler mit viel Bissigkeit an¬

gelegt; Mamelok machte aus ihm einen Trottel
was die Beweisführung des Ganzen entschie¬
den erleichterte. Piscators ehemaliger Helfer
Kalser spielte den Antisemiten riechenden
Dr. Löwenstein aus dem Handgelenk.
Die Schwächen des Stückes, seine karikaturi¬
stische Einseitigkeit und konverfationelle Ober¬
flachlichkeit konnten von der Regie (Victor Bar¬
nowsky), die ihr Möglichstes für die Wirkung
und Lebendigkeit des Ganzen tat, nicht ausge¬
glichen werden. Da sich auch der Staub nicht
fortwischen ließ, so blieb es, stärker noch als die
Dreyfusiade im Lessing=Theater, eine Pietätshand¬
lung, — für die breitere Oeffentlichkeit ohne
a
Interesse. Der Beifall, den ein Teil des Publi¬
kums für Kortner bereithielt, entsprach nicht dem
Grade seiner schauspielerischen Leistung.
Richard Riedel.-