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25. Prof Bernhandi
Unser Kampf um die Bühne.
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um einen jungen Wüstling, dessen Vater, Teilhaber der Weißeggerschen
Unternehmungen, ein ausgemergelter, immer noch unersättlicher Lebemann
ist. Diese Personen, deren Gespräche natürlich ganz auf der Höhe ihres
Charakters sind, stellen sich nun an, als ob sie die wirklich vornehme Welt
wären. Und das ist dann die Gesellschaft, die ein „besseres" Theater Abend
um Abend seinen Besuchern glaubt bieten zu dürfen!
Die „empörende Roheit“, die in solchen Zumutungen liegt, hat der
französische Akademiker René Doumic am 15. Juli 1911 in der Revue
des deux mondes mit scharfen Worten zurückgewiesen. Als im Jahre
1866 der liberale Politiker und Journalist Jean Jacques Weiß in der¬
selben Zeitschrift das gleiche Übel bekämpfte, betonte er genau wie Doumic
mit vollem Recht, daß Zuschauer, die fortwährend sittlich minderwertige
Personen auf der Bühne sehen, nicht im stande sind, sich einen lautern und
starken Charakter zu bewahren. „Betrachten Sie“, sagt er, (1866, I 788),
„den Saal bei der Aufführung eines erfolgreichen Stückes! Wenn da
auf der Bühne eine liebenswürdige Frau ihrem Herrn und Gemahl ganz
gemütlich Dinge sagt, daß der gutmütigste Mann sie mit Fug und Recht
ohne Erklärungen abzuwarten zum Fenster hinauswerfen müßte, dann rufen
gerade die Männer am überzeugtesten Bravo.“ Das entsprechende Bild
von heute ist womöglich noch abstoßender. Eloesser erzählt in seiner Kritik
des Sudermannschen Stückes im „Literarischen Echo“ (XV 616), bei dem
widerlich verlogenen Streit der zwei Frauen um denselben Geliebten hätten
„mehrere kluge Damen im Parkett“ einander „durch ein Kopfnicken“ be¬
stätigt, daß die Darstellung stimme.
Alle Kenner sind sich einig, daß im Theater eine ganze Reihe psycho¬
logischer Ursachen darauf hinwirkt, das Geschaute und Gehörte der Seele
so tief einzuprägen, daß es selbst da zu bestimmenden Lebensmächten wird,
wo die Religion noch nicht ihren Einfluß verloren hat. Schillers be¬
rühmtes Wort an die Künstler gilt nicht zuletzt für die Künstler der Bühne:
Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,
Bewahret sie!
Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!
Dem Bewußtsein der Gegenwart ist diese Mahnung so sehr entschwunden,
daß die sozialdemokratische „Münchener Post“ unter voller Billigung der
„Allgemeinen Rundschau“ (X 35) die Philosophie des diesjährigen Neujahrs¬
stückes einer Kgl. Bayerischen Hofbühne in die Worte fassen konnte: „Lebens¬
anschauung, Gesinnung, Pflicht, Arbeit: Quatsch!“
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25. Prof Bernhandi
Unser Kampf um die Bühne.
268
um einen jungen Wüstling, dessen Vater, Teilhaber der Weißeggerschen
Unternehmungen, ein ausgemergelter, immer noch unersättlicher Lebemann
ist. Diese Personen, deren Gespräche natürlich ganz auf der Höhe ihres
Charakters sind, stellen sich nun an, als ob sie die wirklich vornehme Welt
wären. Und das ist dann die Gesellschaft, die ein „besseres" Theater Abend
um Abend seinen Besuchern glaubt bieten zu dürfen!
Die „empörende Roheit“, die in solchen Zumutungen liegt, hat der
französische Akademiker René Doumic am 15. Juli 1911 in der Revue
des deux mondes mit scharfen Worten zurückgewiesen. Als im Jahre
1866 der liberale Politiker und Journalist Jean Jacques Weiß in der¬
selben Zeitschrift das gleiche Übel bekämpfte, betonte er genau wie Doumic
mit vollem Recht, daß Zuschauer, die fortwährend sittlich minderwertige
Personen auf der Bühne sehen, nicht im stande sind, sich einen lautern und
starken Charakter zu bewahren. „Betrachten Sie“, sagt er, (1866, I 788),
„den Saal bei der Aufführung eines erfolgreichen Stückes! Wenn da
auf der Bühne eine liebenswürdige Frau ihrem Herrn und Gemahl ganz
gemütlich Dinge sagt, daß der gutmütigste Mann sie mit Fug und Recht
ohne Erklärungen abzuwarten zum Fenster hinauswerfen müßte, dann rufen
gerade die Männer am überzeugtesten Bravo.“ Das entsprechende Bild
von heute ist womöglich noch abstoßender. Eloesser erzählt in seiner Kritik
des Sudermannschen Stückes im „Literarischen Echo“ (XV 616), bei dem
widerlich verlogenen Streit der zwei Frauen um denselben Geliebten hätten
„mehrere kluge Damen im Parkett“ einander „durch ein Kopfnicken“ be¬
stätigt, daß die Darstellung stimme.
Alle Kenner sind sich einig, daß im Theater eine ganze Reihe psycho¬
logischer Ursachen darauf hinwirkt, das Geschaute und Gehörte der Seele
so tief einzuprägen, daß es selbst da zu bestimmenden Lebensmächten wird,
wo die Religion noch nicht ihren Einfluß verloren hat. Schillers be¬
rühmtes Wort an die Künstler gilt nicht zuletzt für die Künstler der Bühne:
Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,
Bewahret sie!
Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!
Dem Bewußtsein der Gegenwart ist diese Mahnung so sehr entschwunden,
daß die sozialdemokratische „Münchener Post“ unter voller Billigung der
„Allgemeinen Rundschau“ (X 35) die Philosophie des diesjährigen Neujahrs¬
stückes einer Kgl. Bayerischen Hofbühne in die Worte fassen konnte: „Lebens¬
anschauung, Gesinnung, Pflicht, Arbeit: Quatsch!“