II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 770

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Prefessen-Bernhandi
„Professor Bernhardi.“
(Theaier in der Königgräßer Straße.)
Ja, in diesem Stück von Schnitzler ist heut noch lebendige
eitbeziehung und überdies noch mehr: vollendete Kunst der Cha¬
akterisierung, sicherste Führung der Handlung, hohe Geistigkeit.
lber eins fehlt — und das scheidet es von der heutigen Bewegung
irundsätzlich —: der fortwirkende Impuls Dieser Kampf des
Arztes, der dem Kranken einen leichten Tod sichern will, mit dem
Geistlichen, der ihm zum Heil seiner Seele die letzte Stunde ver¬
bittern möchte, endet schließlich und endlich doch in Resignation.
Er bleibt ein Zwischenfall. Und darum wirkt auch eine Auffüh¬
rung von hohen Graden, wie sie Barnowsky bot, heut wie
eine Reminiszenz, abgerückt nicht nur durch ein paar Jahre, son¬
dern durch die Grundgesinnung Kortner gab eine ausgezeich¬
nete Leistung, in aller Gehaltenheit durchaus überragend; von
den Professoren hiellen sich Bressart Salfner, Kalser
gut neben ihm, während die feindliche Seite schwach besetzt war.
Gegenspiel fand er erst in der großen Szene mit Stahl=Nach

baur als Geistlichem und vor allem am Schluß mit Hörbiger
als Hofeat, der in seiner skeptischen Weisheit wehmütig=gelassen,
wie in einem natürlichen, Wienerischen, Schnitzlerischen Lebens¬
element schwimmt.
H. W. F.
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BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Berliner Morgenpost
Ausschnitt aus der Nummer vog
4. JAh 1930
„Professor Vernharot
Theater ie der Königgrätzer Straße.
Arthur Schnitzlers wundervolles Plai¬
doyer für Veknunft und Menschlichkeit hat
gestern, fast achtzehn Jahre nach seinem ersten
Erscheinen, einen großen, laut anhaltenden Er¬
folg davongetragen.
Vielleicht war es das starke Echo der Affaire
Dreyfus in'der Volksbühne, das nun den äuße¬
ren Anlaß zur Wiederaufnahme gab. Denn auch
hier handelt es sich um den Ansturm der Dumm¬
heit und Böswilligkeit gegen einen Mann jüdi¬
schen Glaubens.
Professor Bernhardi, berühmter Arzt, Direk¬
tor einer Klinik, verweigert dem Gerstlichen den
Zutritt zu einer Sterbenden, die im Zustande der
„Euphorie“, der wohltätigen Selbsttäuschung vor
dem Ende, nicht ahnt, daß sie sterben muß —
was ihr durch den Anblick des Pfarrers grau¬
same Gewißheit würde. Das muß er durch Ver¬
folgung und Gefängnis büßen.
Aber mit welcher Kunst ist das nun geführt!
Mit welcher Ueberlegenheit des Geistes. Mit
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Fot. Schmiegelski
Fritz Kortner und Ernst Stahl-Nachbaur
in Arthur Schnitzlers Schauspiel „Pro¬
fessor Bernhardi“ im Theater in der
Königgrätzer Straße.
welch feinem Humor in allem Ernst der Dar¬
legungen und welch würdiger Gerechtigkeit in
der Prüfung der verschiedenen Standpunkte. Wo
bleiben unsere heutigen sogenannten „Zeitstücke“
todenziösen Brutalität gegen so