II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 776

25. ProfessenBenhand
-
heces schverzengdnn

E
eaSarres srbreese rünor-aussennerrradae
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
S
Hamburger Nachrichten, Hamburg
Abend-Ausgabe
Ausschnitt aus der Nammer vom:
. FEB. 1930
Berliner Theater.
Ob Karl Sternheims Wahlkomödie „Der
Kandidat“ im Reich schon gespielt ist, weiß ich nicht,
jedenfalls habe ich nichts darüber gelesen, für Berlin war
es bestimmt eine Uraufführung, die jetzt in den Kammer¬
spielen stattfand. Eine Uraufführung — nach sechzehn
Jahren... Man merkt das Alter. Freilich wird es Wahl¬
schacher und =schiebungen geben, solange es Wahlen gibt, aber
bei Sternheim vermißt man doch die Zustände und An¬
schauungen, die uns heute noch interessieren. Zu einer wirk¬
lichen, politischen Satire fehlt ihm auch das Kaliber, die
große Linie. So behilft er sich mit kleinen, nur zum Teil
amüsanten Nebenursachen und — Wirkungen, mit herkömm¬
lichen Kleinstadttypen ohne den dazu nötigen Humor. Das
Ganze machte einen abgestandenen, gequälten Eindruck, trotz
einer teilweise sehr lustigen Darstellung, so namentlich der
eines Krähwinkel=Journalisten durch Peter Lorre. Die
Hauptgestalt, der ehrgeizige Wahlkandidat, der sich prompt
zwischen verschiedene Stühle setzt, wurde von dem beliebten
und beleibten Komiker Otto Wallburg gegeben. Wie
immer hatte er sehr belustigende Augenblicke, aber seine
box 31/6
schmunzelnde Behäbigkeit und saftige Breite sind gerade für
den eiskalten Snobismus des Satirikers Sternheim nicht
das Richtige. Immerhin gab es Beifall genug, so daß sich
der erfreulicherweise wieder genesene Autor mit den Dar¬
stellern wiederholt zeigen konnte.
Daß der Berliner Theatergänger nachgerade von dem
Nichts=als=Amerikanismus genug hat, bezeugte die Aufnahme
der neuesten Neuheit des Direktors Robert Klein im
Berliner Theater: „Die Straße“ von Elmer Rice.
Treffender wäre der Titel „Das Haus“ gewesen, denn tat¬
sächlich handelt es sich um ein kleinbürgerliches Großstadt¬
haus, in dem sich allerhand Schicksale abspielen, ein Kuddel¬
muddel, wie wir das nachgerade gewohnt sind, nur daß dies¬
mal die einzelnen Wohnungen nicht im Querschnitt gezeigt
werden, sondern die Vorgänge von dem Spielleiter Hilpert
geschickt auf die Fenster, die Haustüren und die Straße ver¬
teilt werden. Überhaupt war die Darstellung so gut, wie
das Stück schlecht war. Es besteht aus einer simplen Ver¬
schachtelung von ein paar Filmszenen ältester Gattung, im
übrigen aus Milieuschilderungen mit internationalen Typen.
Statt der Typen nahm man bei uns eine Anzahl vorzüglicher
Schauspieler, vor allem Albert Bassermann, Grete
Mosheim, Rosa Valetti, die freilich das Ganze
sehenswert machen, aber doch ein besseres Stück verdient
hätten. Es läßt sich schwer vorstellen, daß in unseren
dramaturgischen Büros keine deutschen Stücke eingereicht sein
sollten, die diese Importware überragen. Milieuschilde¬
rungen dieser Art hat man bei uns schon vor dreißig Jahren
besser gesehen.
Freilich spricht für die Wahrscheinlichkeit, daß zur Zeit
kein überfluß an brauchbarer Bühnenliteratur ist, die Tat¬
sache, daß auch Reinhardt und Barnowski gerade jetzt auf
ältere Stücke zurückgreifen (auch der „Kandidat“ ist ja ein
Zeugnis dafür). Im Theater der Königgrätzer Straße wurde
Arthur Schnitzlers vor achtzehn Jahren schon auf¬
geführter „Professor Bernbardt“ mit neuem Erfolg
herausgebracht, dank einer hervorragenden Inszenierung
durch Barnowski, aus der Fritz Kortner mit einer
wunderbar echten Verkörperung des jüdischen Arztes hervor¬
ragte. Auch die Gegen= und Nebenspieler waren gut
charakterisiert; das ist mit diesem alten Stück noch möglich,
denn Schnitzler war objektiv genug, auch die Gegenspieler
nicht lediglich in ihren Schattenseiten zu zeigen, während bei
der Produktion unserer „Jungen“ beinahe schon jeder Nicht¬
kommunist als ein gemeiner Schuft oder veralteter Trottel
gezeichnet wird.
Einen sehr heiteren Abend schenkte uns Max Rein¬

hordt in seiner „Komödie“ am Kurfurstendamm mit
Maughams Scherzspiel „Victoria“, das er in spru¬
delnder Laune mit einer Fülle lustiger Einfälle zu einer
„Farce“ umgeschminkt hatte. Mischa Spoliansky saß
am Flügel und untermalte, parodierte, illustrierte die Vor¬
gänge, die oft in tänzerischem Gleichtakt eingeübten Be¬
wegungen so hervorragender Darsteller wie Lucie Höf¬
lich, Ida Wüst, Darvas, Kurt Bois, Hermann
Thimig, Romanowsky, Falkenstein Gründ¬
gens. Das Ganze trug im Rahmen eines Gesellschafts¬
abends den Charakter heiterer und vornehmster Unterhaltung,
ein kleiner Lichtblick in dieser Saison.
Karl Strecker.