hox 28/2
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24. Das seite-Land
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schaffen, sind zu ihr nicht empor zu reißen. Des¬
sichtet hat. Er denkt nur: ich be= Wenn man aber dieser nabeliegenden Ideen¬
halb fehlt dem Tod, der zum Schluß der
verbindung nachgibt, unwillkürlich, ganz ohne
rau, meine Frau betrügt endlich
Komödie unter diese Menschen tritt, die finstere
Absicht, zu vergleichen, wenn man den Fabrikan¬
s ist in Ordnung. Den anderen
Größe. Er wirkt peinlich, aber nicht notwendig.
ten Hofreiter auch nur eine Sekunde lang neben
t doch ein Urtrieb aus ihm her¬
Und das Blut, davon diese Menschen zum
den Baumeister Solneß hält, dann wird seine
zwingt, den Nebenbuhler als
Schluß der Komödie bespritzt werden, gibt ihnen
Gestalt, die erst noch so ragend schien, erheblich
sehen und zu hassen. Er
nicht das Ansehen von tragischen Personen,
Beliebten seiner Frau heraus, schmächtiger, wird engbrüstiger, und ihr schmerz¬
sondern die groteske Starrheit von Masken.
töten, Gott bewahre, will ihn hafter Kampf spielt sich an einer Grenzlinie ab,
Ohne wirkliche Notwendigkeit stirbt der junge
Pistole haben, und nicht der an der Teilnahme und Lächeln nahe beisammen
Mann, wird zufällig erschossen. Freilich, auch im
Wie er ihn aber dann vor derwohnen. Dem Baumeister Solneß ist die Angst
Leben kann einer durch einen unglücklichen Zu¬
hießt er ihn nieder. Weil die um die schwindende Jugend die tiefe
fall sterben. Aber in der Dichtung sollte nie¬
Furcht vor dem Stocken der Arbeit,
blühende Jugend des armen
mand mit dem gewissen Dachziegel erschlagen
hufreizt, ihn empört, ihn wild die Bangigkeit, abtreten zu müssen, ehe
werden. Zehnfach anders läßt sich der Ausgang
sein Lebenswerk, ehe seine Kunst erfüllt sind bis
ber hat er noch die Kraft, der
dieses Stückes denken, weil die Gestalten, die
zum Höchsten. Und die Frauen sind ihm nur ein
Mutter, der er eben den einzigen
hier versammelt stehen, zu schwach sind, solch
Symptom, nur ein Mittel, seine Wirkungskraft
da er sie zufällig trifft, die
ehernes Ende zu tragen, weil die Fäden, die
an ihnen zu erproben. Was sind ihm überhaupt
n. Dann hat er noch die Kraft,
hier gezogen werden, zu dünn sind und reißen,
die Frauen? Dem Fabrikanten Hofreiter aber
das er verführt hat, wegzu¬
wenn die Wucht des Todes auf sie niederfährt.
sind sie alles. Er bebt davor, daß es keine neuen
soch die Kraft, zu sagen: „Nie¬
Man hat die Empfindung, daß Schnitzler diese
Abenteuer, keine neuen Mädchen, keine neuen
eich ...!“ Da ruft sein eigener
Menschen irgendwie zu schwer, irgendwie zu
Liebesstunden mehr geben wird. Seine Melan¬
Zurückgekehrt, eben angekommen,
ernst nimmt. Dies ist der Widerstand, der zuletzt
cholie, sein Schmerz, sein Daseinsgefühl wurzelt
e vom Garten her: „Vater ...“
mit nachträglichem Besinnen sich regt.
im Mondainen, sein Verhängnis ist sozusagen
er, aufstöhnend und davon¬
Langsam entrollt sich die Handlung, in einer
gesellschaftlich. Er ist ein Verwandter des edlen
von nun an gehören wird.
gelassenen, aber unfehlbar treffsicheren und
Herrn von Sala, den Schnitzler im „Einsamen
prachtvolle, dichterisch geschaute,
zielbewußten Technik. Drei Akte lang novelli¬
Weg“ geschaffen hat. Allein er steht im mensch¬
hrmte Gestalt. So straff ange¬
stisch mit epischem Beiwerk, und im dritten Akt
lichen Rang tiefer. Und er verkehrt auch nicht in
n ihren Linien, so erfüllt von
sorglos abbiegend in einer lustspielhaften Kurve.
solch guter Gesellschaft.
Intensität, daß sie mit jedem
Dann aber, vom vierten Akt an, wird die Aktion
Diese Gesellschaft... Es ist meisterhaft, wie
jeder Gebärde bedeutsam und
straffer, wird dramatisch und geht mit stür¬
Schnitzler diese Gesellschaft menschlich auf¬
ichtet. Ein menschliches, ein all¬
mischen Schritten ans Ende. Der Erfolg, der
zuheben vermag, wie er ihren geringen Inhalt
liches Erleben, das man primi¬
dem Werk bereitet wurde, schloß sich dieser
vergeistigt, ihre trübe Atmosphäre durchsichtig
fassen könnte; dies Vergehen
Linie an. Der Beifall, der gleich nach dem ersten
macht. Allein diese Menschen bleiben sämtlich
dies schmerzlich unabwendbare:
Fallen des Vorhangs frisch einsetzte, wurde
im Lustspielhaften stecken, sie sind mit allen
in...“ ist hier aus dem Allge¬
immer wärmer und erreichte nach dem vierten
ihren Organen, mit ihren Seelen, Nerven, Kon¬
Besondere, vom Typischen zum
Akt eine nicht gewöhnliche Intensität.
flikten und Problemen auf dem Boden der
geführt. Ein Konflikt, dessen
Man darf einen Teil davon auch der Dar¬
ob zeichnen ließen, ist da bis inhumorigen Komödie verklammert, sind mit
stellung anrechnen. Herr Korff gab den Hof¬
Nachdenklichkeiten aufgespürt. ihrem ganzen Format und mit ihrer ein¬
keiter stebt im Solneß=Schicksal. gebornen Gewichtlosiakeit nicht zur Tragik ge=reit## mit einer solchen Natürlichkeit, mit so
viel feinen Uebergängen, mit so delikater schau¬
spielerischer Technik, daß er diese Rolle zu
seinen besten Leistungen zählen kann, trotzdem
er der Gestalt des Hofreiter noch einen Rest
von Persönlichkeit schuldig blieb. Diesen Rest
aber wäre etwa nur Mitterwurzer zu geben
imstande gewesen. Oder Kainz. Fräulein
Marberg spielte die Frau des Hofreiter,
vielleicht die schwierigste Rolle des Stückes.
Sie gab den Kampf und die Scham der an¬
ständigen Frau, die sich zwingt, einen Fehltritt
zu tun. Und man glaubte ihr den Kampf und
die Scham mehr als den Fehltritt. Wenige
Schauspielerinnen können so wirken. Einfach
prächtig war Fräulein Hofteufel. Sie gab
das junge Mädchen der Wiener Gesellschaft,
frühreif, gut im Kern, verführt und verdorben,
und in alldem von einer Anmut und Festig¬
keit, daß so was wie ein Charakter durch¬
schimmerte. Neben diesen Hauptpersonen eine
Fülle von Peripheriegestalten: Herr Paulsen
als... als anständiger Mensch, was er immer
unvergleichlich trifft; Frau Reinhold als
ziemlich leere Dame der Gesellschaft. Herr
Devrient, als Gegenspieler des Hofreiter,
gab einen abgedankten Frauenliebling
mit
nicht allzu affektierter Resignation.
Herr
Gerasch als junges Todesopfer, Herr
Treßler als Literat, Herr Heine als!
überlegener Intrigant, Herr Thimig als!
populärer Hotelportier — es waren lauter
gute und lebendige Figuren. Denn auch das
gehört zu den Eigenschaften dieses merkwür¬
digen und geistreichen Stückes, daß es sich in
fast allen Rollen leicht und angenehm spielt,
wie es sich in fast allen seinen Szenen reizvoll
und mit echtem Theatergenuß anhört.
Felix Salten.
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24. Das seite-Land
—
schaffen, sind zu ihr nicht empor zu reißen. Des¬
sichtet hat. Er denkt nur: ich be= Wenn man aber dieser nabeliegenden Ideen¬
halb fehlt dem Tod, der zum Schluß der
verbindung nachgibt, unwillkürlich, ganz ohne
rau, meine Frau betrügt endlich
Komödie unter diese Menschen tritt, die finstere
Absicht, zu vergleichen, wenn man den Fabrikan¬
s ist in Ordnung. Den anderen
Größe. Er wirkt peinlich, aber nicht notwendig.
ten Hofreiter auch nur eine Sekunde lang neben
t doch ein Urtrieb aus ihm her¬
Und das Blut, davon diese Menschen zum
den Baumeister Solneß hält, dann wird seine
zwingt, den Nebenbuhler als
Schluß der Komödie bespritzt werden, gibt ihnen
Gestalt, die erst noch so ragend schien, erheblich
sehen und zu hassen. Er
nicht das Ansehen von tragischen Personen,
Beliebten seiner Frau heraus, schmächtiger, wird engbrüstiger, und ihr schmerz¬
sondern die groteske Starrheit von Masken.
töten, Gott bewahre, will ihn hafter Kampf spielt sich an einer Grenzlinie ab,
Ohne wirkliche Notwendigkeit stirbt der junge
Pistole haben, und nicht der an der Teilnahme und Lächeln nahe beisammen
Mann, wird zufällig erschossen. Freilich, auch im
Wie er ihn aber dann vor derwohnen. Dem Baumeister Solneß ist die Angst
Leben kann einer durch einen unglücklichen Zu¬
hießt er ihn nieder. Weil die um die schwindende Jugend die tiefe
fall sterben. Aber in der Dichtung sollte nie¬
Furcht vor dem Stocken der Arbeit,
blühende Jugend des armen
mand mit dem gewissen Dachziegel erschlagen
hufreizt, ihn empört, ihn wild die Bangigkeit, abtreten zu müssen, ehe
werden. Zehnfach anders läßt sich der Ausgang
sein Lebenswerk, ehe seine Kunst erfüllt sind bis
ber hat er noch die Kraft, der
dieses Stückes denken, weil die Gestalten, die
zum Höchsten. Und die Frauen sind ihm nur ein
Mutter, der er eben den einzigen
hier versammelt stehen, zu schwach sind, solch
Symptom, nur ein Mittel, seine Wirkungskraft
da er sie zufällig trifft, die
ehernes Ende zu tragen, weil die Fäden, die
an ihnen zu erproben. Was sind ihm überhaupt
n. Dann hat er noch die Kraft,
hier gezogen werden, zu dünn sind und reißen,
die Frauen? Dem Fabrikanten Hofreiter aber
das er verführt hat, wegzu¬
wenn die Wucht des Todes auf sie niederfährt.
sind sie alles. Er bebt davor, daß es keine neuen
soch die Kraft, zu sagen: „Nie¬
Man hat die Empfindung, daß Schnitzler diese
Abenteuer, keine neuen Mädchen, keine neuen
eich ...!“ Da ruft sein eigener
Menschen irgendwie zu schwer, irgendwie zu
Liebesstunden mehr geben wird. Seine Melan¬
Zurückgekehrt, eben angekommen,
ernst nimmt. Dies ist der Widerstand, der zuletzt
cholie, sein Schmerz, sein Daseinsgefühl wurzelt
e vom Garten her: „Vater ...“
mit nachträglichem Besinnen sich regt.
im Mondainen, sein Verhängnis ist sozusagen
er, aufstöhnend und davon¬
Langsam entrollt sich die Handlung, in einer
gesellschaftlich. Er ist ein Verwandter des edlen
von nun an gehören wird.
gelassenen, aber unfehlbar treffsicheren und
Herrn von Sala, den Schnitzler im „Einsamen
prachtvolle, dichterisch geschaute,
zielbewußten Technik. Drei Akte lang novelli¬
Weg“ geschaffen hat. Allein er steht im mensch¬
hrmte Gestalt. So straff ange¬
stisch mit epischem Beiwerk, und im dritten Akt
lichen Rang tiefer. Und er verkehrt auch nicht in
n ihren Linien, so erfüllt von
sorglos abbiegend in einer lustspielhaften Kurve.
solch guter Gesellschaft.
Intensität, daß sie mit jedem
Dann aber, vom vierten Akt an, wird die Aktion
Diese Gesellschaft... Es ist meisterhaft, wie
jeder Gebärde bedeutsam und
straffer, wird dramatisch und geht mit stür¬
Schnitzler diese Gesellschaft menschlich auf¬
ichtet. Ein menschliches, ein all¬
mischen Schritten ans Ende. Der Erfolg, der
zuheben vermag, wie er ihren geringen Inhalt
liches Erleben, das man primi¬
dem Werk bereitet wurde, schloß sich dieser
vergeistigt, ihre trübe Atmosphäre durchsichtig
fassen könnte; dies Vergehen
Linie an. Der Beifall, der gleich nach dem ersten
macht. Allein diese Menschen bleiben sämtlich
dies schmerzlich unabwendbare:
Fallen des Vorhangs frisch einsetzte, wurde
im Lustspielhaften stecken, sie sind mit allen
in...“ ist hier aus dem Allge¬
immer wärmer und erreichte nach dem vierten
ihren Organen, mit ihren Seelen, Nerven, Kon¬
Besondere, vom Typischen zum
Akt eine nicht gewöhnliche Intensität.
flikten und Problemen auf dem Boden der
geführt. Ein Konflikt, dessen
Man darf einen Teil davon auch der Dar¬
ob zeichnen ließen, ist da bis inhumorigen Komödie verklammert, sind mit
stellung anrechnen. Herr Korff gab den Hof¬
Nachdenklichkeiten aufgespürt. ihrem ganzen Format und mit ihrer ein¬
keiter stebt im Solneß=Schicksal. gebornen Gewichtlosiakeit nicht zur Tragik ge=reit## mit einer solchen Natürlichkeit, mit so
viel feinen Uebergängen, mit so delikater schau¬
spielerischer Technik, daß er diese Rolle zu
seinen besten Leistungen zählen kann, trotzdem
er der Gestalt des Hofreiter noch einen Rest
von Persönlichkeit schuldig blieb. Diesen Rest
aber wäre etwa nur Mitterwurzer zu geben
imstande gewesen. Oder Kainz. Fräulein
Marberg spielte die Frau des Hofreiter,
vielleicht die schwierigste Rolle des Stückes.
Sie gab den Kampf und die Scham der an¬
ständigen Frau, die sich zwingt, einen Fehltritt
zu tun. Und man glaubte ihr den Kampf und
die Scham mehr als den Fehltritt. Wenige
Schauspielerinnen können so wirken. Einfach
prächtig war Fräulein Hofteufel. Sie gab
das junge Mädchen der Wiener Gesellschaft,
frühreif, gut im Kern, verführt und verdorben,
und in alldem von einer Anmut und Festig¬
keit, daß so was wie ein Charakter durch¬
schimmerte. Neben diesen Hauptpersonen eine
Fülle von Peripheriegestalten: Herr Paulsen
als... als anständiger Mensch, was er immer
unvergleichlich trifft; Frau Reinhold als
ziemlich leere Dame der Gesellschaft. Herr
Devrient, als Gegenspieler des Hofreiter,
gab einen abgedankten Frauenliebling
mit
nicht allzu affektierter Resignation.
Herr
Gerasch als junges Todesopfer, Herr
Treßler als Literat, Herr Heine als!
überlegener Intrigant, Herr Thimig als!
populärer Hotelportier — es waren lauter
gute und lebendige Figuren. Denn auch das
gehört zu den Eigenschaften dieses merkwür¬
digen und geistreichen Stückes, daß es sich in
fast allen Rollen leicht und angenehm spielt,
wie es sich in fast allen seinen Szenen reizvoll
und mit echtem Theatergenuß anhört.
Felix Salten.