II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 775

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BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Gannoversches Tageblatt, Gannover
Ausschnitt aus der Nammer vomn
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trotz aller gegenseitigen Achtung, das Unlösbare jen¬
Berliner Theaterbrief.
seits alles Rechthabens, scharf hervortritt, und im
letzten Akt hat ein gut wienerischer anarchistischer
„Professor Bernhardi“.
Hofrat das Wort, der alles Handeln aus freiem Ge¬
wissen zwar sehr schön, aber blödsinnig findet. Wie
Das Schnitzleysche Schauspiel „Professor Bern¬
Schnitzler das macht, ist immer noch sehr geistreich
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hardi“, das im „Tyeater an der Königgratzer Straße“
und lebendig, aber der schlichte Schwung eines Ten¬
mit Fritz Kortner in der Hauptrolle so außerordent¬
denzstücks erlahmt dabei natürlich vollkommen.
lichen Beifall fand, ist jetzt mehr als siebzehn Jahre
Den äußeren Erfolg hielten in der Inszenierung
alt. Am Todestage von Otto Brahm, am 28. No¬
von Viktor Barnowsky die ausgezeichneten Schau¬
vember 1912, war seine Uraufführung. Man muß
spieler fest. In der Mitte Kortner als Professor
leider sagen, daß es noch recht aktuell ist. Leider! —
Bernhardi, ein schon leicht verwittertes Gelehrten¬
denn es ist keine reine Dichtung, sondern zum min¬
gesicht, nur wenig, aber ausreichend betont in seinem
desten in seiner kräftigeren Hälfte ein Tendenzstück.
Es zeigt, wie im kaiserlichen Wien ein hervorragen¬
jüdischen Wesen. Eine schwere, etwas saloppe Er¬
scheinung von großer geistiger Beherrschtheit, fast
der jüdischer Arzt bei einem Konflikt mit dem
immer leise im Ton, ganz selten einmal in gefähr¬
Klerus durch ein Gemisch von Antisemitismus, Ge¬
liche Drohung ausbrechend.
sellschaftsintrige, Kollegenneid, Feigheit aller Art
Den Priester gab in
guter Haltung, aber nicht sehr innerlich Stahl=Nach¬
zur Strecke gebracht wird. Man sollte eigentlich
baur, den anarchistischen Hofrat recht lustig Paul
meinen, daß achtzehn Jahre voll Weltkrieg und Re¬
Hörbiger, einen höchst unzuverlässigen Minister, der
volution die Verhältnisse so verändert hätten, daß
sich für jede Treulosigkeit ein gutes Gewissen zu er¬
man so ein Stück kaum noch verstehen könnte. Aber
schwätzen weiß, spielte Panl Otto. Seine Rede floß
ich fürchte, wenn man ein paar Aeußerlichkeiten des
wie ein Salonöl, aber leider ganz unösterreichisch,
politischen Kostüms in Amts= und Parteibezeich¬
was in diesem Fall doch wichtig gewesen wäre. Aber
nungen ändert, so könnte jeder Mensch das Stück für
Otto ist einer der wenigen wirklich preußischen
gestern geschrieben halten. Die Menschen haben sich
Schauspieler von Qualität, die wir besitzen. Dafür
leider herzlich wenig geändert, und ihr Verhältnis
lieferten die Herren Bressart, Salfner, Schnell,
zur Geistesfreiheit, zur Wahrheit, zum Judentum
Kalser, Mamelok und Maxemilian Wolf noch aus¬
und zur Berufsleistung ist nicht ehrlicher geworden,
gezeichnete Episoden. Es bleibt ein sehenswerter,
als es war. Da Schnitzler den Fall mit außer¬
gehaltvoller Theaterabend.
ordentlicher Sachkenntnis — als Arzt mit spezieller
Kenntnis des spezifischen Wesens und Unwesens in
einer Klinik und als Dichter mit sehr gründlicher
Kenntnis allgemeiner Menschlichkeiten — geschrieben
hat, so sind zum mindesten die drei ersten Akte, die
das allmähliche Anwachsen der Intrige gegem Bern¬
hardi malen, noch heute sehr wirksam. Nach der
großen Pause kommt das Stück zum Stehen. Es
gibt keine Steigerung und keine Auflösung der Ent¬
wicklung, sondern der alte Skeptiker Schnitzler löst
den einfacheren und kräftigen Theaterschriftsteller,
der sich zeitweise für Wahrheit und Anstand erhitzen
konnte, wieder ab und stellt den Sinn alles Kampfes
in Frage. Der Priester, den Bernhardi am Besuch
einer „Kranken, die ohne jede Todesahnung, in voll¬
kommen glücklicher Auflösung war, verhindern
wollte, hat mit dem Professor eine Aussprache, in der
die Unversöhnlichkeit beider Grundanschauungen
—.