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Seite 10 W. en. A. ah- ARAR. A.AR-AARhe.rN. .75= 2.2, Allgemeinen Beobachten 7.#.#. ##. ## M. N. N. M. . . . N. NRRR R Dv. 1
baren Theologen und vor allen Dingen den Kunstkritikern und die an und für sich geschmacklosen Anzüge zerrissen und
schmutzig.
Politikern eine Nuß zu knacken geben, an der sie ihre Freude
haben werden.“ Und wenn sich dann noch Schnitzler à In
In Deutschland war nun ein aufsehenerregendes Werk über
Wilde und Shaw mit aller Gemütsruhe über seinen eigenen
die Staffelung der Schulstrafen von Dr. Isegrimm erschienen.
Helden hermacht, ihn vor dem Publikum blamiert, so ist eigent¬
Dr. Isegrimm vertrat die Hypothese, daß sämtliche Funktionen
lich alles geschehen, um diesem Stück die gesunde pädago¬
des ethischen Lebens sich aus negativen Zuständen ableiteten.
gische Wirkung zu nehmen, und man verläßt das Theater,
Das Buch trug das Motto: „Das Dichten und Trachten des
zwar angeregt, diskutierend. aber kühl bis aus Herz hinan,
Menschen ist böse von Jugend auf!“ Ein solides Fundament
da Schnitzler, gleich allen modernen Literaten, mehr Ver¬
der Erziehung könnte nur durch die Furcht vor der Strafe
gnügen am Stoff, am Problem hat, als an gesunder Plastik,
geboten werden. Diese Furcht hätte natürlich verschiedene
die von einem Dichter innerlich geformt sein müßte. Schon
Stufengrade und Erscheinungsformen. Daher mußte auch die
Beethoven seufzte über diese Oberflächlichkeit der Wiener, die
Bedrohung entsprechend verschiedene Formen annehmen. Ein
nichts ernst nehmen könnten, auch sich selbst nicht, und die mit
unharmonisches Ineinandergreifen von Furcht und Bedrohung
verblüffendem Freimut ihre eignen Helden entehren, weil
wäre ein großer Erziehungsfehler. Der Verfasser verwahrte
sie selbst an nichts mehr glauben können. Auch Schnitzlers
sich entschieden gegen unzeitgemäße Grausamkeiten à la Mielt¬
schien und Blohmsche Wildnis. Aber ebenso entschieden fordert
Resignation, ja Zynismus, gründet sich nicht auf Tiefe, er
verachtet die Ethik seines eigenen Helden, weil er selber keinen
er eine exakte, nach dem von ihm aufgestellten Strafgesetzen
mit nachahmungswerter Verantwortlichkeit gestalten könnte.
sich vollziehende Zuchtpädagogik, gegen die nur verweich¬
lichte Ueber=Idealisten protestieren könnten.
Er verlacht die „richtige Handlungsweise“, weil sie oft Dumm¬
Jean Meunier kombinierte die Forschungsergebnisse
heiten anrichten kann und spricht die banale Wahrheit aus, daß
Dr. Isegrimms mit denen eines französischen Werkes über
nicht alles Handlung werden darf, wenn es uns auch aus mora¬
„Die Mission der Angst“ in der Kindererziehung. Er kam durch
lischen Gründen dazu drängen sollte. Darüber läßt sich aller¬
dieses Studium dazu, noch einige Zwischenphasen in Ablauf
dings nur von Fall zu Fall entscheiden, und auch der Konflikt
der Angstvorstellungen zu entdecken und gelangte so zu ver¬
dieses Stückes ist nicht zu lösen, nicht psychologisch zu klären,
schiedenen Verbesserungen in der Maschinerie des Isegrimm¬
weil wir keine Menschen vor uns haben, sondern uns nur
schen Strafsystems. Wie groß war seine Freude, als
Schnitzlersche Bonmots zugeworfen werden, die ein geist¬
ein guter Erfolg die Anwendung des Isegrimm=Meunierschen
voller und gewandter Schriftsteller wohl immer zu seinem
Systems zu lohnen schien. Man sah keine Abfälle, keine
Hausbedarf zur Verfügung hat. Immerhin ist das Stück inter¬
Papierschnitzel, keine schmutzige Wäsche mehr umherliegen.
essant, wenn auch gefährlich, obwohl es in erster Linie mehr für
Ordnung und Sauberkeit herrschten überall. Ohne Be¬
die Literaten geschrieben zu sein scheint, die wohl auch das
denken konnte er nun seinen Sommerurlaub antreten, den er
meiste Ergötzen darau haben werden. Ob es für Oesterreich
hazu benutzte, persönlich zu Dr. Isegrimm zu fahren, um mit
gut ist? Ich möchte es bezweifeln. An ähnlichen Konflikten
ihm die Uebersetzung des großen Werkes ins Französische zu
fehlt es dort nicht, wohl aber an Männern, welche den ehrlichen
beraten. Voll neuer Anregungen kehrte er nach Bossue zurück.
Versuch machen sollten, den Knäuel von politischen Wirren
Aber welche Enttäuschung sollte ihm bereitet werden. Als er
einigermaßen zu lösen. Schnitzler fühlt nichts dergleichen, kalt¬
die Anstalt betrat, starrte ihm ein solches Tohuwabohn ent¬
blütig pflanzt er seinen neuen Haderstoff in die inneren politi¬
gegen, daß ihn die Verzweiflung packen wollte. Bei einem so
schen Wirren hinein und spielt mit Vergnügen, seines eigenen
fein durchdachten Verfayren, das durch die exakteste Experi¬
geistreichen Kopfes wegen, den Immoralisten. Da er etwas
mentalpsychologie gestützt war, ein solches Fiasko! Im ersten
kann, verzeiht man's ihm, sonst müßte man ihn wohl schelten.
Augenblick kam ihm der Gedanke, daß er ein noch zu milder
Erzieher gewesen sei. Doch als er die Straftabellen aus dem
...
Pulte hervorzog, entsank ihm der Mut. Es mußte doch ein
Fehler in dem System stecken. Was nun tun? Alles der Will¬
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kür überlassen, sich von Zufälligkeiten treiben lassen? Nein!
An das Isegrimmsche System die bessernde Hand legen? Auch
das verwarf er. Es mußte hier ein prinzipieller Irr¬
Das künstlerische Moment in der Erziehung
tum aufgedeckt werden. Aber wie? Tagelang schwebte er in
Unschlüssigkeit, bis er an einem Nachmittage durch seine Tante
des Krüppels.
Margot die Lösung fand. Er sprach mit ihr keineswegs über
Von Haus Würtz, Erziehungsinspektor, Berlin.
pädagogische Dinge. Er plauderte mit ihr über die in Deutsch¬
land gewonnenen Eindrücke und beobachtete dabei, wie ihr
(Fortsetzung.)
Vater die Rosensträucher im Gärtchen vor dem Hause zärtlich
Also auch für den Krüppel hatte die Kunst große Bedeutung.
streichelte. Verdutzt frage er seine Tante: Tut Vater Henri das
Jean Meunier befolgte die Ratschläge seines Freundes mit
öfters? Mon Dien, sagte sie, das ist so seine Gewohnheit. Die
gutem Erfolge, aber immer noch wollte trotz vieler Drohungen
Rosenzucht ist nun mal sein kaihle. Uebrigens habe ich mich
und Strafen eine gewisse Unsauberkeit nicht weichen, die er
auch schon dabei ertappt, daß ich blitzblanke Wäsche auch mit
früher nachsichtig beurteilt hatte, die aber jetzt ausing, ihn zu
einem gewissen Behagen zu streicheln pflege, und mein Adolphe
bennruhigen. Auf dem Fußboden lagen Papierschnitzel, die
hat geradezu ein künstlerisches Wohlgefallen an den sauberen
Werkstätten zeigten die Abfälle und Nebenprodukte der Arbeit,
Seiten seiner Aufsatzhefte. Das scheint in der Familie zu liegen.
in den Schlafsälen lagen Bücher auf den Betten, das Wasch¬
Bei uns gewöhnen sich selbst die Dienstmädchen bald an
geschirr stand nicht an Ort und Stelle, Kleidungsstücke lagen
Korrektheit. Ob es nun davon kommt, daß wir auch die Men¬
unordentlich auf dem Fußboden oder auf den Stühlen, selbst
schen unwillkürlich mindestens ebenso sorgsam behandeln wie
unter den Betten lagen Reste von Semmeln und schmutzigen
die Sachen oder ob das Beispiel erzieherisch wirkt? Vielleicht
Strümpfen einträchtig nebeneinander. Dazu waren auch noch liegt eine Wechselwirkung vor. Der Gedanke einer Wechsel¬
25. Professer Bernhandi
Seite 10 W. en. A. ah- ARAR. A.AR-AARhe.rN. .75= 2.2, Allgemeinen Beobachten 7.#.#. ##. ## M. N. N. M. . . . N. NRRR R Dv. 1
baren Theologen und vor allen Dingen den Kunstkritikern und die an und für sich geschmacklosen Anzüge zerrissen und
schmutzig.
Politikern eine Nuß zu knacken geben, an der sie ihre Freude
haben werden.“ Und wenn sich dann noch Schnitzler à In
In Deutschland war nun ein aufsehenerregendes Werk über
Wilde und Shaw mit aller Gemütsruhe über seinen eigenen
die Staffelung der Schulstrafen von Dr. Isegrimm erschienen.
Helden hermacht, ihn vor dem Publikum blamiert, so ist eigent¬
Dr. Isegrimm vertrat die Hypothese, daß sämtliche Funktionen
lich alles geschehen, um diesem Stück die gesunde pädago¬
des ethischen Lebens sich aus negativen Zuständen ableiteten.
gische Wirkung zu nehmen, und man verläßt das Theater,
Das Buch trug das Motto: „Das Dichten und Trachten des
zwar angeregt, diskutierend. aber kühl bis aus Herz hinan,
Menschen ist böse von Jugend auf!“ Ein solides Fundament
da Schnitzler, gleich allen modernen Literaten, mehr Ver¬
der Erziehung könnte nur durch die Furcht vor der Strafe
gnügen am Stoff, am Problem hat, als an gesunder Plastik,
geboten werden. Diese Furcht hätte natürlich verschiedene
die von einem Dichter innerlich geformt sein müßte. Schon
Stufengrade und Erscheinungsformen. Daher mußte auch die
Beethoven seufzte über diese Oberflächlichkeit der Wiener, die
Bedrohung entsprechend verschiedene Formen annehmen. Ein
nichts ernst nehmen könnten, auch sich selbst nicht, und die mit
unharmonisches Ineinandergreifen von Furcht und Bedrohung
verblüffendem Freimut ihre eignen Helden entehren, weil
wäre ein großer Erziehungsfehler. Der Verfasser verwahrte
sie selbst an nichts mehr glauben können. Auch Schnitzlers
sich entschieden gegen unzeitgemäße Grausamkeiten à la Mielt¬
schien und Blohmsche Wildnis. Aber ebenso entschieden fordert
Resignation, ja Zynismus, gründet sich nicht auf Tiefe, er
verachtet die Ethik seines eigenen Helden, weil er selber keinen
er eine exakte, nach dem von ihm aufgestellten Strafgesetzen
mit nachahmungswerter Verantwortlichkeit gestalten könnte.
sich vollziehende Zuchtpädagogik, gegen die nur verweich¬
lichte Ueber=Idealisten protestieren könnten.
Er verlacht die „richtige Handlungsweise“, weil sie oft Dumm¬
Jean Meunier kombinierte die Forschungsergebnisse
heiten anrichten kann und spricht die banale Wahrheit aus, daß
Dr. Isegrimms mit denen eines französischen Werkes über
nicht alles Handlung werden darf, wenn es uns auch aus mora¬
„Die Mission der Angst“ in der Kindererziehung. Er kam durch
lischen Gründen dazu drängen sollte. Darüber läßt sich aller¬
dieses Studium dazu, noch einige Zwischenphasen in Ablauf
dings nur von Fall zu Fall entscheiden, und auch der Konflikt
der Angstvorstellungen zu entdecken und gelangte so zu ver¬
dieses Stückes ist nicht zu lösen, nicht psychologisch zu klären,
schiedenen Verbesserungen in der Maschinerie des Isegrimm¬
weil wir keine Menschen vor uns haben, sondern uns nur
schen Strafsystems. Wie groß war seine Freude, als
Schnitzlersche Bonmots zugeworfen werden, die ein geist¬
ein guter Erfolg die Anwendung des Isegrimm=Meunierschen
voller und gewandter Schriftsteller wohl immer zu seinem
Systems zu lohnen schien. Man sah keine Abfälle, keine
Hausbedarf zur Verfügung hat. Immerhin ist das Stück inter¬
Papierschnitzel, keine schmutzige Wäsche mehr umherliegen.
essant, wenn auch gefährlich, obwohl es in erster Linie mehr für
Ordnung und Sauberkeit herrschten überall. Ohne Be¬
die Literaten geschrieben zu sein scheint, die wohl auch das
denken konnte er nun seinen Sommerurlaub antreten, den er
meiste Ergötzen darau haben werden. Ob es für Oesterreich
hazu benutzte, persönlich zu Dr. Isegrimm zu fahren, um mit
gut ist? Ich möchte es bezweifeln. An ähnlichen Konflikten
ihm die Uebersetzung des großen Werkes ins Französische zu
fehlt es dort nicht, wohl aber an Männern, welche den ehrlichen
beraten. Voll neuer Anregungen kehrte er nach Bossue zurück.
Versuch machen sollten, den Knäuel von politischen Wirren
Aber welche Enttäuschung sollte ihm bereitet werden. Als er
einigermaßen zu lösen. Schnitzler fühlt nichts dergleichen, kalt¬
die Anstalt betrat, starrte ihm ein solches Tohuwabohn ent¬
blütig pflanzt er seinen neuen Haderstoff in die inneren politi¬
gegen, daß ihn die Verzweiflung packen wollte. Bei einem so
schen Wirren hinein und spielt mit Vergnügen, seines eigenen
fein durchdachten Verfayren, das durch die exakteste Experi¬
geistreichen Kopfes wegen, den Immoralisten. Da er etwas
mentalpsychologie gestützt war, ein solches Fiasko! Im ersten
kann, verzeiht man's ihm, sonst müßte man ihn wohl schelten.
Augenblick kam ihm der Gedanke, daß er ein noch zu milder
Erzieher gewesen sei. Doch als er die Straftabellen aus dem
...
Pulte hervorzog, entsank ihm der Mut. Es mußte doch ein
Fehler in dem System stecken. Was nun tun? Alles der Will¬
K82 Pädagogisches
95
kür überlassen, sich von Zufälligkeiten treiben lassen? Nein!
An das Isegrimmsche System die bessernde Hand legen? Auch
das verwarf er. Es mußte hier ein prinzipieller Irr¬
Das künstlerische Moment in der Erziehung
tum aufgedeckt werden. Aber wie? Tagelang schwebte er in
Unschlüssigkeit, bis er an einem Nachmittage durch seine Tante
des Krüppels.
Margot die Lösung fand. Er sprach mit ihr keineswegs über
Von Haus Würtz, Erziehungsinspektor, Berlin.
pädagogische Dinge. Er plauderte mit ihr über die in Deutsch¬
land gewonnenen Eindrücke und beobachtete dabei, wie ihr
(Fortsetzung.)
Vater die Rosensträucher im Gärtchen vor dem Hause zärtlich
Also auch für den Krüppel hatte die Kunst große Bedeutung.
streichelte. Verdutzt frage er seine Tante: Tut Vater Henri das
Jean Meunier befolgte die Ratschläge seines Freundes mit
öfters? Mon Dien, sagte sie, das ist so seine Gewohnheit. Die
gutem Erfolge, aber immer noch wollte trotz vieler Drohungen
Rosenzucht ist nun mal sein kaihle. Uebrigens habe ich mich
und Strafen eine gewisse Unsauberkeit nicht weichen, die er
auch schon dabei ertappt, daß ich blitzblanke Wäsche auch mit
früher nachsichtig beurteilt hatte, die aber jetzt ausing, ihn zu
einem gewissen Behagen zu streicheln pflege, und mein Adolphe
bennruhigen. Auf dem Fußboden lagen Papierschnitzel, die
hat geradezu ein künstlerisches Wohlgefallen an den sauberen
Werkstätten zeigten die Abfälle und Nebenprodukte der Arbeit,
Seiten seiner Aufsatzhefte. Das scheint in der Familie zu liegen.
in den Schlafsälen lagen Bücher auf den Betten, das Wasch¬
Bei uns gewöhnen sich selbst die Dienstmädchen bald an
geschirr stand nicht an Ort und Stelle, Kleidungsstücke lagen
Korrektheit. Ob es nun davon kommt, daß wir auch die Men¬
unordentlich auf dem Fußboden oder auf den Stühlen, selbst
schen unwillkürlich mindestens ebenso sorgsam behandeln wie
unter den Betten lagen Reste von Semmeln und schmutzigen
die Sachen oder ob das Beispiel erzieherisch wirkt? Vielleicht
Strümpfen einträchtig nebeneinander. Dazu waren auch noch liegt eine Wechselwirkung vor. Der Gedanke einer Wechsel¬