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25. BrefesBernhandi
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JOBSERVEK
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11
Telephon R-23-0-53
Ausschnitt aus: venwälee.
ee lgesan Krien
16
vom;
Professor Bernhardi.
(Schauspielhaus.)
J. G. — Noch vor kurzer Zeit hätte Arthur
Schnitzlers Komödie in einer Besprechung
ihrer Wiederäufnahme in den Spielplan das
Attribut einer bareits „historischen Angelegen¬
heit“ erhalten, aus der man mit sordiniertem
Interesse vernehmen könne, wie es einst im alten
Österreich gewesen ist. Das hat sich nun seit we¬
nigen Monaten gründlich geändert. Die sams¬
tägige Aufführung erwies die brennende Aktuali¬
tät der in den 5 Akten aufgerollten geistigen,
kulturellen und politischen Aspekte, vergessen war,
lamentdebatte in der Sache Bernhardi als die
daß der Dichter die Komödie im Jahre 1912 ge¬
natürliche Komponente seines Persönlichkeits¬
schrieben und die Vorgänge in die Jahrhundert¬
komplexes. Die beiden großen Dialogduelle mit
zwende zurückverlegt hat. Und noch etwas trat
Bernhardi zeigten Franz Scharwenkas Künstler¬
in aller Schärfe in unser Bewußtsein. Wo in
tum in reifster Souveränität. Die Verkörperung
allen deutschen Landen — ohne Rücksicht auf po¬
des priesterlichen Geistes war dem Bassisten un¬
litische Grenzen — lebt heute ein Dramatiker,
serer Oper André v. Diehl anvertraut. Mits
der imstande wäre, eine dichterische Schöpfung
edler Eindringlichkeit ließ der Darsteller aus
von solcher männlichen Geistigkeit, solcher Weite
dem prachtvollen jungen Charakterkopf die selbst¬
und Tiefe abgeklärter Humanität und Objek¬
lose Hingabe an den wahren Seelsorgerberufs
tivität sowie ähnlicher dramatischen Meister¬
des Pfarrers sowie den inneren Drang sprechen.)
schaft zu gestalten? Alle diese unvergleichlichen
auch in dem durch Weltbetrachtung und Rasses
Vorzüge der Dichtung traten dank der Regie
jenseits seiner Sphäre stehenden Gegner denz
des jungen Dr. Erich H. Altendorf ins
wahren Menschen zu erkennen und anzuerken¬
hellste Licht. Er vernahm mit feiner Empfindung
nen. Um Diehls Pfarrer wob der urchristliche
die symphonische Komposition der Komödie und
Glanz reinsten Menschentums, dem man sich ehr¬
brachte die einzelnen Sätze mit ihren Leit¬
fürchtig beugte. Neben diesen drei Hauptstützen
motiven, Verknüpfungen und Auflockerungen in
des schönen Abends behaupteten sich die meisten
überzeugenden Rhythmus, beseitigte etliche Buch¬
der zahlreichen übrigen Darsteller durchaus voll¬
längen (u. a. den Provinzarzt und den Jour¬
wertig im rühmlichen Wettbewerb: Willy Rol¬
nalisten), half jeder Figur zur Enthüllung ihres
den brillierte als penetranter Intrigant Eben¬
Eigenlebens, vermied jeden Stimmungsbruch,
wald, Georg Lorenz war ein rührend ver¬
schliff in den Dialogen, in
denen Welt¬
hutzelter Cyprian, ein Kebinettstück, das in Bild
anschauungen aufeinanderprallen, jede Pointe zu
und Ton festgehalten zu werden verdienen würde,
schärfster Prägnanz, steigerte die großen En¬
Karl Schellenberg, dem als knorrigen,
sembleszenen zu kontrapunktischer Wirkung und
cholerischen Freund Bernhardis endlich einmal¬
vermittelte einen Theaterabend, von dem man
Gelegenheit geboten war zu zeigen, was für ein
noch lange sprechen wird. Ein den Intentionen
vortrefflicher Sprecher und Charakteristiker in
des Dichters ganz konformer Professor Bern¬
ihm steckt, und der deshalb zweimal bei offener
hardi gelang F. Richter=Rosenthal: ein
Szene starken Beifall fand, Ferry Rosen, den
Mann, der nichts kennt als das völlige Aufgehen
man für den geleckten Streber Tugendvetter aus
im geliebten Beruf, der umr seinem edlen Mit¬
dem Barbereich geholt hatte und der sich aucht
gefühl mit der ihm anvertrauten Patientin
auf der Bühne als glatter Treffer bewährtes
folgt, wenn der dem Priester den Zutritt zu der
Siegfried Holger als blindwütiger Löwen=,
ahnungslos in Euphorie Sterbenden verweigert.
stein. Walter Bach als Dozent Adler, Ernst
allen daraus folgenden Komplikationen in un¬
[Helmer (Oskar Bernhardi), Willy Kühn als
erschütterlicher Charakterstärke die Stirne bietehgut gesehener blonder Schubjak. Alfred Hol¬
die Märtyrerpose und deren allfällige Vorteilefsänder (Verteidiger) und Elli Kolo als Lud¬
mit überlegener Ironie abweist und nichts an¬
milla. Im lesten Akt erfreute man sich an Otto¬
deres wünscht, als endlich wieder seinen Patien¬
[Storms jovialem Hofratsrevolutionär Wink¬
ten wiedergegeben zu werden. Das gestaltet der ser, für den Schnitzler als Modell seinen Freund¬
Künstler mit so echter Schlichtheit in Ton und
Mar Burcthard benützte. Die Vorstellung erregte
sparsamen Gesten, in Maske und Laltung, daß
nach allen Atten stürmische Beifallsbezeugungen.
der Eindruck des Theaters dem des unmittel¬
die um die Hauptdarsteller Rosenthal, Schar¬
baren Lebens wich. Franz Scharwenka ist
wenig und Diehl, und nach dem 3. Akt auch um
lals Unterrichtminister Flint gleichfalls von blen¬
den Spielleiter Dr. Altendorf bransten.
dendem Format. Mit eleganter Tiglektik vertei¬
digt dieser Flint seine Gewissenlosigfeit ####
ehemaliger Arzt, als er seiner Karriere zuliere,
ein Menschenleben opferte, mit sardonischem
Lächeln schiebt er die gegen ihn erbobenen An¬
würfe wegen Wortbrüchigkoit beiseite und deshaft
erscheint auch sein Umfall während der Par¬
25. BrefesBernhandi
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I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11
Telephon R-23-0-53
Ausschnitt aus: venwälee.
ee lgesan Krien
16
vom;
Professor Bernhardi.
(Schauspielhaus.)
J. G. — Noch vor kurzer Zeit hätte Arthur
Schnitzlers Komödie in einer Besprechung
ihrer Wiederäufnahme in den Spielplan das
Attribut einer bareits „historischen Angelegen¬
heit“ erhalten, aus der man mit sordiniertem
Interesse vernehmen könne, wie es einst im alten
Österreich gewesen ist. Das hat sich nun seit we¬
nigen Monaten gründlich geändert. Die sams¬
tägige Aufführung erwies die brennende Aktuali¬
tät der in den 5 Akten aufgerollten geistigen,
kulturellen und politischen Aspekte, vergessen war,
lamentdebatte in der Sache Bernhardi als die
daß der Dichter die Komödie im Jahre 1912 ge¬
natürliche Komponente seines Persönlichkeits¬
schrieben und die Vorgänge in die Jahrhundert¬
komplexes. Die beiden großen Dialogduelle mit
zwende zurückverlegt hat. Und noch etwas trat
Bernhardi zeigten Franz Scharwenkas Künstler¬
in aller Schärfe in unser Bewußtsein. Wo in
tum in reifster Souveränität. Die Verkörperung
allen deutschen Landen — ohne Rücksicht auf po¬
des priesterlichen Geistes war dem Bassisten un¬
litische Grenzen — lebt heute ein Dramatiker,
serer Oper André v. Diehl anvertraut. Mits
der imstande wäre, eine dichterische Schöpfung
edler Eindringlichkeit ließ der Darsteller aus
von solcher männlichen Geistigkeit, solcher Weite
dem prachtvollen jungen Charakterkopf die selbst¬
und Tiefe abgeklärter Humanität und Objek¬
lose Hingabe an den wahren Seelsorgerberufs
tivität sowie ähnlicher dramatischen Meister¬
des Pfarrers sowie den inneren Drang sprechen.)
schaft zu gestalten? Alle diese unvergleichlichen
auch in dem durch Weltbetrachtung und Rasses
Vorzüge der Dichtung traten dank der Regie
jenseits seiner Sphäre stehenden Gegner denz
des jungen Dr. Erich H. Altendorf ins
wahren Menschen zu erkennen und anzuerken¬
hellste Licht. Er vernahm mit feiner Empfindung
nen. Um Diehls Pfarrer wob der urchristliche
die symphonische Komposition der Komödie und
Glanz reinsten Menschentums, dem man sich ehr¬
brachte die einzelnen Sätze mit ihren Leit¬
fürchtig beugte. Neben diesen drei Hauptstützen
motiven, Verknüpfungen und Auflockerungen in
des schönen Abends behaupteten sich die meisten
überzeugenden Rhythmus, beseitigte etliche Buch¬
der zahlreichen übrigen Darsteller durchaus voll¬
längen (u. a. den Provinzarzt und den Jour¬
wertig im rühmlichen Wettbewerb: Willy Rol¬
nalisten), half jeder Figur zur Enthüllung ihres
den brillierte als penetranter Intrigant Eben¬
Eigenlebens, vermied jeden Stimmungsbruch,
wald, Georg Lorenz war ein rührend ver¬
schliff in den Dialogen, in
denen Welt¬
hutzelter Cyprian, ein Kebinettstück, das in Bild
anschauungen aufeinanderprallen, jede Pointe zu
und Ton festgehalten zu werden verdienen würde,
schärfster Prägnanz, steigerte die großen En¬
Karl Schellenberg, dem als knorrigen,
sembleszenen zu kontrapunktischer Wirkung und
cholerischen Freund Bernhardis endlich einmal¬
vermittelte einen Theaterabend, von dem man
Gelegenheit geboten war zu zeigen, was für ein
noch lange sprechen wird. Ein den Intentionen
vortrefflicher Sprecher und Charakteristiker in
des Dichters ganz konformer Professor Bern¬
ihm steckt, und der deshalb zweimal bei offener
hardi gelang F. Richter=Rosenthal: ein
Szene starken Beifall fand, Ferry Rosen, den
Mann, der nichts kennt als das völlige Aufgehen
man für den geleckten Streber Tugendvetter aus
im geliebten Beruf, der umr seinem edlen Mit¬
dem Barbereich geholt hatte und der sich aucht
gefühl mit der ihm anvertrauten Patientin
auf der Bühne als glatter Treffer bewährtes
folgt, wenn der dem Priester den Zutritt zu der
Siegfried Holger als blindwütiger Löwen=,
ahnungslos in Euphorie Sterbenden verweigert.
stein. Walter Bach als Dozent Adler, Ernst
allen daraus folgenden Komplikationen in un¬
[Helmer (Oskar Bernhardi), Willy Kühn als
erschütterlicher Charakterstärke die Stirne bietehgut gesehener blonder Schubjak. Alfred Hol¬
die Märtyrerpose und deren allfällige Vorteilefsänder (Verteidiger) und Elli Kolo als Lud¬
mit überlegener Ironie abweist und nichts an¬
milla. Im lesten Akt erfreute man sich an Otto¬
deres wünscht, als endlich wieder seinen Patien¬
[Storms jovialem Hofratsrevolutionär Wink¬
ten wiedergegeben zu werden. Das gestaltet der ser, für den Schnitzler als Modell seinen Freund¬
Künstler mit so echter Schlichtheit in Ton und
Mar Burcthard benützte. Die Vorstellung erregte
sparsamen Gesten, in Maske und Laltung, daß
nach allen Atten stürmische Beifallsbezeugungen.
der Eindruck des Theaters dem des unmittel¬
die um die Hauptdarsteller Rosenthal, Schar¬
baren Lebens wich. Franz Scharwenka ist
wenig und Diehl, und nach dem 3. Akt auch um
lals Unterrichtminister Flint gleichfalls von blen¬
den Spielleiter Dr. Altendorf bransten.
dendem Format. Mit eleganter Tiglektik vertei¬
digt dieser Flint seine Gewissenlosigfeit ####
ehemaliger Arzt, als er seiner Karriere zuliere,
ein Menschenleben opferte, mit sardonischem
Lächeln schiebt er die gegen ihn erbobenen An¬
würfe wegen Wortbrüchigkoit beiseite und deshaft
erscheint auch sein Umfall während der Par¬