II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 65

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24. Das weite-Land
von Triebhaftem und Seelisch=Intelektuellem dichterisch
lebend. In allen Figuren des Stückes aber spürt man
die Zergliederung, die Analyse spürt den aufmerkenden
Geist, der selbst in die Strömungen menschlichen Unter¬
bewußtseins taucht. Und daraus holt der Dichter viel
Tiefes, manches Seltsame hervor. Wie hie und dalaus
dem Meeresgrund groteske Ungeheuer gesischt wekben,
die uns märchenhafte Möglichkeiten ahnen lossen.
Wie an die Zuhörer, so stellt dieses Stück
auch an die Schauspieler höhere Forderungen. Der
Begriff „Rolle“ ist diesmal hinfällig. Es gibt in
dieser Tragikomödie nicht die übliche Rangsklassen=Ein¬
teilung. Keinen Bonvivant, keine Sentimentale; keinen
Bösewicht, keine Naive. In jeder Figur lebt ein Teil
von alledem. Und so ist der Darsteller endlich wieder
einmal gezwungen, aus dem Geleise des „Faches“ zu gleiten.
Er muß alle Möglichkeiten, die in seiner Anlage liegen,
heranziehen, nicht nur dee ihm (seinem Wesen) kongenialsten
herausputzen. Es gilt, ohne zu unterstreichen, ohne merkbare
Absicht, das Ergebnis des „Einfühlens“ mit derselben
zwingenden Notwendigkeit zu bringen, wie sie der Dichter
erlebte. Das Burgtheater=Ensemble hat diesen Teil seiner
Aufgabe gelöst. Korff bringt für den Friedrich Hof¬
reitee als Grundqualität die Selbstverständlichkeit des
sicher und unbekümmert im Leben stehenden Genuß= und
Tatenmenschen mit sich. Die rasche, mühelose Natürlichkeit
der Wiener Sprechart, der Wiener lässigen Geste; also
die Außenseite, die technische Voraussetzung der Charakter¬
zeichnung, sind mit Korffs Wesen identisch. Er
wußte mit diesen Mitteln die abrupte Willensplötzlich¬
keit, die rücksichtslose Unmittelbarkeit, mit welcher
Hofreiter Gefühlswallungen in Handlungen wandelt
vortrefflich zu versinnlichen. Das Geheimnis dieser Seele
aber, die lauernde Tragik des sich altern Fühlenden, die
Zwiespältigkeiten eines Erotikers, den die Keuschheit einer
Frau abstoßt und in Flammen setzt, das „In sich hinein
horchen" und „Sich selbst schauen“ kam überraschend
verinnerlicht zum Ausdruck. Nur hätte man sich die
Gestalt des Hofreiter um eine Nuance aufgehellter, lebens¬
freudiger vorstellen können. „Gute Laune ist die Haupt¬
sache auf Erden“ sagt er einmaal. Und nach diesem Spruch
war der egoistische Zuschnitt seines Daseins. Korff aber
Tspielt gleich von Anfang an den Abwärtssteigenden. Inner¬
„eräulein Ilona Heyd
e sseun e A
Oper, eine Künstlerin
halb dieser Auffassung steht jedoch die Darstellung In
sieghafter, opernmäßiger
geschlossener Einheit da.
gab die Titelrolle Sie e
Darstellung und ihrem n
Gerade das Gegenspiel zu bringen, ist Fräulein
e##en großen Erfolg,
Marbergs Aufgabe. Die Gina hat nur eine
Ovationen bei offener St
Note. Die der keuschen Verschlossenheit. Man konnte hier
Willi Bauer, dessen 7
leicht der Gefahr weinerlicher Monokonie erliegen. Fräu¬
aufweist. Im übrigen la
lein Marbengs künstlerischer Instinkt ließ sie die
außerordentliche, zwingen
Pallenberg. Das
richtige Nuance erraten, welche die Tugend einer schönen.
Hauptdarstellern stürmisch
Frau interessant zu färben vermag. Sie ließ den Zu¬
spenden.
schauer ahnen, daß immerhin in die Umfriedung ihres
— Eröffnun
stillen Seelenwinkels das Abenteuer einbrechen könnte.
verein. Dienstag der
Dem Abenteuer öffnet Erna, das moderne Mädel,
findet das Eröffnungs=Fes
mit heißen Sinnen ihre Tür. Fräule'n Hofteufel
statt. Das Haus ist ausv
gestaltete die ganz Reise, ganz Wissende, aber auch die
Pflichtsitzen, die zu ieser
ganz Wahre, Entschlossene, die ihr Schicksal auf sich zu
Konzertkasse (1. Bezirk, C
nehmen weiß, mit feinstem Takt. Sie ist unbekümmert
werden. Die Karten für
abends an der Abendkasse
ohne burschikos zu sein; leidenschaftlich mit Anmut,
intellektuell eigenartig, ohne Snob=Allüre. Sehr warm und
eindringlich brachte Herr Devrient als Aigner das
Weite Land“=Motiv. Und Herr Heine wußte aus
Natter einen unvergeßlichen Typus mit wenigen Strichen
Oesterrei
zu schaffen. Wäre Schauspielkunst nicht vergänglich, so
bliebe diese lapidar gezeichnete tückische Verquollenheit

lebendig, gleich einem Charakterbild Daumiers. Für
Der
alles Uebrige standen die besten Namen ein.
Der Stand der O
So müßte man meinen, endlich einmal von einer
zifferte sich am 15. d.:
wirklichen Burgtheateraufführung sprechen zu können.
Doch genügt dazu nicht allein, daß die Darsteller ihre
Banknotenumlauf
Rollen beherrschen. Der Rhythmus des Geschehens muß
Metallschatz
vor allem auch im Szenentempo zum Ausdruck gelangen.
Portefeuille
Der rasch schillernde, gleitende Empfindungswechsel der
Lombard
Gefühle, der Erlebnisse, ist doch des Charakteristikum der
Sofort fällige Verbind
Schnitzlerschen Tragikomödie. Aber Ibsen¬
lichkeiten.
Schwere lastete auf der Szene. Jener bereits halbver¬
Vom Banknotenumlau
gessene Ibsen=Stil, der die einfachsten Handlungen des
sind steuerpflichtig.
Daseins, wie Kaffeetrinken, Lampen= und Zigarren¬
anzünden, Briefe lesen, Vorhänge herablassen, guten Tag
Besserung der Er
und Adien sagen, zu unendlich geheimnisvollen Pausen
der atemanhaltenden Zeit dehnt. Es bedurfte der ganzen
innerlichen Nervigkeit der Dichtung, um trotz dieser Regie¬
Der Bericht des
hemmung sieghaft zu bleiben. Das Stück übte tiefen vorjährigen Ergebnisse
Wirkung aus.
daß der finanzielle Ei
B. T. günstiger als im I