II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 883

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Unser Kampf um die Bühne.
Daß solchen Zuständen möglichst bald ein Ende gemacht werden muß,
ist klar. Daß wir dabei weder in erster noch in zweiter Linie auf katho¬
lische Stücke rechnen dürfen, sollte ebenfalls klar sein. Niemand leugnet,
daß die Zahl bühnenwirksamer katholischer Dramen dank der Ungunst
der Verhältnisse noch recht klein ist. Ein zuverlässiges Mittel, diese Zahl
zu vergrößern oder gar schnell zu vergrößern, gibt es bekanntlich nicht,
denn Dichter müssen geboren werden. Außerdem wird auch der Kühnste
nicht behaupten wollen, daß unsere katholischen Dichter gegebenen Falls
viel mehr neue Dramen auf die Bühne bringen könnten als die jetzigen,
zum weitaus überwiegenden Teil nicht katholischen Dramatiker. Nun sind
aber z. B. im Jahre 1912 in München bei den Hoftheatern von 442 ein¬
gereichten Stücken nur 3% angenommen worden. Bei großen städtischen
oder privaten Bühnen klingen die Zahlen, die Karl Wolff, der Dramaturg
der bayerischen Hoftheater, in den „Münchener Neuesten Nachrichten“ (1913,
Nr 47) mitteilt, noch entmutigender: von 800 bis 1000 Stücken, die
jährlich angeboten werden, kommen nur 8 bis 10 zur Aufführung. Wenn
wir uns also darauf gefaßt machen müssen, daß 30 oder gar 100 katho¬
lische Stücke zu schreiben sind, ehe eines gespielt werden kann, dann sollten
wir doch eine so unvorteilhafte Anlage unseres Kräftekapitals nach Mög¬
lichkeit umgehen. Wer aus wirklicher innerer Notwendigkeit Dramen schafft,
den vermögen wir nicht zu hindern; wer aber nicht bloß diese eine Saite
auf seiner Geige hat, dem winken im Dienste der katholischen Sache lohnen¬
dere Aufgaben.
Übrigens ist gegen einen Bühnenspielplan mit nicht katholischen Stücken
ebensowenig einzuwenden, wie gegen die Pflege der heidnischen Klassiker
am humanistischen Gymnasium. Wir erkennen doch alle an, daß echte
Kunst an sich schon eine sittliche Wirkung ausübt. Der Kapuzinerpater
Dr Magnus Künzle hat das in seinem vorzüglichen Buch „Ethik und
Asthetik“, besonders in den Schlußkapiteln über die Aufgabe des Schönen,
mit fachmännischer Sicherheit lichtvoll dargelegt. Sogar bloße Unterhaltungs¬
stücke haben als solche einen nicht zu verachtenden sittlichen Wert. Der
französische Moralist P. Castillon S. J. rechtfertigte im Jahre 1909 in den
Pariser Etudes (CXXI 742) ausdrücklich auch eine Literatur, die „nichts
will, als anständig und heiter unterhalten“. „Ist es denn nicht wahr“
sagt er mit Recht, „daß man wenigstens mittelbar an der Erziehung und
Besserung des Menschen arbeitet, wenn man seine Fähigkeiten ausbildet,
wenn man seinen Verstand bereichern, seinen Erkenntnistrieb wecken, sein