II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 146

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24. Da
veite Lan¬
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würde die Störung seiner frohen Lebenslaune bedeuten. Das
ist nicht schön, aber leider wahr. Und endlich die Ehe Hof¬
reiter, deren Schicksal im Vordergrunde steht. Er, ein dä¬
monischer Frauengewinner, dessen Philosophie darin gipfelt,
daß nur im Liebesgenuß das starke Leben liegt — der
Beruf, der Ehrgeiz, die menschliche Kullur sind Pausen.
Seine Frau ist tugendhaft, mit dem ästhetischen Reinlich¬
keitsgefühl der Tugend. Ein Bewerber, den sie abweist, er¬
schießt sich. Ihr Galte dankt ihr ihr keusches Versagen nicht.
Ihm ist sie eine Mörderin. Diese Auffassung wirkt auf sie
wie eine drosselnde Faust. Und als ein zweiter Liebhaber
zu ihren Füßen fleht, erhört sie ihn. Zagend, unfroh, aber
sie erhört ihn. Und da geschieht das Unerwartete. Hofreiter,
der Skeptiker, der Lehrer des fessellasen Genusses, der
Prediger unbändiger erotischer Freihen, verfällt — fast wider
Willen — in die Allüren eines altmodischen Rächers der
Ehre, er erschießt den Geliebten seiner Frau im Zweikampf.
„Man will doch schließlich nicht der Hupf sein“, so motiviert
er seine Gewalttat. Schnitzler hat die Geschichte dieser drei
Ehen zu einem erschütternden Drama verknüpft. Es ist ein
grausam kalter Spiegel, den diese Tragikomödie, in der der
Tod aus dem spielend eleganten Dialog hervorgrinst, unserm
frivolen Wienertum vorhält. Sch. will hier eine gewaltige
Lektion geben; wohl denen, die ihn verstehen und heraus¬
fühlen, daß alle diese Marionetten an unsichtbaren Fäden
hängen und daß der Handzug des Schicksals sie schließlich
zur Ordnung zwingt, die sie aus ihrem eigenen Innern heraus
nicht herzustellen vermögen. Nach dieser Kraftprobe wird
man Schnitzler unter die Klassiker der erotischen Literatur
einreihen müssen.
Karltheater. „Die kleine Freundin.“ Operette von
Leo Stein und A. M. Willner, Musik von Oskar Strauß.
Das Werk ist unter die Kategorie des „Musikschwankes“ ein¬
zureihen. Damit soll gesagt sein, daß das Buch sich in den
ausgefahrenen Bahnen des lustigen (?) Unsinns bewegt, denen
sich die moderne Wiener Operette schon entwachsen fühlt.
Bedauerlich ist nur, daß der berü mte Komponist, offenbar
durch das seichte Libretto wenig angeregt, von seiner frisch
quellenden Erfindungsgabe häulig im Stiche gelassen wurde.
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