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Land
W
24. Das
G Krog. der
Dann gingen sie in den Wald. Der Sägemüller zeichnete
7
die zwanzig schönsten Bäume an und sagte:
„Wott, tas sind tie ssu winf Rubel ter Waden.“
Es waren aber die stärksten Lärchen im Wald, jede
gut ihre dreiviertel Faden Holz. Fünfzehn Faden zu fünf
Rubel.
Und dann sagte der Sägemüller:
„Nu scheen, jetzt gommen Stämme ssu swanssig Rubel
ter Waden.“
Und zeichnete zwanzig armselige, fingerdicke Staketen
von Stämmchen an, von denen zwanzig zusammen erst
einen viertel Faden machten. Ein viertel Faden — der
Faden zu zwanzig Rubel.
Nein, mit dem Sägemüller von Errestfer hat der Kiwwi¬
küllsche nie wieder gehandelt.
E8
Wiener Theater-Bericht
ES
ES
(Oktober.)
S2
S2
Burgtheater. „Das weite Land“ eine Tragikomödie
von Artur Schnitzler. Das Natürliche ist das Chaos —
in diesem Wort faßt der Dichter das Leitmotiv seines Werkes
zusammen. Wir versuchen in dem weiten Land unserer
Seele Ordnung zu schaffen, aber diese Ordnung ist etwas
Künstliches, der erotische Instinkt geht unbeirrt seine will¬
kürlichen Bahnen. In dem Geschick von drei Ehen zeigt
Sch. die endlosen Varianten der Liebesleidenschaft: da ist
zuerst die Ehe Aigner. Tiefste, verstehendste Liebe vereint
die Gatten. Und doch betrügt er sie. Warum? Weil
die Menschen unverständlich kompliziert sind. Dann beichtet
er ihr in tiefer Wahrhaftigkeit und die zwei Menschen
müssen auseinander. Müssen. Gerade weil sie sich wirklich
lieben. Dieser Zug ist schön, echt poetisch und lebenswahr
zugleich. Dann sehen wir die Ehe Natter. Beide sind Genießer,
Durchschnittsmenschen. Er weiß sich von seiner Frau be¬
trogen, aber er schließt beide Augen, denn die Scheidung
— 37 —
Land
W
24. Das
G Krog. der
Dann gingen sie in den Wald. Der Sägemüller zeichnete
7
die zwanzig schönsten Bäume an und sagte:
„Wott, tas sind tie ssu winf Rubel ter Waden.“
Es waren aber die stärksten Lärchen im Wald, jede
gut ihre dreiviertel Faden Holz. Fünfzehn Faden zu fünf
Rubel.
Und dann sagte der Sägemüller:
„Nu scheen, jetzt gommen Stämme ssu swanssig Rubel
ter Waden.“
Und zeichnete zwanzig armselige, fingerdicke Staketen
von Stämmchen an, von denen zwanzig zusammen erst
einen viertel Faden machten. Ein viertel Faden — der
Faden zu zwanzig Rubel.
Nein, mit dem Sägemüller von Errestfer hat der Kiwwi¬
küllsche nie wieder gehandelt.
E8
Wiener Theater-Bericht
ES
ES
(Oktober.)
S2
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Burgtheater. „Das weite Land“ eine Tragikomödie
von Artur Schnitzler. Das Natürliche ist das Chaos —
in diesem Wort faßt der Dichter das Leitmotiv seines Werkes
zusammen. Wir versuchen in dem weiten Land unserer
Seele Ordnung zu schaffen, aber diese Ordnung ist etwas
Künstliches, der erotische Instinkt geht unbeirrt seine will¬
kürlichen Bahnen. In dem Geschick von drei Ehen zeigt
Sch. die endlosen Varianten der Liebesleidenschaft: da ist
zuerst die Ehe Aigner. Tiefste, verstehendste Liebe vereint
die Gatten. Und doch betrügt er sie. Warum? Weil
die Menschen unverständlich kompliziert sind. Dann beichtet
er ihr in tiefer Wahrhaftigkeit und die zwei Menschen
müssen auseinander. Müssen. Gerade weil sie sich wirklich
lieben. Dieser Zug ist schön, echt poetisch und lebenswahr
zugleich. Dann sehen wir die Ehe Natter. Beide sind Genießer,
Durchschnittsmenschen. Er weiß sich von seiner Frau be¬
trogen, aber er schließt beide Augen, denn die Scheidung
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