II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 864

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gegen die Kleinbürger zu erreichen, ist eine bedauerns¬
Judenfiguren
werte Figur, wie sie leider nur zu sehr dem Leben abge¬
schaut ist. Sie kommt #uch in anderen Berufen vor!
im modernen deutschen Drama
Unter den geistigen Berufen ist besonders noch ein
Von Professor Dr. Oskar Frankl (Reichenberg).
Stand, dessen Vertreter auf der modernen deutschen
(Schluß.)
Eühne gerne als Jude gezeichnet wird: der Rechts¬
anwalt. Der jüdische Advokat tritt in den verwickeltsten
Unsere Untersuchung hat uns von den rein mate¬
Situationen auf, er weiß immer einen Rat und opfert sich
riellen Berufen, als deren Vertreter der Jude auf der
für seinen Klienten. Ein solcher Mann ist Dr. Moritz
deutschen Bühne erscheint, allmählich weiter geführt,
Oppenheimer in der Komödie „Büxl“ von Holz und
indem wir zeigen konnten, daß die Dichter bereits auch
Jerschke. Durch sein geschicktes Eingreifen gewinnt
gewisse geistige Interessen an diesen Judenfiguren be¬
sein Klient, ein böser Verbrecher, Zeit und Gelegenheit,
tonen (z. B. Jakob in den „Fünf Frankfurtern“). Wir
sich vom sicheren Tode zu erretten, ihn macht auch der
wenden uns nun zu den geistigen Berufen, in
Fürst zum Vertrauensmann, aber in all seiner Klugheit
denen gerne Juden vorgeführt werden, und zwar vor
sicht er nicht, daß seine Frau ihn betrügt, daß die ge¬
allem zu der Figur des jüdischen Journalisten. Auch
heimnisvollen Briefe, die er dem Fürsten wieder schaffen
ihr haftet noch etwas Materielles, Erwerbendes an; wie
soll, von ihr selbst geschrieben sind. Der Uebereifer für
der Bankier die materielle, so hat der- jüdische Tournalist
seinen Beruf, eine fast unerklärliche Vertrauensseligkeit
in dem Drama die geistige Vermeittlerfolle und # jec das,
gegenüber seiner Frau, die er in den merkwürdigsten
was der Beruf ihn an geistiger Münze hat samm iesseh,
Situationen antrifft, machen ihn für Zusammenhänge blind,
unter die Menge. So zeichnen die Dramatiker diesr Figur:
die jeder andere wenigstens alnt, und lassen ihn schlie߬
dem jüdischen Journalisten ist es meist gleichgültig, ob
lich lächerliel erscheinen.
das, was er schreibt, seiner Ueberzeugung entspricht.
Er kann schreiben nach rechts und er kann schreiben
Da stcht der Advokat Dr. Samuel in Herzls „Neuem
nach links, meint schon Freytag in seinen „Journa¬
Chetto“ anders vor uns. Er kennt keine Schliche, aber
listen“ und nach der Figur in diesem Lustspiel findet
auch keine Rücksicht, wo es gilt, offen vorzugehen, mit
sich der jüdische keporter in unzähligen Gestalten auf der
scharfem Verstand erfaßt er die Situation und stellt auch
Bühne. Er erscheint fast überall auch schon in der
dort tatkräftig seinen Mann, wo er seine beleidigte Ehre,
Sprache als Jude gezeichnet, nicht nur in Possen und
die Ehre seines Volkes rein zu waschen hat Und als er
Operetten, sondern auch im ernsten Stück, seine Aufgabe
schließlich zue Waffe greiten muß, weil ein christlicher
ist es, möglichst viel zu erfähren. Neut#keiten Smgeln“
Spekulant den Juden in ihm verletzt hat, als man ihn
und bei großen Ereignissen nicht zu fehlen. Dabei mult
dann, zn Tode verwundet,-Nach Frause bringt und seine
er sich’s häufig gefallen lassen, daß er derb angefahren
alten, guten jüdischen Eltern an seinem Bette jammernd
wird und ihm gezeigt wird, daß man auf seine An¬
zusammenbrechen, da klingen seine letzten Worte als die
wesenheit gerne verzichten würde.
Erfahrung seines ganzen Lebens: „Hinaus aus dem
Ghetto!“ Aus dem geistigen Ghetto, das den modernen
So ergeht es z. B. auch dem Jour-alisten Kulka in
Juden noch drückender und beengender als die alte
Schfessor Bernliurdi“, Bernhardi will ihn
Ghettomauer umgibt, in ein freies Judenland.
gar nicht empfargen, schließlich muß er sich aber dazu
bequemen, da Kulka sich nicht abweisen läßt. Aber was
Während Dr. Samuel erst am Ende seines Lebens
Kulka erfahren möchte, wird ihm nicht mitgeteilt. Ver¬
zu dieser Erkenntnis kommt, ist Dr. Kohn, der Held
gebens weist er darauf hin, daß er ven den „Neuesten
des gleichnamigen Trauerspieles von Nordau, schon
Nachrichten“ ist, daß sein Chef selbst an Bernhardis An¬
während der ganzen Handlung von der Ueberzeugung
gelegenheit das größte Interesse nimmt, daß dem Pro¬
durchdrungen, daß es für die Juden keinen anderen
fessor gerne die Spalten der freibeitlichen Zeitung geöffnet
Weg als den des Zusammenschlusses und der Erringung
sind: er wird zur Für hinausgeworfen, Bernhardi will
eines eigenen Landes gibt. Das sagt er auch offen dem
mit der Zeitung und ihren Vertretern nichts zu tun haben.
Vater seiner Angebeteten, einem getauften Juden, bei dem
Eine klägliche Rolle, die der Journalist hier spielt! Und
er um ihre Hand anhält. Es ist eine herzerfreuende Szene,
zu dieser Figur paßt es ganz, daß sich Kulka gegenüber
in der uns Nordau die beiden Männer vorführt, den ehe¬
Bernhardi, der eine Anspielung auf die Religion des
maligen Juden, den Geheimen Kommerzienrat Moser,
Journalisten macht, stolz in die Brust wirkt: „Ich bin
der in einem großen Augenblick, nach der Schlacht bei
konfessionslos, Herr Professor.“ Das ist der einzige
Sedan, die letzten äußeren Bande, die ihn noch mit den
Mut seiner eigenen Ueberzeugung, den dieser Kulka
„abgestorbenen Formen“ des Judentums verbanden, ab¬
aufbringt.
zuwerfen beschloß, um ganz eins zu werden mit dem
Eine eigenartige Stellung nimmt in demselben Stücke
deutschen Volke, und den Privatdozenten der Mathematik
eine andere Person, der Arzt Dr. Feuermann, ein.
Dr. Leo Kohn, der sich nach schweren Kämpfen und
Dr. Feuermaur hat sich aus niedrigen Verhältnissen durch
Enttäuschungen zu der Erkenntnis durchrang, daß sein
großen Fleis bis zum Arzte durchgearbeitet, ist dann
Platz bei seinem verachteten, gedrückten Volke ist, daß es
sofort, ohne die Gelegenheit zu nehmen, sich an Spitälern
kein „Einswerden mit unseren Landsgenossen“ gibt. Als
Lauszubilden, in die Praxis getreten, da er Geld verdienen
den Aufschrei eines gequälten Herzens hören wir seine
muß. Als Bezirksarzt einer kleinen Stadt ereilt ihn nun
Worte: „Auf der Schule, im Regiment, auf der Universität
das Verhängnis. Er begeht einen Kunstfehler und ver¬
wird uns die Liebe zum deutschen Vaterlande, der Stolz
liert trotz Eintretens der ärftlichen Sachverständigen seine
auf unser Deutschtum, die Begeisterung für die deutsche
Existenz. Dieser Arzt, der von früher Kindheit stets nur
Vergangenheit und alle Großitaten des deutschen Geistes
die ernste Seite des Lebens geschen hat, der sich redlich
und der deutschen Faust anerzogen, und wenn wir dann
abgemüht hat und schließlich verzweifelt sich die Füße
ins Leben hinaustreten, deutsch bis zu den Fingerspitzen,
zu Professoren und zum Minister wundläuft, ohne etwas
deutsch in allem, was wir lieben und hassen, stößt man