II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 132

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24. Das deite-Land
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Husaren würde ihn nicht hindern, die tragische würdig. Auch der liebende Hoteldirektor, der es zwat
Das liederliche Kleeblatt Hofreiter=Aigner=Natter
Grimasse zu schneiden. Man muß gestehen, daß die Jahre ohne Frau und Sohn in der von ihm kultivie
ist auf heimatlichem Grund und Boden gewachsen. Der
Alpenwildnis aushält und bei Engländerinnen, F#
Situation ungemein komisch ist. Und doch verbietet
Wiener Bankier (Natter) besorgt die Geschäfte seines
zösinnen und Spanierinnen Trost im Elend sucht,
uns der Dichter, zu lachen, und wir gehorchen ihm,
Wiener Freundes Hofreiter, und dieser hat ein Ver¬
nicht mit seiner Vergangenheit fertig, obgleich er sie
weil er uns im Banne seiner Kunst hält.
hältnis mit Frau Adele Natter so weit glücklich über¬
Eine noch innigere Art von Schicksals= und weit genug aus den Augen gerückt hat. Das weite L#
standen, daß er auch dem Mann keine Rücksicht mehr
hat für ihn auch seine reale Bedeutung, und es sch#
Seelenverwandtschaft besteht zwischen Hofreiter und
schuldig zu sein glaubt. Erbost über eine Indiskretion
dem Braven zu entgehen, daß es als poetisches Gleich
Aigner, dem Hotelkönig der Dolomiten, und der Sohn
Natters, reibt er ihm unter die Nase, daß Frau Adele
ein äußerst dehnbarer Begriff ist und sich mit
Aigners macht den Fabrikanten vollends zum
ein zartes Engagement mit einem Husarenleutnant
weiten Herzen oder weiten Gewissen nahezu deckt,
Schwager, da er mit Genias Fähnrich identisch ist.
eingegangen sei. Der von dieser Neuigkeit nicht im
selbst ganz gewöhnliche Menschen von sehr en
geringsten überraschte Bankier gibt zu erkennen, daß Aigner kennt diesen Sohn nicht. Er hat ihm vor
Horizont ihr eigen nennen.
zwanzig Jahren den letzten Vaterkuß auf die Stirn
er auch über den unmittelbaren Vorgänger des
gedrückt, als er ihn mit der Mutter wegziehen ließ. Die
Und Friedrich Hofreiter, der interessante,
Husarenleutnants genau unterrichtet ist, und
Ehegatien trennten sich, weil Aigner seine Anna, eine
Welt im kleinen bewegende Mittelpunkt der T#
revanchiert sich dabei, indem er seinerseits die Tugend
Schauspielerin, unendlich liebte, „wie keine früher und
komödie? Er weiß wohl, warum er der Seelenthec
Genias, der Gattin Hofreiters, in Zweifel zieht. Frau
keine . . . na, lassen wir das,“ so „unendlich“, daß er
Aigners zustimmt. Doch wäre ihm besser gewes
Genia nämlich hat allerdings während einer kurze
wenn er, anstatt Hand in Hand mit Erna W#
sie mit andern hinterging. „Hier liegt das Problem,“
Abwesenheit ihres Mannes das lange sorgsam und mit
einer entarteten Schwester in Ibsen, den Vajol
ruft der tragisch angehauchte Direktor der Alpenhotel¬
Entsagungsschmerzen behütete Kleinod ihrer Fraue!
oder Aignerturm zu besteigen, ruhig in Baden bei W
gesellschaft und Landtagsabgeordnete voll Emphase aus
ehre einem Fähnrich der Marine geschenkt, und d',
geblieben wäre und sich redlich mit Genia und A#
nächtlicherweile zurückgekehrte Gatte wurde der und fährt fort: „Sollt' es Ihnen noch nicht aufgefallen
von Liebe genährt hätte. Erna wäre ihm wöhl¬
sein, was für komplizierte Subjekte wir Menschen im
unfreiwillige Zeuge des Schenkungsaktes. Wie de¬
daheim als früh faule Frucht vom Baume
Grunde sind? So vieles hat zugleich Raum in uns!
Leutnant den Fähnrich aufwiegt, die Untreue Adele 4
Erkenntnis in den Schoß gefallen, da sie, nebst Mu##
— Liebe und Trug . . . Treue und Treulosigkeit ...
der Leichtfertigkeit Genias die Wage hält, so ist auch
und Bruder, gleich dem Husarenleutnant und Mari
ein Ehe= und Ehrenmann des andern wert. Die Anbetung für die eine und Verlangen nach einer andern
fähnrich zu den Tennisgästen seines wunderhübsch
oder nach mehreren. Wir versuchen wohl Ordnung in
Gleichung stimmt. Die beleidigten Beleidiger ergebes
Landhauses gehört. Welche Gärung des Gemüts t#
uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung ist
sich mit Heroismus in ihr Schicksal. Der Empfin
ihn plötzlich aus den vielen Armen, die dem angegrau
doch nur etwas Künstliches . . . das Natürliche ..
lichere ist Natter. Einen Schuft darf ihn Hofreit¬
unwiderstehlichen Tennissieger offenstehen, in
nicht nennen, das verträgt er nicht, in diesem Punit ist das Chacs. Ja, mein guter Hofreiter, die Seele ...
Dolomiten? Das ist nicht so leicht zu ermitteln. We
ist ein weites Land, wie ein Dichter es einmal aus¬
ist er kitzlich, und der Freund muß das sich ihm auf die
wir ihm glauben dürfen, und er selbst, der Soph
drückte. ... Es kann übrigens auch ein Hoteldirektor
Lippen drängende Wort immer wieder hinunter¬
Ironiker und Lügner, warnt uns, es zu tun, so###
schlucken, wenn er von Natter, der sich nicht schlägt, gewesen sein.“ Und der gute Hofreiter erwidert ihm
die extemporierte kurze Reise nicht nur das Präludi#
keine Ohrfeigen einheimsen will. Der Bankier holt darauf: „Der Hoteldirektor hat nicht so unrecht.
zu der langen Amerikafahrt, für die er sich rüs
ja. — Das Malheur war im Grunde nur, daß Ihre
aus, läßt den Arm sinken und verrät sein Geheimnis:
er kann sich von seiner Frau nicht losmachen, weil er Gattin Ihnen daraufgekommen ist. Sonst wären Sie sondern eine Flucht vor den Gespenstern sei
rettungslos in sie verliebt ist — eine ganze Schwadron vielleicht heute noch die glücklichsten Eheleute.“ Merk=1 reizenden Badner Sommerfrische. Seine eigene ##