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25. D r Bernhand
Unser Kampf um die Bühne.
gelehrte mährische Pfarrer Dr Anton Stära 1887 in der Tübinger „Theo¬
logischen Quartalschrift" und 1893 in seiner „Dramaturgie, dargestellt
nach katholischen Grundsätzen“, den Beweis, daß die Vernachlässigung des
Theaters weder der Kirchengeschichte noch dem echten Geiste der katholischen
Lehre entspricht. Seitdem sind im deutschen Sprachgebiet fast unaufhörlich
Stimmen laut geworden, die einen stärkeren Einfluß der Katholiken auf
die Bühne aus literarischen oder aus allgemein sozialen Erwägungen fordern.
Gerade in der letzten Zeit ist die Frage in der „Österreichischen Frauen¬
welt“ (1912, 11. Heft), in der „Augsburger Postzeitung“ (1912, Nr 372;
1913, Nr 19 und 42), im „Aar“ (1913, 7. Heft) und im „Gral“
(1913, 7. Heft) lebhaft erörtert worden. Mit Ausnahme des Artikels
von Dr Hildegard Burjan in der „Frauenwelt“, der aus einer verheißungs¬
voll begonnenen Arbeit zur Hebung der Wiener Theaterverhältnisse er¬
wachsen ist, sind alle diese Meinungsäußerungen zunächst durch das un¬
erhörte Ereignis veranlaßt worden, daß ein Werk eines katholischen Priesters,
die auch in dieser Zeitschrift (LXXXIV 334) gewürdigte Tragödie „Dido“.
von Alois Außerer, am Stadttheater in Salzburg mit bemerkenswertem
Erfolg aufgeführt worden ist. Daher mag es gekommen sein, daß die
Auseinandersetzungen sich fast mehr um die katholischen Dramatiker drehten,
als um die katholischen Zuschauer. Man verquickte zwei Dinge, die aller¬
dings sehr viel miteinander zu tun haben, die aber doch zwei Dinge und
keineswegs gleich wichtige Dinge sind. Wäre es nicht besser, wir richteten
unsere ganze Kraft zunächst auf eins von den beiden?
All unser Mühen um ein katholisches Drama ist weder des Erfolges
so sicher, noch einstweilen so bitter notwendig wie die geschlossene Abwehr
des ungeheuren Verderbens, mit dem der heutige Theaterbetrieb unser ganzes
Volk bedroht!
Dietrich v. Oertzen erklärte auf Grund von Erfahrungen, die er als
Berliner Theaterkritiker gemacht hatte, im Juli 1908 in der protestantischen
Zeitschrift „Glauben und Wissen“ es müsse zugegeben werden, „daß der
weitaus größte Teil des deutschen Bühnenwesens sich in einem solchen Zu¬
stande der Fäulnis und Verkommenheit befindet, daß jede Berührung damit
eine sittliche Ansteckungsgefahr bedeutet". In Berlin seien drei Viertel aller
Vorstellungen der Art, „daß sie christliche Denkweise und Sitte nicht bauen
helfen, sondern zerstören". So sehe es an den „besseren“ Bühnen aus;
andere, vielleicht die Mehrzahl, ständen „direkt im Dienste des Lasters“.
Dieses harte Urteil ist durchaus nicht vereinzelt. Beispielsweise bewies
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Unser Kampf um die Bühne.
gelehrte mährische Pfarrer Dr Anton Stära 1887 in der Tübinger „Theo¬
logischen Quartalschrift" und 1893 in seiner „Dramaturgie, dargestellt
nach katholischen Grundsätzen“, den Beweis, daß die Vernachlässigung des
Theaters weder der Kirchengeschichte noch dem echten Geiste der katholischen
Lehre entspricht. Seitdem sind im deutschen Sprachgebiet fast unaufhörlich
Stimmen laut geworden, die einen stärkeren Einfluß der Katholiken auf
die Bühne aus literarischen oder aus allgemein sozialen Erwägungen fordern.
Gerade in der letzten Zeit ist die Frage in der „Österreichischen Frauen¬
welt“ (1912, 11. Heft), in der „Augsburger Postzeitung“ (1912, Nr 372;
1913, Nr 19 und 42), im „Aar“ (1913, 7. Heft) und im „Gral“
(1913, 7. Heft) lebhaft erörtert worden. Mit Ausnahme des Artikels
von Dr Hildegard Burjan in der „Frauenwelt“, der aus einer verheißungs¬
voll begonnenen Arbeit zur Hebung der Wiener Theaterverhältnisse er¬
wachsen ist, sind alle diese Meinungsäußerungen zunächst durch das un¬
erhörte Ereignis veranlaßt worden, daß ein Werk eines katholischen Priesters,
die auch in dieser Zeitschrift (LXXXIV 334) gewürdigte Tragödie „Dido“.
von Alois Außerer, am Stadttheater in Salzburg mit bemerkenswertem
Erfolg aufgeführt worden ist. Daher mag es gekommen sein, daß die
Auseinandersetzungen sich fast mehr um die katholischen Dramatiker drehten,
als um die katholischen Zuschauer. Man verquickte zwei Dinge, die aller¬
dings sehr viel miteinander zu tun haben, die aber doch zwei Dinge und
keineswegs gleich wichtige Dinge sind. Wäre es nicht besser, wir richteten
unsere ganze Kraft zunächst auf eins von den beiden?
All unser Mühen um ein katholisches Drama ist weder des Erfolges
so sicher, noch einstweilen so bitter notwendig wie die geschlossene Abwehr
des ungeheuren Verderbens, mit dem der heutige Theaterbetrieb unser ganzes
Volk bedroht!
Dietrich v. Oertzen erklärte auf Grund von Erfahrungen, die er als
Berliner Theaterkritiker gemacht hatte, im Juli 1908 in der protestantischen
Zeitschrift „Glauben und Wissen“ es müsse zugegeben werden, „daß der
weitaus größte Teil des deutschen Bühnenwesens sich in einem solchen Zu¬
stande der Fäulnis und Verkommenheit befindet, daß jede Berührung damit
eine sittliche Ansteckungsgefahr bedeutet". In Berlin seien drei Viertel aller
Vorstellungen der Art, „daß sie christliche Denkweise und Sitte nicht bauen
helfen, sondern zerstören". So sehe es an den „besseren“ Bühnen aus;
andere, vielleicht die Mehrzahl, ständen „direkt im Dienste des Lasters“.
Dieses harte Urteil ist durchaus nicht vereinzelt. Beispielsweise bewies
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