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25 PrBernhandi
Nr. 11
„Neue National-Zeitung“
Seite 88
Da gibt es nun unter den Aerzten am „Elisu¬
der es jetzt aussbricht, er wisse: „daß in den Gottes¬
bethinum“ einige jüdische Kollegen Bernhardis, die
häusern manches Leid geheilt wird, dem wir in den
schon in ganz anderer Weise der Zeit und den For¬
Spitälern, vorläufig machtlos gegenüberstehen“.
derungen der „kompakten Masse“ Rechnung zu
Die Menschen ändern sich und ihre Meinungen mit
tragen wissen.
ihnen, besonders wenn die Menschen das Glück
Vor allen der famose Dr Schreimann, Dozent
— Unterrichtsmmister zu werden.
haben
für Halskrankheiten. Sein Großvater hat Samuel ge¬
Viel krasser noch tritt uns die Heuchelei und die
heißen und hat sich immer ausgeschrieben, nicht
ungeschminkte Streberei in dem Dr. Ebenwald ent¬
für Samnel nur ein S. gesetzt. Der Dr. Schreimann
gegen. Der Mann ist Professor für Chirurgie und
heißt schon „Siegfried und schreibt sich auch immer
Vizedirektor des „Elisabethinums.“ Sollte man es
aus. Er bekennt sich als Deutschen und versichert
wirklich glauben, daß ein Chirurg, ein Vertreter der
Dr. Ebenwald gegenüber: „Wenn sich einer von
Naturwissenschaften, sich für das katholische Dog¬
meiner Abstammung heutzutage als Deutscher und
ma, das angeblich verletzt wurde, außerordentlich
Christ bekennt, so gehört dazu ein größerer Mut,
begeistert? Schwer anzunehmen. Aber was tut man
als wenn er das bleibt, als was er auf die Welt ge¬
nicht alles für die Karrière, besonders, wenn man
kommen ist. Als Zionist hätt ich'’s leichter gehabt.“
an Stelle des Juden, selbst Direktor werden möchte.
Ein köstliches Geständnis in der Tat, das an Auf¬
Da mobilisiert man, als Verwandter eines christlich¬
richtigkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Ob es
sozialen Parteiführers den antisemitischen Heer¬
auch der Wirklichkeit entspricht? Das möchten wir
bann, diese mächtigste aller Parteien. Nebenbei
schon mehr bezweifeln. — Eine andere, nicht minder
sucht man auch sein Geschäft zu betreiben. Der
häufig vorkommende Sorte: Der Dozent für patho¬
biedere Ebenwald möchte den Professor Bernhardi
logische Anatomie, Dr. Adler, der, sehr beflissen,
aus der Gefahr retten, die ihn bedroht, wenn die
dem Pfarrer seine Komplimente macht und über¬
„Religionsverletzung“ an die große Glocke der par¬
zeugt ist, daß „die letzte Oelung“ dem Kranken die
lamentarischen Behandlung gehängt würde. Wie
Kraft, den Mut zum Leben wiedergeben kann..
aber will er diese Rettung herbeiführen? In seiner Art.
Ergötzliche Figuren sind: der Dr. Goldenthal,
Am Elisabethinum wird die Stelle eines Professors
Berhardis Verteidiger vor dem Geschwornen¬
für Hautkrankheiten frei. Zwei Bewerber stehen ein¬
gerichte, und der Journalist Kulka. Der erstere ist
ander gegenüber. Hell, ein Nationaler. — sprich An¬
„ein Getaufter. Seine Frau trägt so ein Kreuz.
tisemit aus Graz — der seine praktische Fähigkeit
Seinen Sohn läßt er in Kalksburg erziehen“! Für
erst zu erweisen hätte, und der Dr. Wenger, der
weniger Eingeweihite sei gesagt, daß Kaiksburg bei
dies schon als Assistent des früheren Professors ge¬
Wien eine in gewissen feudal-klerikalen Kreisen be¬
tan hat. Aber Wenger ist Jude. Und das „Elisabethi¬
sonders bevorzugte Jesuitenanstalt besitzt, deren
num“, zu dessen Kuratoren ein Prinz, ein Erzbischof,
Vorzüge der Getaufte nicht genug zu rühmen weiß.
ein Bankdirektor. Veith heißt der Mann, gehören, ist
„Kalksburg“, meint er, „ist eine der vorzüglichsten
schon ganz verjudet. Soll Wenger die Zahl der
Schulen, die Oesterreich besitzt. Und ich konstatiere
jüdischen Professoren noch vermehren? Bernhardi
bei dieser Gelegenheit gern, daß auch unter den
hat bei der Besetzung der Stelle die entscheidende
von mancher Seite so sehr verlästerten Klerikalen
Stimme anzugeben, zu dirimieren, wie man es im
Männer von geistiger Bedeutung zu finden sind.“
Amts-Jargon nennt. Kein Zweifel, er wird für Wen¬
ger stimmen, nicht weil er Jude, sondern, was für
Im Gegensatze zu diesem moluskenhaften Men¬
Bernhardi das Entscheidende ist, weil er ihn als den
schen steht der treue, unerschütterliche Dr. Löwen¬
Tüchtigeren unter den Bewerbern erkannt hat.
stein, der fest und tapfer zu seinem Direktor hält.
Ebenwald möchte nun den Kollegen veranlassen,
Im ganzen: ein Stück, das nicht nur das ge¬
daß er für Hell stimme, dadurch könne er sich aus
samte Judenproblem, sondern auch gar manche an¬
seiner fatalen Situation retten. Die gefürchtete Inter¬
dere. uns heute viel beschäftigende Frage vor Augen
pellation im Parlamente würde dann unterbleiben,
führt, z. B. die, wie man mit wenig Talent, aber
dafür werde schon Ebenwald sorgen, man hat ja
mit viel Schmiegsamkeit und durch die alle Schwie¬
seine Verbindungen und ist nicht umsonst Vetter
rigkeiten überwindende Protektion es zum Hofrate,
eines mächtigen klerikalen Parteiführers. Bernhardi
zum Minister gar bringen kann. Sehr belehrend
geht, wer würde daran zweifeln, auf die Vorschläge
darüber klingt der letzte Dialog zwischen Bernhardi
des verschlagenen „Kollegen“ nicht ein. Die Inter¬
und dem Hofrate im Unterrichtsministerium, Doktor
pellation erfolgt, großer Lärm. Im Parlamente, in
Winkler. Zwei Anschauungen stehen da einander
dem doch auch Freisinnige sitzen sollen, erhebt sich
gegenüber: die eine, welche erklärt, daß man nur
keine Stimme für den „Religionsverletzer“. — denn
das tun sohl, was man für das Richtige hält — dies
wer würde es sich wegen eines Juden mit den Mäch¬
die Meinung Bernhardis; und die des Hofrates, der
tigen verderben? — und Bernhardi wandert ins Ge¬
Menschen wie Bernhardi für ein „Vieh“ erklärt. Der
fängnis. Hat zwei Monate Zeit, darüber nachzuden¬
Ausdruck mag nicht sehr ästhetisch klingen, drückt
ken, was besser sei, das heißt vorteilhafter, im Le¬
aber die Wirklichkeit menschlich, nur allzu mensch¬
ben: Der Stimme der edeisten Menschlichkeit zu
lich aus
folgen, oder klug gefährlichen Konflikten auszu¬
Es ist österreichisches, speziell Wiener Milieu,
weichen. Warum will Bernhardi die Wahrheit der
in dem die Komödie Schnitzlers spielt. Und indem
Worte des Professors der Nervenkrankheiten, des
er die Judenfrage, von höherem Gesichtspunkte aus
Dr. Cyprian, nicht anerkennen: „Ja die Menschen
betrachtet, uns vor Augen führt, hat er uns die
sind ein Cesindel, aber wir müssen damit rechnen.
Wiener desellschaft eigentlich gezeigt. Freilich, es
Menschen wie Bernhardi. mit einer ethischen Ueher¬
ist kein schönes Bild, das er vor unserem Auge ent¬
zeugung und unbeugsamer Charakterstärke, können,
rollt, aber wahr; nicht erfreulich, aber der Wirklich¬
wo sie sich von den edelsten Gefühlen leiten ließen,
keit entsprechend.
selbst der „Religionsstörung“ überführt werden.
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Da gibt es nun unter den Aerzten am „Elisu¬
der es jetzt aussbricht, er wisse: „daß in den Gottes¬
bethinum“ einige jüdische Kollegen Bernhardis, die
häusern manches Leid geheilt wird, dem wir in den
schon in ganz anderer Weise der Zeit und den For¬
Spitälern, vorläufig machtlos gegenüberstehen“.
derungen der „kompakten Masse“ Rechnung zu
Die Menschen ändern sich und ihre Meinungen mit
tragen wissen.
ihnen, besonders wenn die Menschen das Glück
Vor allen der famose Dr Schreimann, Dozent
— Unterrichtsmmister zu werden.
haben
für Halskrankheiten. Sein Großvater hat Samuel ge¬
Viel krasser noch tritt uns die Heuchelei und die
heißen und hat sich immer ausgeschrieben, nicht
ungeschminkte Streberei in dem Dr. Ebenwald ent¬
für Samnel nur ein S. gesetzt. Der Dr. Schreimann
gegen. Der Mann ist Professor für Chirurgie und
heißt schon „Siegfried und schreibt sich auch immer
Vizedirektor des „Elisabethinums.“ Sollte man es
aus. Er bekennt sich als Deutschen und versichert
wirklich glauben, daß ein Chirurg, ein Vertreter der
Dr. Ebenwald gegenüber: „Wenn sich einer von
Naturwissenschaften, sich für das katholische Dog¬
meiner Abstammung heutzutage als Deutscher und
ma, das angeblich verletzt wurde, außerordentlich
Christ bekennt, so gehört dazu ein größerer Mut,
begeistert? Schwer anzunehmen. Aber was tut man
als wenn er das bleibt, als was er auf die Welt ge¬
nicht alles für die Karrière, besonders, wenn man
kommen ist. Als Zionist hätt ich'’s leichter gehabt.“
an Stelle des Juden, selbst Direktor werden möchte.
Ein köstliches Geständnis in der Tat, das an Auf¬
Da mobilisiert man, als Verwandter eines christlich¬
richtigkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Ob es
sozialen Parteiführers den antisemitischen Heer¬
auch der Wirklichkeit entspricht? Das möchten wir
bann, diese mächtigste aller Parteien. Nebenbei
schon mehr bezweifeln. — Eine andere, nicht minder
sucht man auch sein Geschäft zu betreiben. Der
häufig vorkommende Sorte: Der Dozent für patho¬
biedere Ebenwald möchte den Professor Bernhardi
logische Anatomie, Dr. Adler, der, sehr beflissen,
aus der Gefahr retten, die ihn bedroht, wenn die
dem Pfarrer seine Komplimente macht und über¬
„Religionsverletzung“ an die große Glocke der par¬
zeugt ist, daß „die letzte Oelung“ dem Kranken die
lamentarischen Behandlung gehängt würde. Wie
Kraft, den Mut zum Leben wiedergeben kann..
aber will er diese Rettung herbeiführen? In seiner Art.
Ergötzliche Figuren sind: der Dr. Goldenthal,
Am Elisabethinum wird die Stelle eines Professors
Berhardis Verteidiger vor dem Geschwornen¬
für Hautkrankheiten frei. Zwei Bewerber stehen ein¬
gerichte, und der Journalist Kulka. Der erstere ist
ander gegenüber. Hell, ein Nationaler. — sprich An¬
„ein Getaufter. Seine Frau trägt so ein Kreuz.
tisemit aus Graz — der seine praktische Fähigkeit
Seinen Sohn läßt er in Kalksburg erziehen“! Für
erst zu erweisen hätte, und der Dr. Wenger, der
weniger Eingeweihite sei gesagt, daß Kaiksburg bei
dies schon als Assistent des früheren Professors ge¬
Wien eine in gewissen feudal-klerikalen Kreisen be¬
tan hat. Aber Wenger ist Jude. Und das „Elisabethi¬
sonders bevorzugte Jesuitenanstalt besitzt, deren
num“, zu dessen Kuratoren ein Prinz, ein Erzbischof,
Vorzüge der Getaufte nicht genug zu rühmen weiß.
ein Bankdirektor. Veith heißt der Mann, gehören, ist
„Kalksburg“, meint er, „ist eine der vorzüglichsten
schon ganz verjudet. Soll Wenger die Zahl der
Schulen, die Oesterreich besitzt. Und ich konstatiere
jüdischen Professoren noch vermehren? Bernhardi
bei dieser Gelegenheit gern, daß auch unter den
hat bei der Besetzung der Stelle die entscheidende
von mancher Seite so sehr verlästerten Klerikalen
Stimme anzugeben, zu dirimieren, wie man es im
Männer von geistiger Bedeutung zu finden sind.“
Amts-Jargon nennt. Kein Zweifel, er wird für Wen¬
ger stimmen, nicht weil er Jude, sondern, was für
Im Gegensatze zu diesem moluskenhaften Men¬
Bernhardi das Entscheidende ist, weil er ihn als den
schen steht der treue, unerschütterliche Dr. Löwen¬
Tüchtigeren unter den Bewerbern erkannt hat.
stein, der fest und tapfer zu seinem Direktor hält.
Ebenwald möchte nun den Kollegen veranlassen,
Im ganzen: ein Stück, das nicht nur das ge¬
daß er für Hell stimme, dadurch könne er sich aus
samte Judenproblem, sondern auch gar manche an¬
seiner fatalen Situation retten. Die gefürchtete Inter¬
dere. uns heute viel beschäftigende Frage vor Augen
pellation im Parlamente würde dann unterbleiben,
führt, z. B. die, wie man mit wenig Talent, aber
dafür werde schon Ebenwald sorgen, man hat ja
mit viel Schmiegsamkeit und durch die alle Schwie¬
seine Verbindungen und ist nicht umsonst Vetter
rigkeiten überwindende Protektion es zum Hofrate,
eines mächtigen klerikalen Parteiführers. Bernhardi
zum Minister gar bringen kann. Sehr belehrend
geht, wer würde daran zweifeln, auf die Vorschläge
darüber klingt der letzte Dialog zwischen Bernhardi
des verschlagenen „Kollegen“ nicht ein. Die Inter¬
und dem Hofrate im Unterrichtsministerium, Doktor
pellation erfolgt, großer Lärm. Im Parlamente, in
Winkler. Zwei Anschauungen stehen da einander
dem doch auch Freisinnige sitzen sollen, erhebt sich
gegenüber: die eine, welche erklärt, daß man nur
keine Stimme für den „Religionsverletzer“. — denn
das tun sohl, was man für das Richtige hält — dies
wer würde es sich wegen eines Juden mit den Mäch¬
die Meinung Bernhardis; und die des Hofrates, der
tigen verderben? — und Bernhardi wandert ins Ge¬
Menschen wie Bernhardi für ein „Vieh“ erklärt. Der
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Ausdruck mag nicht sehr ästhetisch klingen, drückt
ken, was besser sei, das heißt vorteilhafter, im Le¬
aber die Wirklichkeit menschlich, nur allzu mensch¬
ben: Der Stimme der edeisten Menschlichkeit zu
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folgen, oder klug gefährlichen Konflikten auszu¬
Es ist österreichisches, speziell Wiener Milieu,
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in dem die Komödie Schnitzlers spielt. Und indem
Worte des Professors der Nervenkrankheiten, des
er die Judenfrage, von höherem Gesichtspunkte aus
Dr. Cyprian, nicht anerkennen: „Ja die Menschen
betrachtet, uns vor Augen führt, hat er uns die
sind ein Cesindel, aber wir müssen damit rechnen.
Wiener desellschaft eigentlich gezeigt. Freilich, es
Menschen wie Bernhardi. mit einer ethischen Ueher¬
ist kein schönes Bild, das er vor unserem Auge ent¬
zeugung und unbeugsamer Charakterstärke, können,
rollt, aber wahr; nicht erfreulich, aber der Wirklich¬
wo sie sich von den edelsten Gefühlen leiten ließen,
keit entsprechend.
selbst der „Religionsstörung“ überführt werden.
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