Das we
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SA
hnitt aus:
PLERRA
ueles Well=Bialt (Junstrierte Ausgabe)
geistert von seinem Mut und sie will ihm folgen, wohmn
er wolle. Er schüttelt sie jedoch ab und erklärt, übers
Theater, Kunst und Musik.
Meer ziehen zu wollen. Da erscheint als deus ex
machina sein Söhnchen und dies bringt ihn, unvermittelt
Wien, 16. Oktober 1911.
genug, zum Bewußtsein seiner Vaterpflicht. Es schent,
Burgtheater.
als ob er fortan nur dem Sohne leben wolle. Wir
„Das weite Land“, eine Tragikomödie in fünf Akten von Artur
bezweifeln aber die Dauerhaftigkeit seiner inneren
Schnitzler. Erste Aufführung im k. k. Hofburgtheater am
Wandlung und der Dichter selbst kann uns darüber
14. Oktober 1911.
nichts verbürgen. So schließt denn das Stück mit einem
Jedesmal, wenn wir der ersten Aufführung eines
Ausblick ins Leere und das ist ein gewichtiger Fehler.
neuen Stückes von Artur Schnitzler beiwohnten,
Der geistreiche Dialog, die gute Szenenführung und
gingen wir mit der Erwartung ins Theater, daß uns
das anheimelnde Milieu — die Handlung spielt im
der heimische Dichter, dessen starkes Talent nicht zu
Helenental in Baden bei Wien, der dritte Akt im
bestreiten ist, endlich mit einem vollwertigen Werk
Karersee=Hotel — in Verbindung mit der glänzenden
erfreuen werde. Er hat diese Hoffnung bisher nicht
Regie, nicht zuletzt aber die vorzügliche Darstellung der
erfüllt. Auch seine jüngste dramatische Arbeit, die fünf¬
Hauptrollen verhalfen dem Stücke zu einem äußeren
aktige Tragikomödie: „Das weite Land“ hat uns
Erfolg. Der eigentliche Gewinn des Abends aber war
wieder eine Enttäuschung bereitet, wenngleich sie seine
die Erkenntnis, daß Herr Korff, der den Hofreiter
Treffsicherheit für wirksame Szenen, seine nicht gewöhn¬
meisterlich spielte, mit einem Schlage in die erste Reihe
liche technische Geschicklichkeit neuerlich bekundet. Er
vorrückte. Ihm sekundierten vortrefflich die „Damen
stellt auch diesmal ein interessantes Problem auf, ent¬
Marberg als Frau Hofreiter und Hofterfel als
wickelt es durch mehrere Akte hindurch in anregender
Erna. Aber auch die lange Reihe der ührigen Mit¬
Weise, zieht aber nicht eine überzeugende Konsequenz
Alpha,
wirkenden verdient volle Anerketnung.
1
daraus, sondern schließt mit einem unbefriedigenden
Fragezeichen. Dabei verliert er sich wieder in ein Chaos
von spitzsindiger Seelendenterei und erkünstelten Empfin¬
dungen.
Schon der Titel seines jüngsten Werkes hat etwas
Gesuchtes. Das „weite Land“, es ist die menschliche
Stele mit ihren dunklen Trieben, ihren Widersprüchen,
ihren Leidenschaften, die den Menschen zu Handlungen
drängen, die er nicht zu rechtfertigen vermag. Der Held
der jüngsten Schnitzlerschen Komödie ist ein seltsam kompli¬
zierter Charakter, der sich eine eigenartige Lebensmoral
zurechtgelegt hat. Der reiche Fabrikant Friedrich Hof¬
reiter wird uns zunächst als ein tüchtiger Geschäfts¬
mann geschildert, dessen kommerzielle Verbindungen bis
über dem Ozean reichen. Doch geschieht dies nur mit
Worten. Taten läßt uns dieser angebliche Mann der
praktischen Arbeit nicht erkennen, was übrigens für die
Handlung des Stückes auch gleichgiltig ist. Denn in
ihrem Mittelpunkt steht nicht der Kaufmann sondern
der siegreiche Frauenjäger Hofreiter, eine Herre inatur
auf dem Gebiete der Erotik, die nur durch das gesell¬
schaftliche Milien, in dem er sich bewegt, etwas abge¬
dämpft erscheint.
Wiewohl schon seit dreizehn Jahren mit einer an¬
mutigen Frau verheiratet und Vater eines Sohnes, ist
Hofreiter ein unverwüstlicher Libertin, der von einem
Weibchen zum andern gankelt und diese Settensprünge
als sein natürliches Recht empfindet. Die Nachsicht seiner
Gatiin, die seine offenkundigen Liebesabenteuer still¬
schweigend duldet, bestärkt ihn und er gefällt sich in der
Rolle eines lachenden Lebensphilosophen, bis ihn ein
unerwartetes Ereignis aus seinem Gleichmut bringt.
Einer seiner Freunde, ein junger russischer Pianist, der¬
viel in seinem Haus verkehrte, hat sich erschossen und¬
niemand weiß, weshalb. Ein unbewußtes Gefühl bringt
Hofreiter zur Vermutung, daß seine Frau die Ursache
des Selbstmordes des jungen Russen gewesen sein
dürfte. Er bringt auch wirklich die widerstrebende Gattin¬
zu dem Gesländnis, daß der Russe in den Tod gegangen
ist, weil sie seine Werbung abgewiesen hat. Die sorglose
Lebensphilosophie, mit welcher Hofreiter prunkt, kann
sich mit dem Verhalten seiner Frau in dem heillen Fall
nicht abfinden. Ihre Tugend hat den jungen Mann in
den Tod gejagt, die Tugend, die er jedoch nur für einen
Schemen hält, und seine Frau erscheint diesem Musser¬
gatten plötzlich „unheimlich“.
Er fühlt das unabweisbare Bedürfnis, wenigstens für
ein paar Wochen die unheimliche Frau zu verlassen und
eine andre, seelenbefreiendere Luft zu almen. Das
gelingt ihm vortrefflich in einem Automobil, wohin ihm
auch einige se ner Bekannten, darunter eine geschwätzige
Dame mit ihrer emanzipierten, lebenslustigen Tochter,
gefolgt sind. Mit dieser Tochter — Erna heißt der liebe
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hnitt aus:
PLERRA
ueles Well=Bialt (Junstrierte Ausgabe)
geistert von seinem Mut und sie will ihm folgen, wohmn
er wolle. Er schüttelt sie jedoch ab und erklärt, übers
Theater, Kunst und Musik.
Meer ziehen zu wollen. Da erscheint als deus ex
machina sein Söhnchen und dies bringt ihn, unvermittelt
Wien, 16. Oktober 1911.
genug, zum Bewußtsein seiner Vaterpflicht. Es schent,
Burgtheater.
als ob er fortan nur dem Sohne leben wolle. Wir
„Das weite Land“, eine Tragikomödie in fünf Akten von Artur
bezweifeln aber die Dauerhaftigkeit seiner inneren
Schnitzler. Erste Aufführung im k. k. Hofburgtheater am
Wandlung und der Dichter selbst kann uns darüber
14. Oktober 1911.
nichts verbürgen. So schließt denn das Stück mit einem
Jedesmal, wenn wir der ersten Aufführung eines
Ausblick ins Leere und das ist ein gewichtiger Fehler.
neuen Stückes von Artur Schnitzler beiwohnten,
Der geistreiche Dialog, die gute Szenenführung und
gingen wir mit der Erwartung ins Theater, daß uns
das anheimelnde Milieu — die Handlung spielt im
der heimische Dichter, dessen starkes Talent nicht zu
Helenental in Baden bei Wien, der dritte Akt im
bestreiten ist, endlich mit einem vollwertigen Werk
Karersee=Hotel — in Verbindung mit der glänzenden
erfreuen werde. Er hat diese Hoffnung bisher nicht
Regie, nicht zuletzt aber die vorzügliche Darstellung der
erfüllt. Auch seine jüngste dramatische Arbeit, die fünf¬
Hauptrollen verhalfen dem Stücke zu einem äußeren
aktige Tragikomödie: „Das weite Land“ hat uns
Erfolg. Der eigentliche Gewinn des Abends aber war
wieder eine Enttäuschung bereitet, wenngleich sie seine
die Erkenntnis, daß Herr Korff, der den Hofreiter
Treffsicherheit für wirksame Szenen, seine nicht gewöhn¬
meisterlich spielte, mit einem Schlage in die erste Reihe
liche technische Geschicklichkeit neuerlich bekundet. Er
vorrückte. Ihm sekundierten vortrefflich die „Damen
stellt auch diesmal ein interessantes Problem auf, ent¬
Marberg als Frau Hofreiter und Hofterfel als
wickelt es durch mehrere Akte hindurch in anregender
Erna. Aber auch die lange Reihe der ührigen Mit¬
Weise, zieht aber nicht eine überzeugende Konsequenz
Alpha,
wirkenden verdient volle Anerketnung.
1
daraus, sondern schließt mit einem unbefriedigenden
Fragezeichen. Dabei verliert er sich wieder in ein Chaos
von spitzsindiger Seelendenterei und erkünstelten Empfin¬
dungen.
Schon der Titel seines jüngsten Werkes hat etwas
Gesuchtes. Das „weite Land“, es ist die menschliche
Stele mit ihren dunklen Trieben, ihren Widersprüchen,
ihren Leidenschaften, die den Menschen zu Handlungen
drängen, die er nicht zu rechtfertigen vermag. Der Held
der jüngsten Schnitzlerschen Komödie ist ein seltsam kompli¬
zierter Charakter, der sich eine eigenartige Lebensmoral
zurechtgelegt hat. Der reiche Fabrikant Friedrich Hof¬
reiter wird uns zunächst als ein tüchtiger Geschäfts¬
mann geschildert, dessen kommerzielle Verbindungen bis
über dem Ozean reichen. Doch geschieht dies nur mit
Worten. Taten läßt uns dieser angebliche Mann der
praktischen Arbeit nicht erkennen, was übrigens für die
Handlung des Stückes auch gleichgiltig ist. Denn in
ihrem Mittelpunkt steht nicht der Kaufmann sondern
der siegreiche Frauenjäger Hofreiter, eine Herre inatur
auf dem Gebiete der Erotik, die nur durch das gesell¬
schaftliche Milien, in dem er sich bewegt, etwas abge¬
dämpft erscheint.
Wiewohl schon seit dreizehn Jahren mit einer an¬
mutigen Frau verheiratet und Vater eines Sohnes, ist
Hofreiter ein unverwüstlicher Libertin, der von einem
Weibchen zum andern gankelt und diese Settensprünge
als sein natürliches Recht empfindet. Die Nachsicht seiner
Gatiin, die seine offenkundigen Liebesabenteuer still¬
schweigend duldet, bestärkt ihn und er gefällt sich in der
Rolle eines lachenden Lebensphilosophen, bis ihn ein
unerwartetes Ereignis aus seinem Gleichmut bringt.
Einer seiner Freunde, ein junger russischer Pianist, der¬
viel in seinem Haus verkehrte, hat sich erschossen und¬
niemand weiß, weshalb. Ein unbewußtes Gefühl bringt
Hofreiter zur Vermutung, daß seine Frau die Ursache
des Selbstmordes des jungen Russen gewesen sein
dürfte. Er bringt auch wirklich die widerstrebende Gattin¬
zu dem Gesländnis, daß der Russe in den Tod gegangen
ist, weil sie seine Werbung abgewiesen hat. Die sorglose
Lebensphilosophie, mit welcher Hofreiter prunkt, kann
sich mit dem Verhalten seiner Frau in dem heillen Fall
nicht abfinden. Ihre Tugend hat den jungen Mann in
den Tod gejagt, die Tugend, die er jedoch nur für einen
Schemen hält, und seine Frau erscheint diesem Musser¬
gatten plötzlich „unheimlich“.
Er fühlt das unabweisbare Bedürfnis, wenigstens für
ein paar Wochen die unheimliche Frau zu verlassen und
eine andre, seelenbefreiendere Luft zu almen. Das
gelingt ihm vortrefflich in einem Automobil, wohin ihm
auch einige se ner Bekannten, darunter eine geschwätzige
Dame mit ihrer emanzipierten, lebenslustigen Tochter,
gefolgt sind. Mit dieser Tochter — Erna heißt der liebe