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Ausschnitt aus ’Geissler, Führer
durch die deutsche Literatur“
Ver 1. Alex.Duncker, Veimar
gesellschäftlichen und politischen Problemen der Zeit um 1900 sich ge¬
bahnt. Der Dichter knüpft an die Jugenderinnerungen des Vater¬
hauses an, und es mögen ihrer etlicher gewesen sein, denen bei Lesung
des Stückes die Gestalt von Sch.s Vater vor die Seele trat, des Arztes,
Menschenfreundes und Mitbegründers der Wiener Poliklinik. Es
handelt sich in dem Stücke weniger um österreichische, weniger um
Politik überhaupt, es handelt sich um ethische Dinge: um Verant¬
wortung, um Willensfreiheit. Es ist die Abkehr (endlich!) von allen
erotischen Fragen, und von den 24 handelnden Personen ist eine einzige
weiblichen Geschlechts, noch dazu eine Nebenfigur. Vielleicht kann
das Problem in die Worte gefaßt werden: „Inwieweit ist praktische
Politik vereinbar mit dem kategorischen Imperativ?“ Es ist der Kampf
zwischen einer rein menschlichen und einer konfessionell gebundenen
Weltanschauung. Die Satire nimmt nur dann eine schneidende Schärfe
an, wenn sie gegen den Staat sich richtet, der mit dem Anspruche
christlich zu sein, seine Bürger in unausbleibliche Konflikte des prak¬
tischen Lebens bringt und der zwei unvereinbare Weltanschauungen
unter einen Hut bringen will. Darin liegt die Bedeutung des Stückes.
Sein Hauptfehler ist, daß die Gestalt Bernhardis selbst zu wenig lebendig
ist; sie ist konstruiert. Die Handlung steigt dramatisch und effektvoll an,
läßt dann in ihrer Spannung nach und verflacht im letzten Akte strecken¬
weise infolge episodischer Reden. Die erfolgreiche Erstaufführung fand
im Nov. 1912 in Berlin statt.
Anatol 93; Das Märchen, Sch. 94; Sterben, N. 95; Liebelei, Sch. 95; Freiwild,
Sch. 96; Die Frau d Weisen, Nttu. 98; D. Vermächtnis, Sch. 98; Paracelsus, Die
Gefährtin, Der grüne Kakadu, 3 Einakter 99; Reigen, Dialoge 00; Der Schleier der
Beatriee, Sch. 60; Leutnant Gustl, N. 01; Bertha Garlan, N. 01; Lebendige Stunden,
4 Einakt. 92: Der einsame Weg, Sch. 03; Die griechische Tänzerin, N. 04; Zwischen¬
spiel, Kom. 05; Der Ruf des Lebens, Sch. 05; Marionetten, 3 Einakter 06; Dämmer¬
seelen, Nu. 07: D. Weg ins Freie, R 08: Comteise Mizzi. Kom. 09; Der junge Medarduk,
dramat. Historie 10; Das weite Land, Tragikom. 11; Prof. Vernhardi, Dr. 12.
Übrigens erschien gelegentlich des 50. Geburtstags Schs eine siebenbändige Ausgabe
Gesammelte Werke: Drei Bände enthalten die Erzählungen, vier die Dramen. In
dieser Ausgabe befindet sich auch der Roman „Der Weg ins Freie", bis 1913 der
einzige, den der Dichter schrieb. Behaglich ausgesponnener Alltag, dem manche Krone
künstlerischen Gestaitens aufgesetzt ist. Aber der Novellist Sch. ist bedeutender.
Schnyder, Michael.
Schweizer, dessen Dichtungen von heller Gott= und Menschenliebe
getragen sind. Steht mitten im Alltag, den er durchsonnt mit der Poesie
der Jugend, der Natur und des katholischen Glaubens. Er nennt ein Buch
„Sonnenschein“ —: Man denke sich darunter daß selbstlose Genügen an
allem Schönen, das in der sichtbaren Welt ist; das stille Freuen am
Reinen, das aus der Jugendzeit als ein Glanz unvergänglichen Glückes
nachleuchtet; die freudige Lebensbejahung, die Seelenfrische, die uns
erhobenen Auges durch die Welt führt und sich durch die Steine, die am
Wege liegen, nicht beirren läßt; den unbesiegbaren Glauben an die Güte
der Menschen und an die sieghafte Kraft alles Guten und Schönen.
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Ausschnitt aus ’Geissler, Führer
durch die deutsche Literatur“
Ver 1. Alex.Duncker, Veimar
gesellschäftlichen und politischen Problemen der Zeit um 1900 sich ge¬
bahnt. Der Dichter knüpft an die Jugenderinnerungen des Vater¬
hauses an, und es mögen ihrer etlicher gewesen sein, denen bei Lesung
des Stückes die Gestalt von Sch.s Vater vor die Seele trat, des Arztes,
Menschenfreundes und Mitbegründers der Wiener Poliklinik. Es
handelt sich in dem Stücke weniger um österreichische, weniger um
Politik überhaupt, es handelt sich um ethische Dinge: um Verant¬
wortung, um Willensfreiheit. Es ist die Abkehr (endlich!) von allen
erotischen Fragen, und von den 24 handelnden Personen ist eine einzige
weiblichen Geschlechts, noch dazu eine Nebenfigur. Vielleicht kann
das Problem in die Worte gefaßt werden: „Inwieweit ist praktische
Politik vereinbar mit dem kategorischen Imperativ?“ Es ist der Kampf
zwischen einer rein menschlichen und einer konfessionell gebundenen
Weltanschauung. Die Satire nimmt nur dann eine schneidende Schärfe
an, wenn sie gegen den Staat sich richtet, der mit dem Anspruche
christlich zu sein, seine Bürger in unausbleibliche Konflikte des prak¬
tischen Lebens bringt und der zwei unvereinbare Weltanschauungen
unter einen Hut bringen will. Darin liegt die Bedeutung des Stückes.
Sein Hauptfehler ist, daß die Gestalt Bernhardis selbst zu wenig lebendig
ist; sie ist konstruiert. Die Handlung steigt dramatisch und effektvoll an,
läßt dann in ihrer Spannung nach und verflacht im letzten Akte strecken¬
weise infolge episodischer Reden. Die erfolgreiche Erstaufführung fand
im Nov. 1912 in Berlin statt.
Anatol 93; Das Märchen, Sch. 94; Sterben, N. 95; Liebelei, Sch. 95; Freiwild,
Sch. 96; Die Frau d Weisen, Nttu. 98; D. Vermächtnis, Sch. 98; Paracelsus, Die
Gefährtin, Der grüne Kakadu, 3 Einakter 99; Reigen, Dialoge 00; Der Schleier der
Beatriee, Sch. 60; Leutnant Gustl, N. 01; Bertha Garlan, N. 01; Lebendige Stunden,
4 Einakt. 92: Der einsame Weg, Sch. 03; Die griechische Tänzerin, N. 04; Zwischen¬
spiel, Kom. 05; Der Ruf des Lebens, Sch. 05; Marionetten, 3 Einakter 06; Dämmer¬
seelen, Nu. 07: D. Weg ins Freie, R 08: Comteise Mizzi. Kom. 09; Der junge Medarduk,
dramat. Historie 10; Das weite Land, Tragikom. 11; Prof. Vernhardi, Dr. 12.
Übrigens erschien gelegentlich des 50. Geburtstags Schs eine siebenbändige Ausgabe
Gesammelte Werke: Drei Bände enthalten die Erzählungen, vier die Dramen. In
dieser Ausgabe befindet sich auch der Roman „Der Weg ins Freie", bis 1913 der
einzige, den der Dichter schrieb. Behaglich ausgesponnener Alltag, dem manche Krone
künstlerischen Gestaitens aufgesetzt ist. Aber der Novellist Sch. ist bedeutender.
Schnyder, Michael.
Schweizer, dessen Dichtungen von heller Gott= und Menschenliebe
getragen sind. Steht mitten im Alltag, den er durchsonnt mit der Poesie
der Jugend, der Natur und des katholischen Glaubens. Er nennt ein Buch
„Sonnenschein“ —: Man denke sich darunter daß selbstlose Genügen an
allem Schönen, das in der sichtbaren Welt ist; das stille Freuen am
Reinen, das aus der Jugendzeit als ein Glanz unvergänglichen Glückes
nachleuchtet; die freudige Lebensbejahung, die Seelenfrische, die uns
erhobenen Auges durch die Welt führt und sich durch die Steine, die am
Wege liegen, nicht beirren läßt; den unbesiegbaren Glauben an die Güte
der Menschen und an die sieghafte Kraft alles Guten und Schönen.