II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 892

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25. ProfessonBernhandi
wären? Und gibt es einen, wer anders ist daran schuld
wenn die Figuren der Komödie Leben bekämen, wenn
als diejenigen, in deren Interesse es eben lag, daß reli¬
sie erzählen würden, was ihr Schöpfer weiß, fühlt und
Feuilleton.
giöse Gefühle verletzt werden sollen, in deren Inter¬
sieht. Also untersagt die Zensur die Bühnenaufführung
esse es liegt, daß es Leute gibt, die religiöse Gefühle
des Werkes. Und die Ursache des Verbotes? Sie ist
verletzen. Und gebe es nicht Strebertum, Parlamentaris¬
Schnitzler: „Professor Bernhardi“.
wahrhaftig wieder nicht zu erraten. Im Jahre 1828
mus, menschliche Gemeinheit —. Politik mit einem
hat Kaiser Franz den Wunsch ausgesprochen, Grillpar¬
Schnitzler ist ein tüchtiger Poet, ein scharf¬
Wort — wäre es jemals möglich gewesen, aus diesem
zers „Ein treuer Diener seines Herrn“ ausschließlich zu
Beobachter der Wirklichkeit, ein erfolgreicher
Fall eine Affäre zu machen?“
besitzen. „Das ist die mildeste Tyrannei, von der ich noch
kier, ein Dramatiker von anerkanntem Ruf. Eines
So rekapituliert einer der Professoren die Gescheh¬
gehört,“ schreibt der Dichter in sein Tagebuch. Im
angelt ihm: er hat nicht gelernt zu schweigen,
nisse im Elisabethinum, dessen Direktor Professor
Jahre 1913 hat die Zensur erkannt, daß „Professor
s ihn drängt zu reden. Solches muß ihn der
Bernhardi ist. Das Ende kommt rasch nach. Bernhardi
Bernhardi“ als Buchdrama eingesargt zu bleiben habe.
verdächtig machen. Es war schon ein bißchen
hätte eine Besprechung der Angelegenheit im Parlament
Das ist die geschmackloseste und vernunftwidrigste Tyran¬
als vor Jahren das Schauspiel „Freiwild“ nach
vereiteln können, wenn er sich verpflichtet hätte, bei der
nei, von der die Welt gehört ...
Aufführungen von der Bühne verschwinden
Neubesetzung einer Abteilung seiner Anstalt für den
Sehen wir, was geschehen.
Damals hieß es, einem sehr hohen Wunsche ge¬
unwürdigen Kandidaten jener Partei zu stimmen, die
„Ein armes Menschenkind liegt todkrank im Spital,
Bünsche hoher Stellen sind wie der Blitz, der in
das religiöse Gefühl zum Handelsobjekt politischer Be¬
ein junges Geschöpf, das das bißchen Jugend und Glück
us fährt, ohne Wahl, ohne tieferen Grund. Sie
strebungen macht. Bernhardi tut nicht mit. So wird
und Sünde, wenn Sie wollen, teuer genug mit Todes¬
sen, genügen unfaßbare Dinge. In jenem Theater¬
wider ihn die Anklage wegen des Verbrechens der
angst und Qual und mit dem Leben selbst bezahlt. In
ekommt ein innerlich stark defekter Kavallerie¬
Religionsstörung erhoben. Das Urteil lautet auf zwei
den letzten Stunden kommt es zu Euphorie. Sie fühlt
tnant eine Ohrfeige. Man könnte somit auf
Monate Kerker, trotz der günstigen Aussage des be¬
sich wohl, sie ist wieder glücklich, sie ahnt nicht den
gung des Offiziersstandes raten. Doch nein; die¬
teiligten Pfarrers, der in einer interessanten, die Ge¬
nahen Tod. Genesen glaubt sie sich, sie träumt auch
erleutnant Karinski ist ein ganz niederträchtiger
danken zweier Weltanschauungen berührenden Privat¬
davon, daß ihr Geliebter kommen wird, sie abzuholen,
. Längst schon hat er das Recht auf das gol¬
unterredung gesteht, daß Bernhardi innerhalb seines
sie hinauszuführen aus den Räumen des Elends und
Portepee verscherzt; kein Offizier des gemein¬
Pflichtenkreises als Arzt gar nicht anders handeln
des Leids ins Leben und ins Glück. Es war vielleicht
Heeres und der österreichischen Landwehr könnte
konnte, als er getan. Angesichts der belastenden Aus¬
der schönste Augenblick ihres Lebens, ihr letzter Traum.
zur Ehre rechnen, Kamerad des Herrn v. Karinski
sagen einer Krankenschwester und eines vielseitigen
Und aus diesem Traum wollte Professor Bernhardi sie
Een. Die anständigen Leute haben ein Recht auf
Kandidaten der Medizin aus Tirol war der Spruch
nicht mehr zu der furchtbaren Wirklichkeit erwachen
hhrfeige, die klatschend auf des Polen Wange
des Gerichtes nicht anders zu erwarten gewesen. Bern¬
lassen. Das ist seine Schuld! Dieses Verbrechen hat
Und doch ward das Schauspiel verboten. Rätsel
hardi wandert in den Kerker, er fügt sich mit der Ruhe
er begangen! Dies und nichts mehr. Er hat den Pfar¬
ensur, österreichische Kuriositäten. Und Artur
des Stoikers in das Unvermeidliche. Er dünkt sich
rer gebeten, das arme Mädel ruhig hinüberschlummern
ler durfte nicht mehr Leutnant i. R. sein.
weder Held noch Märtyrer; lediglich ein Mensch, der
zu lassen. Gebeten! Wenn er auch minder höflich
ist ziemlich lange her. Schnitzler hat inzwischen
seine Pflicht getan hat. Die Erregung verteilt Schnitz¬
gewesen wäre, jeder müßte es ihm verzeihen. Was für
halb Dutzend Novellen, Romane und Theater¬
ler auf die Nebenpersonen, sie haben die Streitfragen
eine ungeheure Verlogenheit gehört dazu, um den gan¬
geschrieben. Zuletzt eine Komödie mit dem Titel:
zwischen Juden und Antisemiten, zwischen Orthodoxen
zen Fall anders anzusehen als rein menschlich.
ssor Bernhardi“. (Verlag S. Fischer, Berlin.)
und Freigeistern zum Tönen zu bringen. Bernhardi
Wo existiert der Mensch, dessen religiöse Gefühle durch
BBuch zu lesen, ist nicht verboten. Eine Gefahr
n Staat, so scheint es, würde es jedoch bedeuten, das Vorgehen Bernhardis in Wahrheit verletzt worden will seine Ruhe, auch dann, als sich die hysterische