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Professen-Bernhandi
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empfangen, dies endlich im Besitze des politischen Vereinsrechtes
werden tun können, denn noch hat das Herrenhaus über das neue
Vereinsgesetz nicht entschieden. Selbstverständlich konnte kein § 30
die genannten Organisationen hindern, für ihre politischen Rechte
zu arbeiten, ebensowenig wie er es hindern konnte, daß eine große
sozialdemokratische politische Frauenorganisation entstand und daß
in jüngster Zeit auch die Hausfrauen in die Politik und Stimm¬
rechtsbewegung eintreten. Aber noch sind die Reihen all dieser
Frauengruppen viel zu schwach, noch hat die breite Masse von
Österreichs Frauen nicht die Notwendigkeit des Stimmrechtes
erfaßt und darum ist es von doppelter Bedeutung für uns, wenn
Frauen aus allen Erdteilen zu uns kommen und mit ihren
fremden Zungen vielleicht eher an Ohren zu dringen vermögen,
die sich den heimischen Rufen verschließen. In einer großen, all¬
gemein zugänglichen Abendversammlung am 12. Juni werden die
prominentesten Führerinnen der internationalen Bewegung in
Wien sprechen. Am Vormittag desselben Tages wird eine Rund¬
fahrt der Konferenzteilnehmerinnen durch Wien den Charakter
einer Demonstration tragen. Die Konstituierung einer österreichischen
Männerliga für Frauenstimmrecht soll erfolgen. Wir zweifeln nicht,
daß an diesem Tage die Wienerinnen und auch die Wiener werden
sehen und hören wollen, wir hoffen, daß auch aus den Provinzen
sich zahlreiche Teilnehmerinnen einfinden werden, aber was wir
wünschen, ist, daß der Eindruck stark genug sein möge, daß unsere
österreichischen Frauen über den Tag hinaus die Notwendigkeit
des Zusammenschlusses erkennen, und welchem Stande und welcher
Nation sie auch angehören, den Willen und die Kraft zum Kampf
für unser Recht aufbringen.
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A. Halbert.
Die Tragikomödie des Starrsinns.
Zu Arthur Schnitzlers-Professor Bernhardi“.*)
Im fünften Akt sagt es der Minister für Kultus und Unter¬
richt zum Professor Bernhardi, der eben vom Gefängnis zurück¬
kommt: „Lieber Bernhardi, ich sehe in Ihrem Verhalten nichts
anderes als die Tragikomödie des Starrsinns
So ähnlich
hat man sichs schon während der letzten Akte selbst gesagt. Man
fand nur nicht das richtige Wort. Jetzt, da der Dichter es selbst
gefunden hat, atmet man ordentlich auf. Ja, das ist es. Die
*) Auf Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ hat die „Wage“ schon
zweimal hingewiesen: in einem Bericht über die Wiener Vorlesung des Buches
und später durch einen Aufsatz: „Arzt und Priester“ (Nr. 1, 1913), der sich mit
dem Inhalt des Werkes und der merkwürdigen Haltung der Zensur ausführlich
befaßte. Wenn wir heute schon wieder auf den „neuesten Schnitzler“ zu
sprechen kommen, so geschieht es, um auch einer kritischen Stimme Raum zu
geben, die, im Gegensatze zu unseren früheren Referaten, starke Mängel an dem
D. R.
Stücke nachzuweisen versucht.
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empfangen, dies endlich im Besitze des politischen Vereinsrechtes
werden tun können, denn noch hat das Herrenhaus über das neue
Vereinsgesetz nicht entschieden. Selbstverständlich konnte kein § 30
die genannten Organisationen hindern, für ihre politischen Rechte
zu arbeiten, ebensowenig wie er es hindern konnte, daß eine große
sozialdemokratische politische Frauenorganisation entstand und daß
in jüngster Zeit auch die Hausfrauen in die Politik und Stimm¬
rechtsbewegung eintreten. Aber noch sind die Reihen all dieser
Frauengruppen viel zu schwach, noch hat die breite Masse von
Österreichs Frauen nicht die Notwendigkeit des Stimmrechtes
erfaßt und darum ist es von doppelter Bedeutung für uns, wenn
Frauen aus allen Erdteilen zu uns kommen und mit ihren
fremden Zungen vielleicht eher an Ohren zu dringen vermögen,
die sich den heimischen Rufen verschließen. In einer großen, all¬
gemein zugänglichen Abendversammlung am 12. Juni werden die
prominentesten Führerinnen der internationalen Bewegung in
Wien sprechen. Am Vormittag desselben Tages wird eine Rund¬
fahrt der Konferenzteilnehmerinnen durch Wien den Charakter
einer Demonstration tragen. Die Konstituierung einer österreichischen
Männerliga für Frauenstimmrecht soll erfolgen. Wir zweifeln nicht,
daß an diesem Tage die Wienerinnen und auch die Wiener werden
sehen und hören wollen, wir hoffen, daß auch aus den Provinzen
sich zahlreiche Teilnehmerinnen einfinden werden, aber was wir
wünschen, ist, daß der Eindruck stark genug sein möge, daß unsere
österreichischen Frauen über den Tag hinaus die Notwendigkeit
des Zusammenschlusses erkennen, und welchem Stande und welcher
Nation sie auch angehören, den Willen und die Kraft zum Kampf
für unser Recht aufbringen.
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A. Halbert.
Die Tragikomödie des Starrsinns.
Zu Arthur Schnitzlers-Professor Bernhardi“.*)
Im fünften Akt sagt es der Minister für Kultus und Unter¬
richt zum Professor Bernhardi, der eben vom Gefängnis zurück¬
kommt: „Lieber Bernhardi, ich sehe in Ihrem Verhalten nichts
anderes als die Tragikomödie des Starrsinns
So ähnlich
hat man sichs schon während der letzten Akte selbst gesagt. Man
fand nur nicht das richtige Wort. Jetzt, da der Dichter es selbst
gefunden hat, atmet man ordentlich auf. Ja, das ist es. Die
*) Auf Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ hat die „Wage“ schon
zweimal hingewiesen: in einem Bericht über die Wiener Vorlesung des Buches
und später durch einen Aufsatz: „Arzt und Priester“ (Nr. 1, 1913), der sich mit
dem Inhalt des Werkes und der merkwürdigen Haltung der Zensur ausführlich
befaßte. Wenn wir heute schon wieder auf den „neuesten Schnitzler“ zu
sprechen kommen, so geschieht es, um auch einer kritischen Stimme Raum zu
geben, die, im Gegensatze zu unseren früheren Referaten, starke Mängel an dem
D. R.
Stücke nachzuweisen versucht.