II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 82

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24. Das
weite Land
en, zu der ihm die Erotik in reifender weiß, daß sein Freund sterben mußte um ihrer „Tugend“ willen,
Jugend geworden war.
trotzdem sie ihm gut war, ist sie ihm noch fremder geworden. Es
bt freilich ein wenig über diesem
ist ihm unheimlich, daß ihre Tugend — ein Wort, das er sich
Betrachtung und in den Beleuchtungs¬
nur unter Gänsefüßchen denken kann — ihre Treue, auf die er
der Führung der Handlung und in
kein Recht hatte, ein Schemen also, ein Phantom, ein Nichts,
Eine Tragikomödie entsteht gewöhnlich
einen anderen Menschen in den Tod getrieben hat. Es ist ihm
Karikatur, die dem Helden für den
unheimlich, und so verrückt das klingt, es ist umso natürlicher, als
ins Gesicht geschrieben ist, mitzeichnet.
er selbst die innere Freiheit, das Nichtverpflichtetsein gegenüber
r zeigt, wie das Leben auf die Kon¬
der Treue und Tugend der Gattin, sich selber noch unbewußt,
icklung keine Rücksicht nimmt, sondern
schon wieder braucht, weil er nach der zwanzigjährigen Erna, einer
inen Bosheiten gegen das Helden¬
etwas modernisierten Hilda Wangel, brennt. In einem Schweizer
Enwirft. Hier aber entsteht die Tragi¬
Hotel treffen sich die beiden, denn Hofreiter hat seinen Nerven eine
graus, daß der Dichter auf die
Gebirgstour verordnet, und Erna fliegt ihm an den Hals. Als
einer Warte herabsieht, von deren
er zurückkommt, macht er in Baden, ehe er in sein eigenes Haus
e Gebärde etwas Putziges, etwas
geht, Erna eine nächtliche Fensterpromenade. Bei dieser Gelegen¬
hält, aus der ein Kampf auf Tod
heit bemerkt er, wie ein Fähnrich, der schon früher in
einem Maulschellenduell der Poli¬
seinem Hause verkehrte, just aus dem Schlafzimmerfenster
Ganz drüber hinaus wäre er, wenn
stiner Frau steigt. Frau Genia hat eben diesmal „können“.
mporgestiegen ist unter dem Messer
Ihr eigener Gatte hat ihr ja die Tragikomik des Ge¬
m die Leiche. Aber sein Herz schlägt
dankens verständlich gemacht, daß sich noch einmal einer um ihrer
en kämpfen und bluten und er fühlt
„Tugend“ willen zum Leichnam machen könnte. Am anderen Tage
es sich ihm nicht noch einmal aus
kehrt nun Hofreiter wirklich in sein Haus zurück und nach einer
nicht plötzlich in den lieblosen, kalten
heißen Liebesszene mit Erna provoziert er den Fähnrich, um ihn
ten wieder erblickt und zusehen muß,
vor die Pistole zu bekommen. Und weil dieses Leben schon einmal
ten zu bluten beginnt. Denn es ist
zum Totlachen ist, nimmt er sich den Gatten seiner früheren Ge¬
er dichtet. Und sie ist ihm keineswegs
liebten, der alles weiß, mit dem er eine Viertelstunde vorher mit
Komödienbeigeschmack erhalten hat ...
erhobenen Fäusten zusammengeprallt war, zum Sekundanten. Und
der schlägt ein, denn er ist ein Plilosoph. Entsetzt fragt Genia den
Friedrich Hofreiter, der in Baden
Gatten: „Was ist dir denn eingefallen? ... Wenn dir an mir
Frau unter anderem mit der Gattin
noch das Geringste läge . .. wein es Haß wäre . .. Wut, Eifer¬
e Frau kennt die Geschichte und weiß,
sucht, Liebe ...
und Hofräter antwortet: „Na ja, von all
nd ein junger Klavierspieler, der im
dem verspür' ich allerdings verkammt wenig. Aber man will doch
erschossen, weil sich Frau Hofreiter
nicht der Hopf sein . . .“ Und im anderen Morgen schießt er den
hat er seinen einzigen Abschiedsbrief
Fähnrich Otto Aigner, den Sohn eines Freundes, die einzige
aß er ein Ende machte, weil sie ihren
Freude seiner Mutter, die er selbst verehrt, über den Haufen.
Da Hofreiter die Gattin mit Fragen
Denn in dem Augenblick, in dem er ihm am Kampfplatz gegen¬
Prief. „Hättest du ihn erhört, wenn
übersteht „mit seinem frechen ungen Blick“, da hat er's gewußt:
ch sonst tötet?“ fragt Hofreiter. „Ich
der andere oder er. Bewujdernd sieht Erna auf ihren Helden:
warum .... ich hätt' nicht können“
„Wo du immer hingehen villst, ich folge dir.“ Aber er lehmt
was Sonderbares geht in Hofreiter
dankend ab. Er hat sich in diesem Augenblick am Kampfplatz in
n gelebt, kaum mit ihr, aber seit er
Haß genau so ausgegeben, als er es in einer Liebesumarmung
bis zur Ernüchterung und Ueberdruß getan hätte. Und ihn
schaudert vor Ernas Jugend. „Du bist zwanzig, du gehörst nicht
1 mir ... Ich weiß, was Jugend ist. Es ist noch keine Stunde
er, da hab' ich sie glänzen geseh'n und lachen, in einem frechen
ilten Aug'. Ich weiß, was Jugend ist — und man kann doch
icht jeden ... — „Ich gehöre zu dir!“ ruft Erna. — Ich nie¬
landem auf der Welt,“ antwortet Hofreiter. „Niemandem, will
ach nicht . . .“ — Da ertönt dräußen die Stimme seines heim¬
hrenden Söhnchens: „Mutter! Vater!“ — Hofreiter: „Percy
r wimmert einmal leise auf). Ja, Percy, ich komm' schon! Da
bin ich“ (rasch hinaus). — Erna (bleibt stehen).
Aus ist's. Das ist das Stück. Mit einer Fülle von wunder¬
voll Leobachteten Einzelheiten, die fast alle in reifster und kraft¬
vollster Einheitlichkeit in den Dienst der Idee und der Erkenntnis
gezwungen sind. Und die Moral? Ein Freund Hofmeisters hat
sie auszusprechen: „Ich versichere Sie, Genia, nicht das Geringste
hätt' ich einzuwenden gegen eine Welt, in der die Liebe wirklich
nichts anderes wäre als ein köstliches Spiel... Aber dann ...
dann ehrlich, bitte! Ehrlich bis zur Orgie... Das ließ' ich
gelten. Aber dieses Ineinander von Zurückhaltung und Frechheit,
von feiger Eifersucht und erlogenem Gleichmut — von rasender
Leidenschaft und leerer Lust, wie ich es hier sehe — das sind' ich
trübselig und — grauenhaft.. . Der Freiheit, die sich hier brüstet,
der fehlt es am Glauben an sich selbst. Darum gelingt ihr die
heitere Miene nicht, die sie so gern annehmen möchte ... Darum
grinst sie ... wo sie lachen will.“ Die Moral von diesseits natür¬
lich, die noch Tränen hat und Tragik; die von droben, vom
Jenseits, die lacht. Lacht, ohne zu grinsen.
Das Burgtheater hat sich und dem Dichter einen Festtag
bereitet. Die Regie führte Thimig, und Schnitzler stand hinter
ihm. Wir begrüßen die Wiederkehr dieses Regisseurs, dem leider
die Genugtuung zuteil wurde, daß wir am besten erkannten, was
er zu leisten vermag, als er feiern mußte. Herr Baron Berger
entschließe sich rasch noch Regisseure zu ernennen. Er wird sie in
seinem Hause finden, wenn er sie sucht, und er braucht sie. Vielleicht
wird er der Burg doch noch nützen können, wenn er sein
literarisches und ästhetisches Wissen hinter der gestaltenden
Phantasie eines erfahrenen Bühnentechnikers fruchtbar werden
läßt. Die Bühnenbilder waren diesmal von jener satten Ge¬
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