II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 69

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24. Das weite-Land
die Fr¬
Blasel einer seiner Hauptdaxsteller. Er hat den Dufes gern¬
den Aus
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] Menelaus, den Jupithr kreiert; er durfte mit der
gestern in der Freudenau Im vierten Rennen liefen vier
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himmlischsten aller Partnerinnen spielen, mit der
Pferde, darunter auch eines der besten aus dem bisherigen
i Fragz') a 9 gInisführlichsten
Geistinger. Karl Blasel ist immer aufrecht ge¬
Planner=Stall, Lumperl, welches als hoher Favorit zu den
Bita“ naza''s sich und Eugen
blieben; er hat wohl den Kopf geschüttelt, als er die Moden
sehr kurzen Ods von „2½ auf“ abstartete. Nach den bisherigen
Verfasser. Baron d'Albon ist der
wechseln sah, als er den Geschmack des Publikums die selt¬
Leistungen war das Vertrauen des wettenden Publikums in
rühmlich bekannt durch seine
samsten Kapriolen schlagen sah. Er hat den Passe¬
die Ueberlegenheit Lumperls auch vollauf berechtigt, da
alten des Kaisers Franz Joseph
partout in der „Reise um die Erde“ kreiert und endlos
dieses Pferd bisher hervorragende Leistungen gezeigt.
lang Abend für Abend diese Rolle gespielt. Er hat jene
Elisabeth in so unübertrefflicher
Es sei erwähnt, daß Fürst Hohenlohe=Oehringen, der Besitzer
fürchterliche Zeit der Verirrung mitgemacht, da eine Operette,
er Bibliothek keines Oesterreichers
ein anderer war Baron d'Albon,1 „Der Stabstrompeter“, sich dreihundertmal im Repertoire] Lumperls, dieses Pferd mit einigen anderen der Obhut
übrigens vollkommen überflüssig für die Wertung des
haut des Schauenden sich das Wunder des Lebens. So
Erkt nun die Bedeutung seines
Problems ist) nach einer sittlichen Moralanwendung
hat Schnitzler auch primäres Erlebnis, Gefühls¬
smen. Die Ehetrennung der
fragen, so liegt sie darin, daß zum Schluß alle Menschen,
reaktion und ihre Reflexe auf die Außenwelt mit der
ng der Natters zeigen das
die Hofreiter niedergestoßen, sich wieder aufrichten, und
sensibelsten Erkenntnis durch, mit, aneinander wirkend
rcheinander, das Chaos der
er allein der Erliegende ist. Er geht mit einem wehen
gemacht. Und hat so gleichsam eine künstlerische Mitarbeit
es Daseins prägen. Aigner
Gefühl in die neue Welt. Er hat Gina er¬
seines Publikums als Forderung aufgestellt. Nur wer für
e Frau, die er unendlich liebte,
kannt und verloren, er hat Erna besessen, und
das neo=impressionistische Gemälde die rtige Distanz
dann gestanden. „Das war ich
ihre Jugend gab ihm das Bewußtsein seines Alterns. Er
findet, dem wird die 'optische Wahrheit. Und nur wer
l ich sie anbetete, ihr und mir.
hat seinem besten Freund die Geliebte, die Braut ge¬
piychologische Selbstanalyse getrieben hat, nur wer die
vorgekommen, wenn ich's ihr
nommen; und dieser geht stolz und rein dem Leben nach,
Distanz zu Seelenerlebnissen besitzt, dem kann die Zer¬
leicht darf man sich die Dinge
vielleicht erkannt, gewürdigt, Gina oder Erna entgegen.
teilung, die Zerfaserung der Psyche, die der Dichter
Nur Eine ist zermalmt durch dieses triebhafte, hemmungs¬
durch tiefste Einfühlung zu projizieren vermochte, zu
ar ziemlich großartig gedacht,
lose Waltenlassen einer Weiten=Land=Seele — das ist die
synthetischen Formen sich einen.
ine Art Affektation war. Oder
Mutter, der Hofreiter den Sohn niedergeschossen hat. (Ein
Leicht hätte die Idee man könnte sagen die Pointe
quemlichkeit ...“
notwendig brutaler Tod, weil eben das Hemmungslose
des Themas, in einem Geist, der nicht das instinktiv
zugleich, was auch möglich wäre.
eines Willens in seiner schrecklichen Wirkung auf fremdes
Bildnerische des Dramatikers besitzt, zum Tendenz=, zum
Schicksal gezeigt werden soll.) Sonst aber steht der Ver¬
Thesenstück ausarten können. Die Variationen über
der glücklich liebt, treu geliebt
nichter als der Vernichtete da.
„Mannigfaltigkeit“ des Seelischen, zur Einförmigkeit einer
ebanden losgerungen. Natter
Doch ist es dem Dichter augenscheinlich um eine
Formel erstarrt, zum mathematisch klappenden Beweis,
sne, zum Dreieck Verdammte,
letzte Antwort auf solche Frage gar nicht zu tun. Er
zur restlos aufgehenden Rechnung, diese Gefahr lag im
tlich, wird zum Schuften, wird
baut hier keine Brücke, gibt keine Lösung. Gleichsam
Keimgedanken des Werkes eingekapfelt. Doch „das Not¬
er wechselnden Abenteuer, die
wissenschaftlich reiht er Fall an Fall. Die Polygamen,
wendige bringen in Form des Zufälligen — das ist das
er trotz allem der Gatte seiner
Hofreiter, Aigner, stehen den Monogamen, Gina, Erna,
ganze Geheimnis“. Dadurch wird hier das Experiment der
eine Existenz ohne Adele als
Mauer, Natter, in scharfer Kontraststeigerung gegenüber.
Seelenkomplexität zu fließendem Leben. Weil die Verkeitung
siene,“ sagt einmal Natter
Die Polygamen sind die Raffinierten; die ihr „Ich“
des Geschehens so absichtsfrei sich ergibt, daß sie den Mechanis¬
nämlich rettungslos verliebt in
Ueberblickenden, die Schmerzhafteren; sind Impulsive und
mus der beweisführenden Idee verdeckt. Weil Schnitzler
freiter. Dagegen hilft nichts.
Reflektierende zugleich. Sie sind rücksichtslose Taten¬
nicht mit konstruierten, sondern mit gewachsenen Seelen¬
versucht habe, um innerlich
menschen, die, wie Hofreiter und Aigner, im Erlebnis
produkten agiert. Friedrich Hofreiters Gestalt ist aus
Vergeblich. Ich liebe sie trotz
sich ausgeben, sind aber auch Zerpflücker ihrer geheimsten
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Fleisch und Blut, ist aus Instinkt und Nerv gebaut. Ob
Regungen. Sie leben und sehen sich leben. Die anderen,
sie kritisch erklärbar, darauf kommt es nicht an, sondern
mriß kann ich hier das Irr¬
die Einmal=Menschen, sind sich ihres weiten Seelen¬
darauf, ob sie dem Gefühl nachlebbar ist. Hofreiter ist
ufzeigen, die Komplexität der
landes nicht bewußt. Es sind die Instinktiven, die Gerad¬
der schnellschaffende, straff handelnde, sensualistische Typus
er bildet; das Schillern ihrer
linigen, die Vereinfachten. Die Fühlen und Handeln in
des modernen Großstadtmenschen. Er ist in seiner engeren
barkeit ihrer Entschlüsse. Wären
gesetzesmäßigen Einklang zu bringen vermeinen. Das An¬
Eingrenzung ein Neugieriger der Liebe, ein rücksichtsloser
nst übertragbar, so könnte der
einanderprallen solcher Kräfte löst nun die Konflikts¬
Ausbeuter des Augenblicks, ein Erliegender dem Wunsch,
neo = impressionistisch genannt
spannung aus. Daß Schnitzler es vermochte, Hand¬
der Phantasie gegenüber. Diese Eigenschaft ist seine Kraft
psychologische Ereignisse, gleich
lung und Schicksal aus solchen tiefsten Quellen seelischer
und seine Schwäche. Er hat die Energie, alles um sich
Malerei, künstlerisch verwertet.
Vorgänge hervorzuleiten, darin liegt der Adel seines
zu vernichten, um sich den Moment zu erringen. Weil
Empfindungspalette in ihrer
Werkes. Das wissenschaftliche Experiment hat die Grenzen
aber das Bewußtsein des Besitzes schon allein genügt, um
war einzeln aufgetragen, werden
aufgehoben, die bisher zwischen dem physiologischen und dem
den Wunsch in ihm zu töten, so verliert er alles Wert¬
fungen zerlegt. Werden Strich
psychologischen Vorgang menschlichen Fühlens bestanden.
volle seines Daseins; verkennt, opfert es, ohne
esetzt, unvermengt in scheinbar
Wenn man das „Weite Land“ aller Komödie entkleidet,
deshalb die tiese Sehnsucht nach solchen Gütern
s flimmert dem Beschauer erst
so bleibt als reiner Gedanke dieses Erkennen des In¬
loszuwerden. Er sucht Gina vielleicht in allen
Wogen von Farben und
einanderfließens von sinnlicher und geistiger Erreg¬
Frauen und verliert die Gina, die er besitzt, weil nur
Lokalfarbe, die Beleuchtungs¬
samkeit, von der Vereinigung des physischen und psychischen
Wunsch ihm als Erleben gilt. Die Erfüllung aber — schon
be von schöpferischem Maler¬
, dann bildet in der Netz= wieder als Lüge, als Enttäuschung. Wollte man (was! Phänomens. In Hofreiter und Erna wird die Mischung