S
25 PfBernhand1
JOBSERVERG
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZELLE 11
TELEPHON R-23-0-43
Auccchnitt „
19 12 1931
Theater und Kunst.
Ein bisher unveröffentlichter Brief
Schnitzlers.
Antwort in Sachen des Professors Bernhardi.
Von befreundeter Seite wird uns
ein Brief Arthur Schnitzlers zur
Verfügung gestellt, der eine Antwort
des Dichters an eine Dame ist, die mit
der Auffassung Schnitzlers nicht einver¬
standen war. Hier der Wortlaut des
Schreibens:
10. April 1924.
Sehr geehrtes Fräulein!
Ihr Bedenken ist ganz klug, aber trotzdem trifft
es nicht zu. Die Sterbende ist zwar in Euphorie ver¬
fallen, aber vorber war sie nicht nur krank, sondern
sie hat sich auch krank gefühlt und Tadesgedanken
gehabt. Die Ankündigung des priesterlichen Besuches
weckt sie eben aus ihrer Euphorie, auch aus der sceli¬
lischen, die Todesangst ist wieder da, nicht zum er¬
ten Mal und auch ihre früheren Aengste kommen
ihr nun nen zum Bewußtsein. Bernhardi enthält
ihr also nicht die Segnungen der Kirche vor die
ka gewiß (wie später von Prof. Cyprian deutlich ge¬
sagzt wird) von manchen Sterbenden wirklich als
Segnungen empfunden werden, sondern er erfüllt
seine ärztliche Pilicht, indem er seine Patientin da¬
vor zu bewahren sucht, aus ungestörtem Wohlgefühl
unvermittelt in Todesgrauen versetzt zu werden Ich
hosse Sie sind beruhigt, mein Fräulein, und ich
grüße Sie bestens
Arthur Schnitzler,
box 31
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Uniernehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnittfiete Pariser Zeitung, Paris
28.558l. 1934
vom:
Hans J. Rehfisch hat sich den Dok¬
tor Semmelweis, Retter der Frauen vor
dem vordem mörderischen Kindbettfie¬
ber durch einfache Desinfektion zum
Helden seines gleichnamigen, im deut¬
schen Volkstheater uraufgeführten
Schauspiels erkoren. Schon Alfr. Berger
behandelte dieses tragische Aerzteschick¬
Fsal in einer Novelle. Dramatisch ist an
dem Thema eigentlich nur der Zusam¬
menstoss zwischen dem Einzelnen und
der kompakten Gesamtheit, wie ihn lb¬
sen im „Volksfeind“, Schnitzler im
„Professor Bernhardi“ ungleich über¬
zeugender geformt. Doch gelingt auch
Rehfisch die zentrale Szene, die Sitzung
des Professoren-Kollegiums theatralisch
ausgezeichnet. Die weiteren Schicksale
des medizinischen Mi. yrers verlieren:
sich freilich bisweilen ins Novellistisch¬
Epische, Acusserliche, in den etwas ober¬¬
flächlich hingestriclielten Liebes- und Ge¬
sellschafts-Episoden (Jenny Lind etc.)
ins banal-konventionelle. Doch sind an¬
drerseits Hauptgestalten dieser noch et¬
wasz zu breit geratenen Bilderfolge, wie
die Brofessoren Skoda und Rokitansky
Esehrzlebenswahr und zutreffend charak¬
terisiert und die Schlusszene mit Sem¬
melweis Rehabilitierung und Untergang
nehmen wieder einen entschiedenen An¬
lauf zum wirklich Dichterischen. Im
Ganzen eine zwiespältige, allein unleug¬
bar fesselnde Bühnen-Arbeit. (Unter
Karl Heinz Martin’s Regie gelang eine
Mustervorstellung mit Herrn Jungbauer
in der Titelrolle, Homma, Schweikart,
Rehberger, Lessen, Ehmann, Heinrich
Schnitzler und Loibner in mehr oder
minder wichtigen Nebenpartien. Die
Damen Stengel und Stradner vertraten
sehr anmutig das auffallend spärlich be¬
dachte, weibliche Element.
O.B.
25 PfBernhand1
JOBSERVERG
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZELLE 11
TELEPHON R-23-0-43
Auccchnitt „
19 12 1931
Theater und Kunst.
Ein bisher unveröffentlichter Brief
Schnitzlers.
Antwort in Sachen des Professors Bernhardi.
Von befreundeter Seite wird uns
ein Brief Arthur Schnitzlers zur
Verfügung gestellt, der eine Antwort
des Dichters an eine Dame ist, die mit
der Auffassung Schnitzlers nicht einver¬
standen war. Hier der Wortlaut des
Schreibens:
10. April 1924.
Sehr geehrtes Fräulein!
Ihr Bedenken ist ganz klug, aber trotzdem trifft
es nicht zu. Die Sterbende ist zwar in Euphorie ver¬
fallen, aber vorber war sie nicht nur krank, sondern
sie hat sich auch krank gefühlt und Tadesgedanken
gehabt. Die Ankündigung des priesterlichen Besuches
weckt sie eben aus ihrer Euphorie, auch aus der sceli¬
lischen, die Todesangst ist wieder da, nicht zum er¬
ten Mal und auch ihre früheren Aengste kommen
ihr nun nen zum Bewußtsein. Bernhardi enthält
ihr also nicht die Segnungen der Kirche vor die
ka gewiß (wie später von Prof. Cyprian deutlich ge¬
sagzt wird) von manchen Sterbenden wirklich als
Segnungen empfunden werden, sondern er erfüllt
seine ärztliche Pilicht, indem er seine Patientin da¬
vor zu bewahren sucht, aus ungestörtem Wohlgefühl
unvermittelt in Todesgrauen versetzt zu werden Ich
hosse Sie sind beruhigt, mein Fräulein, und ich
grüße Sie bestens
Arthur Schnitzler,
box 31
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Uniernehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnittfiete Pariser Zeitung, Paris
28.558l. 1934
vom:
Hans J. Rehfisch hat sich den Dok¬
tor Semmelweis, Retter der Frauen vor
dem vordem mörderischen Kindbettfie¬
ber durch einfache Desinfektion zum
Helden seines gleichnamigen, im deut¬
schen Volkstheater uraufgeführten
Schauspiels erkoren. Schon Alfr. Berger
behandelte dieses tragische Aerzteschick¬
Fsal in einer Novelle. Dramatisch ist an
dem Thema eigentlich nur der Zusam¬
menstoss zwischen dem Einzelnen und
der kompakten Gesamtheit, wie ihn lb¬
sen im „Volksfeind“, Schnitzler im
„Professor Bernhardi“ ungleich über¬
zeugender geformt. Doch gelingt auch
Rehfisch die zentrale Szene, die Sitzung
des Professoren-Kollegiums theatralisch
ausgezeichnet. Die weiteren Schicksale
des medizinischen Mi. yrers verlieren:
sich freilich bisweilen ins Novellistisch¬
Epische, Acusserliche, in den etwas ober¬¬
flächlich hingestriclielten Liebes- und Ge¬
sellschafts-Episoden (Jenny Lind etc.)
ins banal-konventionelle. Doch sind an¬
drerseits Hauptgestalten dieser noch et¬
wasz zu breit geratenen Bilderfolge, wie
die Brofessoren Skoda und Rokitansky
Esehrzlebenswahr und zutreffend charak¬
terisiert und die Schlusszene mit Sem¬
melweis Rehabilitierung und Untergang
nehmen wieder einen entschiedenen An¬
lauf zum wirklich Dichterischen. Im
Ganzen eine zwiespältige, allein unleug¬
bar fesselnde Bühnen-Arbeit. (Unter
Karl Heinz Martin’s Regie gelang eine
Mustervorstellung mit Herrn Jungbauer
in der Titelrolle, Homma, Schweikart,
Rehberger, Lessen, Ehmann, Heinrich
Schnitzler und Loibner in mehr oder
minder wichtigen Nebenpartien. Die
Damen Stengel und Stradner vertraten
sehr anmutig das auffallend spärlich be¬
dachte, weibliche Element.
O.B.