II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 67

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24. Das „.TLeLand
mums, wie es in Negypten bestehl, derr gzu gejährden.
die eines Protektorats in der Art des tunesischen unge¬
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nügend erscheinen. Nun scheint es aber, als wolle die
Fagesbericht.
Regierung selbst nicht mehr auf der anfänglich ange¬
Wien, 16. Oktober.
nommenen Basis verhandeln. Vor dem Beginn der Feind¬
[Kriegsgefahr und Straßengefahr.] Man kann es
von
ZLER
seligkeiten wollte sie sich noch mit der Okkupation
jetzt oft und oft hören: der italienisch=türkische Krieg ist sad,
HOE
Tripolis begnügen und die türkische Suzeränität aner¬

kennen, die, wie in Aegypten, in Form eines Jahres= unausftehlich fad. Es passiert ganz einfach nichts, es gibt
SAUERBRUNN,tributs zum Ausdruck gekommen wäre. Nun aber wird; keine Kämpfe, keine Schlachten, keine Verlustenlisten, der
(welche die erratende Gina mit Glück erfüllt,) läßt er nur
aber einmal die Dichtung als Gegenspiel der
seinem Gefühl der Verwunderung freien Lauf, wie eine
eite Land.
entstanden. Nicht die
zeitlichen Gesellschaftsart
Frau ein Leben ruhig verbluten sehen konnte, das durch
Eingrenzung der persönlichen Freiheit durch zu¬
Artur Schnitzler.
ihre Hingabe zu retten gewesen wäre. Don Juan
dringliche Neugierde; nicht das Mißverständnis,
gtheater.)
des zwanzigsten Jahrhunderts ist Hofreiter gleich diesem
welches stets zwischen dem Ereignis und dem Schein
superficiellement indiscréte
der ewige Frondeur des Sittengesetzes und der land¬
des Ereignisses sich einzwängt, gibt den dramatischen
zose Wien genannt. Er meinte
läufigen Zeitmoral. Kulturprodukt aus Hebbel und Ibsen
Kern des Stückes. Sondern was aus dem Widerspruch
der Nächstenklatsch schamloser,
geworden, meint er, die Frau zum freien Individuum in
eines Menschenerkenners und =Gestalters gegen ein solches
wird als in anderen Großstadt¬
der Liebeswahl auch innerhalb der Ehe akzeptieren zu
Sittenbild der Gegenwart, als Sehnsuckt, als Gedanken
barischer Vereinfachung auftritt.
können. Halb zu Gina hingezogen, welche ihm, da ein
sich regte, ist zu Menschenschicksalen kristallisiert. Aus den
üllt aus. Die Affäre, als Tat¬
anderer ihrer begehrte, wieder begehrenswert wird, stößt
moralischen Phitisterium einer Stadt entringt sich die
irteilt, veraröbert weitergegeben,
er sie doch von sich. „Daß der arme Korsakow jetzt
schöne freie Melodie, welche Schnitzlers Tragikomödie
der Gesellschafts=Spionage, das
unter der Erde verwest, die Ursache davon bist ja
als Leitmotiv durchzieht, „Die Seele ist ein weites
be, das Ablauern des psychologi¬
doch du! Natürlich unschuldig, in doppeltem Sinn.
Land.“
fihlige Differenzierung der Fälle
Ein anderer als ich würde vielleicht vor dir
„Warum ich sie (meine Frau) betrogen habe? Sie
Kultur des „Man sagt“, fehlt
auf den Knien liegen, dich anbeten wie eine Heilige,
fragen mich? Sollte es Ihnen nicht aufgefallen sein, was
st zwar die indiskreteste Stadt
gerade deswegen! ... Ich bin halt nicht
für komplizierte Subjekte wir Menschen im Grunde sind?
werden die privatesten Eigen¬
Mir bist du gerade dadurch gleichsam fremder geworden!“
So vieles hat zugleich Raum in uns. — Liebe und
enloses Allgemeingut betrachtet.
Und um sich gegen eine leise aufkeimende Annäherung
Trug. ... Treue und Treulosigkeit. ... Anbetung für
leiben: keine Seele, kein Porte¬
zu wehren, die zwischen ihm und seiner Frau wie eine
die Eine und Verlangen nach einer Andern oder Mehreren.
Trauer wird gewogen, betastet;
Liebesblüte, von Korsakows Blut gedüngt, zu sprießen
Wir versuchen wohl Ordnung in uns zu schaffen, so gut
einem Flirt
ntrolliert, eingeschätzt. Aber all
beginnt — reist Friedrich plötzlich ab
geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas Künst¬
Nur= vom=Andern=leben,
Gina aber ergibt sich einem
einer anderen nach.
ist das Chaos. Ja,
liches. ... Das Natürliche —
ifung von fremdem Handeln
Anderen, der ihrer begehrt.
mein guter Hofreiter, die Seele ist ein weites Land, wie
keiner tieferen Kenntnis¬
Aus Liebe? Aus Schmerz, aus Enttäuschung, aus
ein Dichter es einmal ausdrückte.“
und seiner Mannigfaltigkeit.
Trotzgesühl? Oder vielleicht auch einer Erregung der
Hier ist die Abgrenzung des Seelengebietes genau
hlung zeichnet das Urteil des
Sinne folgend, die durch das Begehrtwerden von dem
gegeben, welches Schnitzler seinem Experiment
nd die öffentliche Meinung trägt,
Einen, durch das eigene Begehren nach ihrem Gatten und
unterwirft. Die Komplexität, die Vermengung und Durch¬
ischen Sie bestimmt die mensch¬
dem Verschmähtsein sich der so keuschen, einem einheit¬
bringung rätselhafter Antagonismen in einer Menschen¬
sse, anständig, unanständig. Liebe
lichen Schicksal Bestimmten bemächtigt hatte? Gleich
brust vereint — ließe sich gewiß in den verschiedensten
eine glückliche Ehe, wenn
hier, steht man der Unergründlichkeit gegenüber. Hier
Beziehungen des Menschen zum Dasein — nachweisen.
Fhängt gehen. Daß es auch für
schon breiten sich die Schleier des psychologischen Ge¬
Hier aber wird nur das Verhältnis zwischen Mann und
rage gibt, davon läßt sich das
heimnisses. Man weiß die Tat. Aber nicht einmal
Weib und insbesondere zwischen Ehemann und Eheweib
ftlichen nichts träumen. Sie sind
der Wille, der sie lenkt, kennt den Urtrieb des eigenen
als Rätselding beleuchtet. Friedrich Hofreiter
Erlebnisses. Sie sind die Pri¬
Seins.
seiner Frau Gina seit Jahren untreu und
ist
Friedrich Hofreiter finbei, als er zurückkehrt,
dennoch schlummert in ihm Leidenschaftsmöglichkeit
Gina in den Armen ihres Liebhabers. Findet sie also in
Freund von Gina
nach ihr. Er erfährt, daß ein
nitzler, der so tief mit der
jener Situation, die er selbst als natürliche Revanche
abgewiesen, sich aus Verzweiflung erschossen hat. Er
verwebt ist, mag der Dichtungs¬
einer von ihrem Gatten vernachlässigten Frau gepriesen
weiß Gina durch seine eigene Untreue frei; e
Burgtheater aufgeführten Tragi¬
hatte. Er mußte die Wendung gelassen hinnehmen. Wenn
käme ihm unsinnig vor, von ihr Treue zu
ureaktion aufgegangen sein. In
es nach den Regeln gesetzesmäßiger Seelenlogik ginge.
fordern. So wallt denn vorerst in ihm das Gefühl einer
n der Enge scheulederner Be¬
Aber die Mehrheit des Ich bricht mit elementarer
Erbitterung dagegen auf, daß ein junges Menschenleben
wach geworden sein, auf eine
Gewalt alle Verstandesschranken. Der Gatte erschießt den
einer sogenannten Tugendkonvention wegen erlöschen
Art die Gesellschaft ihrer Tor¬
Liebhaber, weil dieser seine doch von ihm freigegebene
mußte. Denn Hofreiter glaubt sich innerlich frei genug,
lassen. Hebbel verlangt vom
der Komödie, daß sie Schilde= um der Besitzesdespotie seines Mannestums zu gebieten. Frau zu besitzen wagt. Der Triebmeusch ist stärker als
und Stände seien. Hiec ist nun Das Aufflackern einer instinktiven Eifersucht unterdrückend, der Kultur=Erotiker. Das Männchen siegt über den Mann.