II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 893

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25. Pro—sor Bernhandi
Schwester Ludmilla unter dem sanften Drucke ihres
die beste Empfehlung für österreichische Politiker zu
Beichtvaters selber der falschen Zeugenaussage bezich¬
sein scheint, einer jener eigentümlichen Charakterhelden,
denen jedwedes Tun ihrer Person verständlich erscheint.
tigt und die Wiederaufnahme des prozesses jene wun¬
Wenn die Zensur an dieser. Gestalt Anstoß genommen
dervolle Glorie verspricht, die sich im Leben so gut
hat, so bemüht sie sich umsonst. Flint ist ein guter Be¬
macht wie auf der Bühne.
kannter — nur agiert er auf der politischen
Der Fall, auf dem Schnitzler seine Komödie aufbaut,
Bühne. Warum soll er es nicht auch auf dem Theater
wird zu einem bedeutsamen Ausschnitt aus der Ge¬
tun? Wie gerecht Schnitzler seine Hiebe austeilt, wie
schichte des österreichischen Parteienkampfes. Aus dem
sorgsam er bemüht ist, jeder Absichtlichkeit aus dem
Schauspiel hätte angesichts dessen Gefüges leicht ein
Wege zu gehen und das Bild der Wahrheit zu zeichnen,
Tendenzstück werden können, ein Zweckding, das mit
sagt uns die beißende Ironie, mit der er das ekelhafte
großen Worten sich breitspurig hinstellt und die Par¬
Schmocktum der sogenannten großen Wiener Presse
teien ködert oder reizt. Schnitzler ist dieser Ver¬
geißelt.
suchung aus dem Wege gegangen; er stellt sich über
Man mag die Dinge drehen, wie man will, man kon mt
den Alltag und zeigt uns mit dem bedauernden Achsel¬
nicht über die Tatsache hinaus, daß in dem Verbote
zucken des Arztes als Dichter des Gebresten unserer
Schnitzlerschen Komödie eine jener rätselhaften Lebens¬
Tage. Wie aber den Gründen nachspüren, die die Zen¬
äußerungen der österreichischen Zensur liegt, die auf
sur veranlaßt haben, das Stück von der Bühne zu
normale Art weder zu erklären noch zu verstehen sind.
verbannen? Irgendeine kirchliche Einrichtung scheint
(Salzburger Volksblatt.)
nicht gefährdet, sonst könnte die Komödie nicht in
München aufgeführt werden, wo man für wirkliche oder
vermeintliche Angriffe auf die katholische Religion zu¬
Kleine Laube.
mindest die gleich feine Witterung hat wie in Oesterreich.
Es fehlte noch etwas. Frau Strenge (im Be¬
In die Handlung des Stückes greift auch Se. Exzellenz
griff, eine Landpartie zu machen): „Laßt mal sehen,
Herr Professor Dr. Flint ein, Minister für Kultus und
Kinder! Hier sind die Mäntel, hier ist der Frühstücks¬
korb, hier das Opernglas, und hier sind die Regen¬
Unterricht, ein Studienfreund Bernhardis. Vielleicht hat
schirme! Ich denke, wir haben alles. Oder hätten wir
diese von wirksamer Ironie durchleuchtete Gestalt der
Gatte und
was vergessen? Ja, haben wir —
Zensur Bedenken eingeflößt. Dr. Flint hatte Bernhardi
Vater (der bescheiden vorn bei den Pferden steht):
versprochen, dessen Sache im Abgeordnetenhause mit
„Kann ich jetzt einsteigen, liebe Frau?“ — Frau Strenge:
„Aber ja doch, Jakob! Seht ihr, ich wußte doch, daß
aller Wärme zu vertreten. Aber mitten in der Inter¬
noch etwas fehlte!“
pellationsbeantwortung überkam den Minister das Ge¬
Kitty: „Tom sagt, ich werde jeden Tag jünger.“
fühl, er trage seine Haut für einen Verlorenen zu
Jack: „Das ist auch tatsächlich der Fall. Ich
Markte, er werde, wenn er nicht rasch abschwenke, zu¬
würde mich gar nicht wundern, wenn ich Ihren Namen
bald unter den Geburtsanzeigen lesen würde.“
sammen mit Bernhardi in den Abgrund stürzen. So
Boshafte Frage. Klara: „Was würdest du
vollzog er die Schwenkung nach rechts, er ward sich
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darum geben, wenn du solches Haar hättest wie ich?
selber untreu, um seiner „Mission“ erhalten zu bleiben.
Johanna: „Ich weiß nicht — wieviel hast du denn
Dr. Flint ist der Mann mit dem weiten Gewissen, das I dafür bezahlt?“
Einer, der die Genossenf
Der italienische Dramatiker
wurde vor einiger Zeit von
Presse Italiens scharf angegr
Stadtverordneter im Mailänder
gen eine der Arbeiterkammer zu
terstützung ausgesprochen hat.
nun seine Haltung in dieser Fra
Popolo, dem Organ der genu
ner, folgendermaßen: „Märche
alles, was den Arbeiter betriff
und fühle mich als Arbeiter.
darauf berufen, daß mein Urg
ber war; aber ich will Ihnen
15 Jahren zu arbeiten und Geld
gefangen habe, und daß ich sei
beite, mir meinen Lebensunter
alles nur meiner eigenen Arbeit
der im Schweiße seines Angesich
liebe und achte ich aber auch i
als meinen Bruder ... Aber
arbeitenden und sich abmühend
so sehr hasse ich die „gewissen Fi
auch Sie sprechen. Ich kenne
Herren, ich kenne sie sogar
sind echte, rechte Bourgeois, di
sie sagen, nicht ein Wort glau
aber, die die öffentlichen Kun
sammlungen und Arbeiterausstä
sie sind es, welche die armen Arbe
bank schicken, wenn es für ihre 3
wenn ich der Arbeitskammer 1
versage, so tue ich es, weil ich sie
verweigern will. Denn jenes
doch nur zur Bezahlung der Ko
aufrufe!“