II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 817

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25. Professor Bernhandi
cke zweietagig er Regiments.
B

Aber diese elegisch resignierte Müdigkeit kommt uns doch etwas über¬
teilung des Elisabethinums ist nämlich gerade neu zu besetzen. Es
raschend. Drei Stunden sieht es immer so aus, als ob sich der auf¬
dUlS. at sind dafür zwei Kandidaten vorhanden: einer, der die Stelle verdient
rechte, gerade, energische Bernhardi gewiß nicht die Butter vom Brot
4 und Jude ist, und einer, der sie nicht verdient und Katholik ist. Wenn
nehmen lassen wird, bis er in der vierten klein beigibt und nur noch
n.

der Herr Direktor — so wird ihm von der Gegenpartei nahegelegt —
flötet: „Ich will mei' Ruh' haben — mei' Ruh' will ich haben.“
Jayres brachte scholl dem letzteren seine Stimme gäbe, so hätteer damit einen im Augenblick
Nun bleibt es ja jedem unbenommen, seine rechte Backe hinzuhalten,
rdi“ von Arthur doppelt erwünschten unzweideutigen Beweis erbracht, daß er keinen
wenn er eine ordentliche Ohrfeige auf die linke bekommen hat (zwei
Dieser Kuhhandel ist
agische streift und zu¬ antikatholischen Standpunkt einnehme ....
Monate Kerker mit Rechtsfolgen): nur eignen sich solche jüdisch=christ¬
zu widerwärtig, als daß ein Bernhardi auch nur einen Augenblick im
er Ausführlichkeit ist.
lichen Wiener wenig zu dramatischen Helden. Das Peinliche liegt
Ernst daran denken sollte. Mit Entrüstung — oder vielmehr bloß mit
t, daß das Theater erst
natürlich nicht darin, doß Bernhardi der „Politik“ gern aus dem Wege
der ihm eigenen Ironie weist er, der so gar keinen Sinn für die Fi¬
daraus das hochgemute
ginge — o, das kann ihm mancher philosophische Kopf nachfühlen.
nessen der Tagespolitik hat, diese Sanierungsmöglichkeit weit von sich.
sollt Ihr's haben —
Daß er aber auf die Verfolgung seines guten Rechts — und dies ist
Und nun geht das Verderben seinen Gang. Der Fall Bernhardi wird
n Sinne ließ man sich
doch etwas ganz anderes als einen politischen Golgathaweg wandeln!
zu einem Streitobjekt politischer Parteien aufgebauscht. Bei der Ver¬
ur im Schatten wohl¬
schlantweg verzichiet, das macht ihn schließlich selbst, der „eine bei¬
handlung im Parlament setzt sich sein ehemaliger Freund und Stu¬
nahe ärgerliche Neigung zur Gerechtigkeit“ hat, zu einem Ver¬
diengenosse, der Unterrichtsminister Flint zuerst für ihn ein, um ihn
iktsfall der ärztlichen
neiner und Beuger des Rech's.
dann, als er fühlt, nicht das Ohr des Hauses zu besitzen, desto un¬
n Imperativs mit der
Auch in der Form finde ich „Professor Bernhardi“ nicht sonderlich
sanfter fallen zu lassen und ihn mit einer kühnen Wendung den Gro߬
bethinum, einer gro߬
gelungen. Das ganze Stück besteht nur aus einer egal fortlaufenden
ing#isitor von der anderen Fakultät, dem Herrn Justizminister, aus¬
ardi unter dem Wider¬
Kette sachlicher Männergespräche, Debatten und Konferenzen. Der an¬
zulieern. Gegen Bernhardi wird nun eine strafrechtliche Unter¬
n Nichts geschaffen hat,
meldende Diener und die Visitenkartenschale spielen eine Hauptrolle.
flösung entgegen. Sie
suchung wegen — Religionsstörung eingeleitet. Die Verleumdung,
Das würde an sich vielleicht noch nichts schaden, wenn dieses ungeheure
Vater unbekannt") und
Heuchelei und Dummheit behalten die Oberhand. Der Angeklagte
Tatsachen= und Redematerial psychologisch genug aufgeteilt und durch¬
dem Verlöschen flackert
wird von den Geschworenen zu zwei Monaten verurteilt, womit er zu¬
leuchtet wäre. Aber daran fehlt's — fehlt es uns doppelt, weil „Arthur
ustand der sogenannten
gleich sein Diplom und das Recht zur Ausübung seines Berufs ver¬
Schnitzler“ auf dem Zeitel steht. Die krenz und quer behandelten
die Todgeweihte reu¬
liert, die ihm allerdings im Gnadenwege bald wieder verliehen
Zeit= und Streitfragen mögen Mediziner, Juristen, Theologen und
ebten einer glücklichen
werden. Bernhardi gibt sich merkwürdigerweise mit dem Urteil zu¬
meinetwegen auch Philosophen höchlichst interessieren: das rein mensch¬
frieden und verzichtet auf jede weitere juridische Behandlung der An¬
erzige Schwester läßt,
liche Interesse geht ziemlich leer aus, und von dem inneren Gefühl ist
der Kranken die letzte
gelegenheit — auch dann noch, als ihm nach verbüßter Kerkerhaft die
wohl die Rede, aber sonst wenig zu spüren. Das Ganze ist wohl ein
n aber würde die Un¬
Genugtuneng wird, daß die Krankenschwester ihre ihn am meisten be¬
bewunderungswürdiges Schaugerüst des Verstandes, aber kein blut¬
t und aus ihren Träu¬
lastende Aussage zurückzieht. Er will aus all der Unrast, aus dem
warmes Kunstwerk, dem der Dichter sein Bestes: seine Seele eingehaucht
AI
hkeit zurückgeschleudert
Verurteilt= wie Gefeiertwerden möglichst bald in seine Tätigkeit zu¬
hätte.
rdi als Arzt, dem das
rück, „will wieder Leute gesund machen oder ihnen wenigstens ein¬
Andererseits ist nicht zu übersehen, mit welcher erstaunlichen Sicher¬
ick anvertraut ist, dem
reden, daß er's könne.“ Den wahren Grund seines Verzichts auf
heit Arthur Schnitzler aus dem „weiten Land“ der Erotik, die bisher
beiden noch diskutieren,
Berufung und Wiederaufnahmeverfahren setzt ihm und uns ein witzi¬
sein eigenstes und einziges Betätigungsfeld war, sozusagen mit ge¬
ist der Tod durch, die
ger Hofrat im k. k. Ministerium, der in seinen außerdienstlichen Stun¬
schlossenen Füßen in die politische Arena gesprungen ist. Schon möglich,
icht werden sollen, noch
den den Salonanarchisten markiert, folgendermaßen auseinander:
daß dieses Werk für seine ganze weitere Entwicklung von Bedeutung ist.
„Wir fühlen uns innerlich wohl doch nicht bereit, bis in die
Seine besten Einfälle umspielt hier eine freigeistige Shawsche Ironie,
ir und Wider ist der Fall
letzten Konsequenzen zu gehen und eventuell selbst unser
und die Charakteristik der zahlreichen und doch so fein unterschiedenen
t es Unter= und Neben¬
Arzttypen — Schnitzler selbst ist Dr. med. und der Sohn eines berühm¬
Leben einzusetzen für unsere Ueberzeugung. Und darum ist es das
cher Darstellung in die
ten Mediziners — ist fast über jedes Lob erhaben. Eine Prachtfigur
beste, ja das einzig anständige, wenn unsereiner sich in solche G'schich¬
eit hinaustragen. Ehe
ist insbesondere Flint, der samose Minister für Kultus und Konkordat:
ten gar nicht hineinmischt. Es kommt nichts dabei heraus.“.
ht unschuldigen Vorfall,
ein mit glücklichem Humor durchgezeichneter Strebertyp, der „der im¬
Fatal, daß man bei diesen Worten ein wenig an — Schnitzler selbst
etan hat, eine „Affäre“
manenten Idec seines eigenen Lebens“ Treue, Ueberzeugung und nach
denkt! Denn so geistreich alle Einzelheiten sind, so kommt man bis¬
1 Feind', viel Ehr“, und
Bedarf auch simple Anständigkeit zum Opfer bringt. Er hat sich eine
weilen doch in eine leise Versuch ig, dem Dichter mit seinem Rate zu
wunderliche Dialektik zurechtgemacht, wonach die Wahrheit in jedem
Jude ist. Die „From¬
raten, sich lieber nicht in solche „G'schichten hineinzumischen“. Als
ufromme, die dabei im
Einzelfall einer imaginären höherstehenden allgemeinen Wahrheit zu
Dramatiker ist nämlich auch Schnitzler weit davon entfernt, die letzten
weichen habe: bei Lichte besehen, der Opportunität und der Selbstsucht.
Erregung. Das Kura¬
Konsequenzen zu ziehen aus einem Konflikt, den er glücklich angelegt
Der Brustton der Ueberzeugung gibt nach seiner Lehre nur einen hohlen
Dutzend Juden, die das
hat. In Grunde nimmt er in den letzten Akten alles zurück, was er
Klang. Was wirkt, auch in der Politik, sei nur der Kontrapunkt; dies
inz und ein Bischof im
in den früheren gesagt hat. Er ist nicht vom Stamme der dramatischen
freilich nur so lange, wie ihm treffend bemerkt wird, bis einer kommt,
Parlament wird eine
Michael Kohlhaas; er gefällt sich nicht in der großen Uriel Acosta¬
dem wieder eine Melodie einfällt. Daß der Dichter mit solchen
mit unsäglichen Mühen
Geste, sondern begnügt sich am Schlusse nach unendlichem Hin= und
Bernhardis droht in
Schilderungen — ins Schwarze getroffen hat, beweist uns schon das an
Herreden mit einem echt wienerischen Achselzucken, das da tiefsinnig
ieder ins Gerade brin¬
fft verstünde. Eine Ab= sagt: „Ja, da ist halt nix zu machen, da geh'n wir lieber z'haus!“ sich schwer verständliche Wiener Zensurverbot. Es ist immer etwas faul