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ha
25. Brofesser41
Unser Kampf um die Bühne.
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zu, daß an sich ein Arzt in diesem Fall das Recht habe, den Priester
zurückzuweisen. Bernhardi hat dieser Überzeugung unnachgiebig die freund¬
schaftlichen Beziehungen zu manchen seiner Kollegen und sogar den Direktor¬
posten an dem von ihm begründeten Sanatorium geopfert — aber am
Schluß behält er doch nicht recht; sondern recht gibt der Dichter nur
dem lustigen Hofrat, der es für „das Beste, ja das einzig Anständige“
erklärt, „wenn unsereiner sich in solche ... G'schichten gar nicht hinein¬
mischt“, denn es komme nichts heraus dabei. Wollte man immerfort
„das Richtige“ tun, „so säße man sicher noch vorm Nachtmahl im Kri¬
minal“. Bernhardi wendet ein: „Sie in meinem Fall hätten genau so
gehandelt.“ „Möglich“, antwortet der Hofrat, „da wär' ich halt — ent¬
schuldigen schon, Herr Professor, — grad' so ein Viech gewesen wie Sie.“
Das sind die letzten Worte des Stückes.
Da wird also erstens der ironisch lächelnden Gesinnungslosigkeit ein
Triumph bereitet, der unserer charakterarmen Zeit wahrhaftig nicht zum
Heile gereicht. Da wird zweitens als etwas ganz Selbstverständliches eine
Anschauung vertreten, von der jeder gläubige Bekenner einer positiven
Religion sagen muß, daß sie ein grausamer Frevel am ewigen Glücke vieler
Seelen ist. Sogar vom Standpunkte Bernhardis aus müßte seine Hand¬
lungsweise nach den im Drama liegenden Voraussetzungen als schweres
Unrecht erscheinen. Im dritten Akt erklärt der trocken wissenschaftliche
Professor Cyprian, der Bernhardis Vorgehen verteidigt: „In allen Fällen,
wo ein Priester von dem Sterbenden oder dessen Verwandten gewünscht
wird, hat auch nie ein Arzt ihm den Eintritt verweigert. Aber das Er¬
scheinen des Priesters am Krankenbett gegen den Willen des Sterbenden
oder gegen die wohlbegründeten Bedenken desjenigen, der in der letzten
Stunde für ihn verantwortlich ist, muß als ein zum mindesten unstatthafter
Übergriff kirchlicher — Fürsorge bezeichnet werden, den abzuwehren in be¬
stimmten Fällen nicht nur erlaubt ist, sondern zur Pflicht werden kann.
Und solch ein Fall, meine Herren, ist es, dem wir hier gegenüberstehen.“
Nein, solch einem Fall stehen wir nicht gegenüber! Daß die Kranke nicht
ausdrücklich nach einem Priester verlangt und für den Augenblick „reue¬
los“ ist, kommt nur daher, daß sie sich in der Täuschung befindet, sie
werde bald wieder gesund sein. Dabei bleibt aber die Grundrichtung ihres
Willens, nicht ohne den Empfang der Sakramente zu sterben, in voller
Kraft bestehen. Das zeigt sich sofort, als die Schwester ihr ohne Wissen
des Direktors meldet, der Pfarrer komme sie besuchen. Da weigert sie
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25. Brofesser41
Unser Kampf um die Bühne.
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zu, daß an sich ein Arzt in diesem Fall das Recht habe, den Priester
zurückzuweisen. Bernhardi hat dieser Überzeugung unnachgiebig die freund¬
schaftlichen Beziehungen zu manchen seiner Kollegen und sogar den Direktor¬
posten an dem von ihm begründeten Sanatorium geopfert — aber am
Schluß behält er doch nicht recht; sondern recht gibt der Dichter nur
dem lustigen Hofrat, der es für „das Beste, ja das einzig Anständige“
erklärt, „wenn unsereiner sich in solche ... G'schichten gar nicht hinein¬
mischt“, denn es komme nichts heraus dabei. Wollte man immerfort
„das Richtige“ tun, „so säße man sicher noch vorm Nachtmahl im Kri¬
minal“. Bernhardi wendet ein: „Sie in meinem Fall hätten genau so
gehandelt.“ „Möglich“, antwortet der Hofrat, „da wär' ich halt — ent¬
schuldigen schon, Herr Professor, — grad' so ein Viech gewesen wie Sie.“
Das sind die letzten Worte des Stückes.
Da wird also erstens der ironisch lächelnden Gesinnungslosigkeit ein
Triumph bereitet, der unserer charakterarmen Zeit wahrhaftig nicht zum
Heile gereicht. Da wird zweitens als etwas ganz Selbstverständliches eine
Anschauung vertreten, von der jeder gläubige Bekenner einer positiven
Religion sagen muß, daß sie ein grausamer Frevel am ewigen Glücke vieler
Seelen ist. Sogar vom Standpunkte Bernhardis aus müßte seine Hand¬
lungsweise nach den im Drama liegenden Voraussetzungen als schweres
Unrecht erscheinen. Im dritten Akt erklärt der trocken wissenschaftliche
Professor Cyprian, der Bernhardis Vorgehen verteidigt: „In allen Fällen,
wo ein Priester von dem Sterbenden oder dessen Verwandten gewünscht
wird, hat auch nie ein Arzt ihm den Eintritt verweigert. Aber das Er¬
scheinen des Priesters am Krankenbett gegen den Willen des Sterbenden
oder gegen die wohlbegründeten Bedenken desjenigen, der in der letzten
Stunde für ihn verantwortlich ist, muß als ein zum mindesten unstatthafter
Übergriff kirchlicher — Fürsorge bezeichnet werden, den abzuwehren in be¬
stimmten Fällen nicht nur erlaubt ist, sondern zur Pflicht werden kann.
Und solch ein Fall, meine Herren, ist es, dem wir hier gegenüberstehen.“
Nein, solch einem Fall stehen wir nicht gegenüber! Daß die Kranke nicht
ausdrücklich nach einem Priester verlangt und für den Augenblick „reue¬
los“ ist, kommt nur daher, daß sie sich in der Täuschung befindet, sie
werde bald wieder gesund sein. Dabei bleibt aber die Grundrichtung ihres
Willens, nicht ohne den Empfang der Sakramente zu sterben, in voller
Kraft bestehen. Das zeigt sich sofort, als die Schwester ihr ohne Wissen
des Direktors meldet, der Pfarrer komme sie besuchen. Da weigert sie