II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 124

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24. Das weite-Land
AUNNCN
Mlifirtes Wiener Frtrablatt
vom:
Wien
Wiener Theatergeschichten.
Der Portier vom Südbahnhotel.
Seitdem der Portier vom Südbahnhotel auf
edem Semmering durch Artur Schnitzler „in die
Literatur hineingekommen ist“, verspürt Herr Rosen¬
stock früher nie gekannte Wonnen. Stolz erzählt der
wackere Torwart jedermann, er habe die Zuständigkeit
ins Burgtheater erlangt. Im „Weiten Land“ wird
von ihm geredet, dort ist ihm eine wichtige Rolle zu¬
gefallen. Und Herr Thimig trägt seine Kappe, seine
Uniform als Portier. In Gesellschaft Schnitzlers
ist Thimig auf den Semmering gefahren, um
an Ort und Stelle Studien zu machen, um das
Original persönlich kennen zu lernen. Schnitzler
getraute sich nicht recht eine lebende Person
auf das Theuter zu stellen. Erst nach längeren Be¬
satungen mit guten Freunden griff er Herrn Rosen¬
stock aus dem Leben. Thimig saß mehrere Stunden
in der Hotelhalle um das Vorbild zu beobachten, ab¬
zugucken, wie er sich räuspert, wie er mit den Gästen
verkehrt. Und plötzlich trat Herr Rosenstock auf den Schau¬
spieler zu, klopfte ihm auf die Schulter und sprach mit
höflicher Verbeugung: „Verzeihen Sie meine Frage,
sind Sie nicht ein — Journalist?“ Thimig schaute ben
Interpellanten groß au und verneinte. „Warum machen
Sie sich fortwährend Notizen?“ wollte der Torwart
wissen. Den Schaustieler belustigte die Situation und
er stellte sich vor. „Aha“ — meinte der Großschlüssel¬
bewahrer — „Sie wollen mich kopieren? Das haben
schon Andere ebenfalls versucht. Ich bin doch weder
ein berühmter, noch ein interessanter Mensch.“ Worauf
Thimig liebenswürdig ergänzte: „Aber ein braver
Mann sind Sie, Herr Rosenstock.“ „Pardon,“ korrigierte
der Portier, sich heiße seit kurzem Rostler.“ „Macht
nichts, erklarte Thimig und deklamierte dann mit
Julia Capulet weiter:
Was ist ein Name? Was uns Rose heißt —
Wie es auch heiße, würde lieblich duften.
Ansschaltt ausNeue Badische Landes Zeitung
71.11. 1911
Mannheim
70n
Wand Miitel
Vor Feola, dem Trinker aus Lebensekel, durfte Otto¬
#Ernsts Trinker aus Leichtsteen und falsch gewendeter Geniali=,
tät die Wahrheit des ### auch schiefgedrehten Spruches:
„Die Liebe höret
auf“ an sich erproben.
Nun denn, das Publikum, das schon bei der Premiere recht,
unfreundlich war, wollte von Ernstens langmütig=drama¬
tischer Deutung der Paulinischen Worte nichts wisse, und
die Liebe hörete sehr buld auf, im Spielplan zu rrunken.
und schwachnervige Leute zu rühren. Dagegen hat Einer,
der sich nicht bloß durch Wein, sondern durch vielerlei ver¬
wegenes Spielen mit dem Leben berauscht, der Teufelskerl.
Hofreiter zahlreiche Neugierige in „Das weite Land“.
der Seelt gezogen, worin er voltigiert und songliert, und,
Wmitzkers neues Drama, das bei seiner Wiener Urauf=
Ihrung kkoß Anwesenheit des Dichters nicht viel wärmer.
aufgenommen wurde als am gleichen Tage in Berlin und,
München, hat sich in Wien nachträglich zum Zugstück entwickest.
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