II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 777

es:
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25 ProrBernhand
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VI.
Bleibt also Hartleben ein Vorbild für die Gegenwart? weil
PARTEEBEN-TEIER.
man sein Zeitstück am Jubiläumsviertel eines Jahrhunderts
noch spielt?
Woz
Nein Wie gesagt: er ist kein Vorbild. Nur: Handwerk
ist ein Vorbild.
VII.
Dresdnerstrasse. Thalia. Sogar deutsche Theatergemein¬
Keines von den Zweckdramen unsrer Zeit kann in einem
schaft — die nicht ausgesprochen links ist.
Vierteljahrhundert noch gespielt werden.
Es fallen hier, im „Rosenmontag“, die Worte des Kommerzien¬
Weil es zu schlampet, zu fahrig gemacht ist. Oft fehlt Hand¬
rates fort, die von Bereitschaft gegen den „inneren Feind“
werk; zu schweigen vom Kunstwerk. Es vermag Menschen
sprechen. (Was allemal unter Wilhelm Frohsinn im Sperrsitz
anno 1955 nicht zu fesseln, nachdem es 1930 schon welche zu
geweckt hat.)
öden begann. So liegt der Fall. Nicht anders. Oder ich will
II.
Hartlebens Stück errang durch die Mache den Vorteil, heut
Auch am Schluss, vor den zwei Leichnamen, Opfern des mili¬
historisch zu sein. Wenigstens durch die Mache.
taristischen Ehrbegriffs, fällt Hartlebens frische Regimentsmusik
67 fort, vom Kasernhof her.
VIII.
Der Spielmeister Kurt Raeck lässt es wegk. Mildernd.
Dieser entschwebte Hannoveraner wurde von Maya Hart und
— (In einer sonst annehmbaren Darstellung.)
Wolfgang Zilzer gefeiert.
Es war, inmitten eines kennenswerten Schwarms von an¬
III.
genehm Unbekannten im Parkett („das gute Löwen-Böhmisch er¬
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Diesen Februar ist es ein Vierteljahrhundert, seit Hartleben
halten Sie im Tunnel-Restaurant“ ... doch Otto Erich hätte
starb. Sagenhaft als Otto Erich. Mehr eine Gestalt als ein
dorten dunkles Bock wie ich gewählt) — es war nicht was Voll¬
Schriftsteller. Im Stil bundeschnäuzig und gestuft. Nicht ohne
endetes: aber was Erfreuliches.
Feinheit.
IX.
Jedoch Philister, der Philistertum befehdet hat. Meistens
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durch eine Welt von Getränken und Verhältnisweibern, die man
Zilzer hat in dieser Gestalt eine junge Liebenswürdigkeit;
der Bürgerwelt (etwas triumphierend) entgegenhielt.
eine so nette menschliche Reinheit — wodurch er von der Offi¬
S-
zierschaft und von zwei Vettern Ramberg (nicht nur wegen
IV.
seiner bürgerlichen Kopfhaltung) entfernt bleibt.
Im „Rosenmontag“ setzt er, umgekehrt, die dünn-sentimentale
Im Ungerissenen entsteht hier was Anteilweckendes. (Er
= Liebschaft nun einer Offiziers-Getränkewelt entgegen.
spielt eher das „Fritzchen“ von Sudermann als den Hans Rudorff
Er schrieb damals ein Zeitstück .. unter Wilhelm.
mit zwei „!“ in Otto Erichs uniformromantischem Alt-Heidelberg.)
Er hält, in der Erinnerung. stand.
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Heute noch gespielt? Ist es etwan ein Kunstwerk? Das
X.
2 nicht. Nur ein Handwerk.
Auch die, nicht zum erstenmal wohlbemerkte, Maya Hart.
Wenigstens ein Handwerk. Immerhin kundig gebaut. (Dar¬
Im äussren Bild ist sie jetzo bisschen frauenhaft. Aber der
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um hält es sich.)
seilsame Stimmklang (etwas wie aus menschlicher Nacht Rufen¬
des oder Flehendes) dringt nach innen . und bleibt über den
Schnitzlers „Bernhardi“ jedoch bleibt, als Tendenzwerk und
S
Abend hinaus.
Zweckwerk und Zeitwerk, ein Kunstwerk. Weil mit seelischer
Es ist letzten Endes das Wichtigste.

Alfred Kerr.
Schattung. Mit inneren Vielfarben Heut für Tendenzstücke das
Vorbild. Klar. Im Gegensatz zur Schnelldramatik.
Schlichte Schnelldramatik mit Zweckschlamperei zu verkün¬
0∆ den, wenn sie keine Wirkung mehr lut (ausser: die Proleten¬
schaft langzuweilen) liegt mir kaum. Vor einem Jahrfünft schien
es mir notzutun. Nachklappen heute gilt nicht. Vorbei.