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25 Przor Bernhand
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verständliche sagen, daß er keine Verletzung religiöser Gefühle
bezweckt habe.
Die gute Absicht Bernhardis wird durch die Dazwischen¬
kunft des Professors Ebenwald gestört. Ebenwald verfolgt
von Beginn des Dramas an die Absicht, an die Stelle des
scheidenden Professors Tugendvetter einen Protegé, den
christlichen Professor Hell, zu schieben, während Bernhardi
seine Stimme dem Assistenten Tugendvetters, dem Doktor
Wenger, geben will. Für Ebenwald ist mit Bernhardis
übereilter Handlungsweise der Moment gekommen, seine
Pläne nachdrücklicher durchzuführen. Er hat einen Vetter
im Parlament, der Führer der Klerikalen ist und einer
Interpellation, die über den Fall Bernhardi eingebracht
werden soll, entgegenwirken könnte, wenn sich Bernhardi
den Wünschen Ebenwalds fügt. Freilich ganz so offen spricht
sich Ebenwald Bernhardi gegenüber nicht aus. Er sucht
vielmehr Bernhardi klarzumachen, daß es noch mehr böses
Blut machen würde, wenn gerade jetzt Doktor Wenger, ein
Jude, die Tugendvettersche Stelle erhielte, daß dagegen die
Berufung des Professors Hell, eines Christen, wahrscheinlich
Ol auf die erregten Wogen gießen werde. Bernhardi durch¬
schaut sofort den Kuhhandel; er stößt die dargebotene
„Freundeshand“ angewidert zurück: als ihn Ebenwald ver¬
lassen hat, nimmt er das Papier, auf das er die entschuldi¬
gende Erklärung geschrieben hat, und zerreißt es.
In einer stürmischen Sitzung der Dozenten des Elisa¬
bethinums wogt der Kampf um Bernhardi zwischen seinen
Freunden und Feinden hin und her, bis schließlich die Nach¬
richt aus dem Parlament kommt, Bernhardi solle wegen
Religionsstörung angeklagt werden. Bernhardi legt darauf¬
hin den Direktorposten nieder und nimmt Urlaub bis zur
Klärung der Sache. Ebenwald, dem es nicht gelungen
war, seinen Protegé durchzudrücken, hat seine Rache: an
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Stelle von Bernhardi übernimmt er das Direktorat des
Elisabethinums mit den famosen Worten, die ich oben an¬
geführt habe.
Bernhardi ist zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt
worden. Die hysterische Krankenschwester und der streberische
Hochroitzpointner haben ausgesagt, daß Bernhardi den
Pfarrer gestoßen habe, während er ihn doch nur leicht an
der Schulter berührt hat. Das Gericht hat den beiden
Zeugen Glauben geschenkt und demgemäß entschieden, trotz¬
dem andere Zeugen, der Dozent Adler und selbst der Pfarrer,
ihre gegenteilige Ansicht bekundet hatten. Bernhardi ver¬
zichtet auf eine Revision des Urteils; er will die beiden
Monate absitzen und dann seine Ruhe haben. „Der Prozeß
heute war eine Farce. Ich werde mich nicht noch einmal
vor diese Leute oder ihresgleichen hinstellen. Nebstbei wissen
Sie so gut wie ich, daß es vollkommen aussichtslos wäre.
Und was wäre schon das Höchste, was ich erreichen könnte?
Ein Freispruch. Das genügt mir nicht mehr. Wenn ich
nur zu meinem Recht komme, so bin ich noch lange nicht
quitt mit den Herren Flint, Ebenwald und Konsorten.“ Da
sich eine Schuld dieser Herren im juridischen Sinn nicht
konstruieren läßt, so verzichtet Bernhardi eben auch auf jede
juridische Behandlung des Falles: „Man wird mir glauben
auch ohne gerichtliche Beweise. Man wird wissen, wo
die Wahrheit ist, gerade so wie man's heute weiß.“ In
schroffer Weise schickt er den Reporter einer liberalen Zeitung
nach Hause; er will nicht als Sensationsmann die Spalten
eines lauen, vorsichtig den geeigneten Augenblick wählenden
Blattes füllen.
Der fünfte Akt spielt nach Bernhardis Freilassung.
Glänzende Ovationen sind ihm an der Tür des Kerkers
dargebracht worden. Die Zeitungen haben seiner Affäre
sympathische, zum Teil begeisterte Besprechungen gewidmet.
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verständliche sagen, daß er keine Verletzung religiöser Gefühle
bezweckt habe.
Die gute Absicht Bernhardis wird durch die Dazwischen¬
kunft des Professors Ebenwald gestört. Ebenwald verfolgt
von Beginn des Dramas an die Absicht, an die Stelle des
scheidenden Professors Tugendvetter einen Protegé, den
christlichen Professor Hell, zu schieben, während Bernhardi
seine Stimme dem Assistenten Tugendvetters, dem Doktor
Wenger, geben will. Für Ebenwald ist mit Bernhardis
übereilter Handlungsweise der Moment gekommen, seine
Pläne nachdrücklicher durchzuführen. Er hat einen Vetter
im Parlament, der Führer der Klerikalen ist und einer
Interpellation, die über den Fall Bernhardi eingebracht
werden soll, entgegenwirken könnte, wenn sich Bernhardi
den Wünschen Ebenwalds fügt. Freilich ganz so offen spricht
sich Ebenwald Bernhardi gegenüber nicht aus. Er sucht
vielmehr Bernhardi klarzumachen, daß es noch mehr böses
Blut machen würde, wenn gerade jetzt Doktor Wenger, ein
Jude, die Tugendvettersche Stelle erhielte, daß dagegen die
Berufung des Professors Hell, eines Christen, wahrscheinlich
Ol auf die erregten Wogen gießen werde. Bernhardi durch¬
schaut sofort den Kuhhandel; er stößt die dargebotene
„Freundeshand“ angewidert zurück: als ihn Ebenwald ver¬
lassen hat, nimmt er das Papier, auf das er die entschuldi¬
gende Erklärung geschrieben hat, und zerreißt es.
In einer stürmischen Sitzung der Dozenten des Elisa¬
bethinums wogt der Kampf um Bernhardi zwischen seinen
Freunden und Feinden hin und her, bis schließlich die Nach¬
richt aus dem Parlament kommt, Bernhardi solle wegen
Religionsstörung angeklagt werden. Bernhardi legt darauf¬
hin den Direktorposten nieder und nimmt Urlaub bis zur
Klärung der Sache. Ebenwald, dem es nicht gelungen
war, seinen Protegé durchzudrücken, hat seine Rache: an
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Stelle von Bernhardi übernimmt er das Direktorat des
Elisabethinums mit den famosen Worten, die ich oben an¬
geführt habe.
Bernhardi ist zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt
worden. Die hysterische Krankenschwester und der streberische
Hochroitzpointner haben ausgesagt, daß Bernhardi den
Pfarrer gestoßen habe, während er ihn doch nur leicht an
der Schulter berührt hat. Das Gericht hat den beiden
Zeugen Glauben geschenkt und demgemäß entschieden, trotz¬
dem andere Zeugen, der Dozent Adler und selbst der Pfarrer,
ihre gegenteilige Ansicht bekundet hatten. Bernhardi ver¬
zichtet auf eine Revision des Urteils; er will die beiden
Monate absitzen und dann seine Ruhe haben. „Der Prozeß
heute war eine Farce. Ich werde mich nicht noch einmal
vor diese Leute oder ihresgleichen hinstellen. Nebstbei wissen
Sie so gut wie ich, daß es vollkommen aussichtslos wäre.
Und was wäre schon das Höchste, was ich erreichen könnte?
Ein Freispruch. Das genügt mir nicht mehr. Wenn ich
nur zu meinem Recht komme, so bin ich noch lange nicht
quitt mit den Herren Flint, Ebenwald und Konsorten.“ Da
sich eine Schuld dieser Herren im juridischen Sinn nicht
konstruieren läßt, so verzichtet Bernhardi eben auch auf jede
juridische Behandlung des Falles: „Man wird mir glauben
auch ohne gerichtliche Beweise. Man wird wissen, wo
die Wahrheit ist, gerade so wie man's heute weiß.“ In
schroffer Weise schickt er den Reporter einer liberalen Zeitung
nach Hause; er will nicht als Sensationsmann die Spalten
eines lauen, vorsichtig den geeigneten Augenblick wählenden
Blattes füllen.
Der fünfte Akt spielt nach Bernhardis Freilassung.
Glänzende Ovationen sind ihm an der Tür des Kerkers
dargebracht worden. Die Zeitungen haben seiner Affäre
sympathische, zum Teil begeisterte Besprechungen gewidmet.
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