II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 38

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24.—Land
box 28/2
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om: 13. 0KT. 1911
Artur Schnitzlers Tragikqnizee
Mrilte reah¬
Uraufführung im Burgkheater.
Von Ludwig Hirschfeld.
* Wien, 13. Okt. In Wien und Berlin, in
München, in Prag und in noch einigen deutschen
Städten wird morgen das neue Werkt Artur Schnitz¬
lery gleichzeitig gespielt. Man kann sogen, daß das
genze literarische und intellektuelle deutsche Publi¬
Fkum in diesem Abend erwartungsvoll gestimmt ist.
Man bringt der Entwicklung unseres ernstesten und
besten Dichters überall ein starkes Interesse entgegen,
so wunderlich diese Entwicklung manchmal auch sein
mag. Ich weiß nicht, ob diese Tragikomödie „Das
weite Land“ eine Entwicklung des Dramatikers
Schnitzler bedeutet. Eher scheint mir dieses Werk
zurückzuführen zu früheren Dichtungen; zum
„Zwischenspiel“ und zum „Einsamen Weg“, dessen
tiefgründig nachdenkliche, kompliziert verinnerlichte
Art sich hier wieder findet. Wieder dieselbe resig¬
nierte geistige Grundstimmung, dieselben wunder¬
lichen Menschen, für die das Aergste und Erschüt¬
terndste, der Tod und die Liebe, bloß Anlässe zur
Grübelei sind!
Der Herr v. Sala, der Held des „Einsamen
Wegs“ und der Fabrikant Friedrich Hofreiter, die
Hauptfigur des „Weiten Landes“ sind nahe seelische
Verwandte. Auch hier handelt es sich wieder um die
Tragik des innerlich Einsamen und Alternden. Hof¬
reiter lebt mit seiner jungen Frau Genia in einer
Villa in Baden bei Wien, und hier spielen vier von
den fünf Akten. Der erste Aktesetzt mit einer echt
Schnitzlerschen Stimmung ein: Die Hauptfiguren
kommen von dem Leichenbegängnis eines berühmten
Pianisten, der sich erschossen hat. Man führt nach¬
denkliche und gleichmütige Gespräche über den Tod
und stellt Vermutungen über die Ursache des Selbst¬
mordes auf. Man glaubt allgemein, der Pianist
habe sich aus unbefriedigtem Ehrgeiz das Leben ge¬
nommen. Nur Hofreiter ahnt einen andern Grund.
In einem Gespräch mit seiner Frau wird die Ahnung
zur Gewißheit. Der Pianist hat sich aus unglück¬
licher, hoffnungsloser Liebe zu Genia umgebracht
Sie selbst zeigt ihrem Mann einen Brief, den der
Pianist eine Stunde vor seinem Selbstmord an sie
gerichtet hat. In den übrigen Szenen des ersten
Aktes werden die sonstigen Figuren des Stückes ein¬
geführt: eine Frau Wahl und ihre Tochter Erna, ein
junges, kluges Mädchen, eine Schauspielerin und ihr
Sohn Otto, ein junger, sympathischer Marinefähn¬
rich, und ein Arzt Dr. Mauer. Hauptsächlich wird
aber das Verhältnis der beiden Ehegatten zueinander
charakterisiert; er betrügt sie fortwährend, und sie er¬
fährt alles. Aber es ist ihr egal; denn sie denk¬
nicht daran, sich zu rächen. Aber Hofreiter, ein merk¬
würdiger, komplizierter Mensch, kann die Episode
mit dem Pianisten nicht vergessen. Es ist ihm ein
unerträglicher Gedonke, daß jemand gestorben ist,
weil seine Frau so unerbittlich und tugendhaft war.
Er braucht einen Milieuwechsel und fährt in die
Dolomiten. Dort, in einem Hotel am Völser Weiher,
spielt der dritte Akt. Hier treffen mit Ausnahme
von Genia alle Figuren und noch einige Episoden
zusammen, und auch Hofreiter begegnet Erna, in
die er sich verliebt hat. In der Nähe des Ortes gibt
es einen Turm, den Aigenturm, von dem vor 15
Jahren ein Freund Hofreiters abgestürzt ist, und
seither hat sich niemand mehr getraut, den Turm zu
besteigen. Hofreiter wagt es und zwar in Gesell¬
schaft Ernas. Er will sich von seiner Frau scheiden
lassen, um Erna zu heiraten. Sie küssen sich, und
sie sagt ihm, daß er heute nacht ihre Tür offen
finden werde. Inzwischen hat Hofreiters Frau
Genia in Baden mit jenem Fähnrich ein Verhältnis
begonnen. Die Sache kommt Hofreiter in standa¬
löser Form zu Ohren, und obwohl ihm die Ange¬
legenheit ziemlich gleichgültig ist, muß er sich mit den
Fähnrich schlagen. Er erschießt ihn im Duell, und
damit ist das letzte Band zwischen den Ehegatter