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gefälliges Werk, wenn wir sie aus diesem letzten Traum
erwecken wollten,“ setzt der Geistliche die unerbittliche
Forderung der Kirche entgegen, daß das ewige Heil höher
einzuschätzen sei als das zeitliche. Unterdessen ist die Kranken¬
schwester zu der Sterbenden geeilt, um sie auf das Er¬
scheinen des Priesters vorzubereiten. Der Glücksrausch der
armen Verlassenen ist zerstört; nach all den Leiden des
Lebens muß sie auch die bittere Erfahrung des Todes machen.
Sie stirbt, noch ehe der Pfarrer an ihr Bett getreten ist.
In peinlichem Schweigen verharren alle, die dem Vorgange
beigewohnt haben. Der Stein ist im Rollen. Einen Blick
auf das, was kommen wird, läßt uns der Kandidat der
Medizin Hochroitzpointner, ein streberhafter Durchschnitts¬
mensch, tun.
Schwester. Herr Professor, ich hab' geglaubt —
Bernhardi. Was haben Sie geglaubt? Na, wozu
übrigens, jetzt ist's ja vorüber.
Schwester. Es ist doch immer, Herr Direktor, und —
(auf Hochtoitzpointner weisend) der Herr Doktor -
Hochroitzpointner. Ja, ich hab's ihr natürlich
nicht verboten, Herr Direktor.
Bernhardi. Selbstverständlich, Herr Doktor Hoch¬
roitzpointner. Sie hospitieren wahrscheinlich auch in
der Kirche, was?
Hochroitzpointner. Herr Direktor, wir leben in
einem christlichen Staat.
Bernhardi. Ja. (sieht ihn lange an) Der Herr verzeihe
ihnen — sie wissen verdammt gut, was sie tun. (ab)
Hochroitzpointner, Schwester.
Hochroitzpointner. Aber Kinderl, was fallt Ihnen
denn ein, sich zu entschuldigen? Sie haben doch nur
Ihre Pflicht getan. Aber was haben S' denn ...
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11
Jetzt fangen S' gar an zu weinen . . . Daß Sie mir
nur nicht wieder einen Anfall kriegen.
Schwester (schluchzend) Aber der Herr Direktor war so bös.
Hochroitzpointner. Und wenn er schon bös war,
der Herr Direktor. Na, lang bleibt er's ja nimmer.
Das bricht ihm den Kragen.
Bernhardi mißt dem ganzen Vorfall wenig Bedeutung
bei. In dieser Gleichgültigkeit wird er noch dadurch bestärkt,
daß ihn Prinz Konstantin, einer der Kuratoren des Elisa¬
bethinums, hat zu sich rufen lassen und ihm einige Liebens¬
würdigkeiten gesagt hat. Dennoch hat die Gegenseite bereits
das Feuer eröffnet. Der erste Schuß ist gefallen: die Fürstin
Stirenstein hat das Protektorat über einen vom Elisabethinum
geplanten Ball niedergelegt. Das Kuratorium besteht aus
dem Prinzen Konstantin, dem Bischof Liebenberg, dem
Fürsten Stirenstein, dem Bankdirektor Veith und dem Hofrat
Winkler. Der Fürst Stirenstein wird selbstverständlich de¬
missionieren. Vom Bischof Liebenstein wird die Außerung
mitgeteilt: „Dieser Bernhardi gefällt mir nicht übel, aber
er wird's bereuen.“ Dem Prinzen Konstantin ist das
Liberalsein nur ein Sport, wie für andere seiner Standes¬
genossen das Taubenschießen. Dem Bankdirektor und dem
Hofrat aber wird nichts anderes übrigbleiben, als dem Bei¬
spiel der führenden Männer zu folgen. Um die Sache des
Elisabethinums steht es somit schlecht. Das Institut, dem
Bernhardi und seine Freunde ihre beste Kraft gewidmet
haben, wird zusammenbrechen, denn ohne Beihilfe wird es
nicht bestehen können. Da gelingt es der Überredungs¬
kunst seines Freundes Cyprian, Bernhardi zu einer Art Er¬
klärung zu bewegen: um des lieben Friedens willen, um
sein Institut nicht einer Krisis entgegenzuführen, will er den
Leuten noch einmal das — seiner Ansicht nach — Selbst¬
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gefälliges Werk, wenn wir sie aus diesem letzten Traum
erwecken wollten,“ setzt der Geistliche die unerbittliche
Forderung der Kirche entgegen, daß das ewige Heil höher
einzuschätzen sei als das zeitliche. Unterdessen ist die Kranken¬
schwester zu der Sterbenden geeilt, um sie auf das Er¬
scheinen des Priesters vorzubereiten. Der Glücksrausch der
armen Verlassenen ist zerstört; nach all den Leiden des
Lebens muß sie auch die bittere Erfahrung des Todes machen.
Sie stirbt, noch ehe der Pfarrer an ihr Bett getreten ist.
In peinlichem Schweigen verharren alle, die dem Vorgange
beigewohnt haben. Der Stein ist im Rollen. Einen Blick
auf das, was kommen wird, läßt uns der Kandidat der
Medizin Hochroitzpointner, ein streberhafter Durchschnitts¬
mensch, tun.
Schwester. Herr Professor, ich hab' geglaubt —
Bernhardi. Was haben Sie geglaubt? Na, wozu
übrigens, jetzt ist's ja vorüber.
Schwester. Es ist doch immer, Herr Direktor, und —
(auf Hochtoitzpointner weisend) der Herr Doktor -
Hochroitzpointner. Ja, ich hab's ihr natürlich
nicht verboten, Herr Direktor.
Bernhardi. Selbstverständlich, Herr Doktor Hoch¬
roitzpointner. Sie hospitieren wahrscheinlich auch in
der Kirche, was?
Hochroitzpointner. Herr Direktor, wir leben in
einem christlichen Staat.
Bernhardi. Ja. (sieht ihn lange an) Der Herr verzeihe
ihnen — sie wissen verdammt gut, was sie tun. (ab)
Hochroitzpointner, Schwester.
Hochroitzpointner. Aber Kinderl, was fallt Ihnen
denn ein, sich zu entschuldigen? Sie haben doch nur
Ihre Pflicht getan. Aber was haben S' denn ...
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Jetzt fangen S' gar an zu weinen . . . Daß Sie mir
nur nicht wieder einen Anfall kriegen.
Schwester (schluchzend) Aber der Herr Direktor war so bös.
Hochroitzpointner. Und wenn er schon bös war,
der Herr Direktor. Na, lang bleibt er's ja nimmer.
Das bricht ihm den Kragen.
Bernhardi mißt dem ganzen Vorfall wenig Bedeutung
bei. In dieser Gleichgültigkeit wird er noch dadurch bestärkt,
daß ihn Prinz Konstantin, einer der Kuratoren des Elisa¬
bethinums, hat zu sich rufen lassen und ihm einige Liebens¬
würdigkeiten gesagt hat. Dennoch hat die Gegenseite bereits
das Feuer eröffnet. Der erste Schuß ist gefallen: die Fürstin
Stirenstein hat das Protektorat über einen vom Elisabethinum
geplanten Ball niedergelegt. Das Kuratorium besteht aus
dem Prinzen Konstantin, dem Bischof Liebenberg, dem
Fürsten Stirenstein, dem Bankdirektor Veith und dem Hofrat
Winkler. Der Fürst Stirenstein wird selbstverständlich de¬
missionieren. Vom Bischof Liebenstein wird die Außerung
mitgeteilt: „Dieser Bernhardi gefällt mir nicht übel, aber
er wird's bereuen.“ Dem Prinzen Konstantin ist das
Liberalsein nur ein Sport, wie für andere seiner Standes¬
genossen das Taubenschießen. Dem Bankdirektor und dem
Hofrat aber wird nichts anderes übrigbleiben, als dem Bei¬
spiel der führenden Männer zu folgen. Um die Sache des
Elisabethinums steht es somit schlecht. Das Institut, dem
Bernhardi und seine Freunde ihre beste Kraft gewidmet
haben, wird zusammenbrechen, denn ohne Beihilfe wird es
nicht bestehen können. Da gelingt es der Überredungs¬
kunst seines Freundes Cyprian, Bernhardi zu einer Art Er¬
klärung zu bewegen: um des lieben Friedens willen, um
sein Institut nicht einer Krisis entgegenzuführen, will er den
Leuten noch einmal das — seiner Ansicht nach — Selbst¬