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24. Das we116
JSIG
Gtu. 46. J6.44
21.
lichen Erna, die anscheinend eine krankhafte Ab¬
neigung vor jedem Geliebten mit reellen Ab¬
Theater und Mafn.
sichten hat, dem diabolischen Herrn Hofreiter
J. K. Im Lessing=Theater wurde gestern
aber „überallhin folgen“ will, nachdem er den
(Sonnabend) Artur Schnitzlers neuestes Werk,
Liebhaber seiner Frau so heldenhaft beseitigt.
die fünfaktige Tragikomödie „Das weite
Leider ist Schnitzler auch in dem überreichlichen!
Land“ mit jener Freundlichkeit aufgenommen,
Beiwerk des Fünfakters nicht der alte, liebens¬
die weniger beweist, daß man ein Stück als seinen
würdige und unterhaltsame Canseur. Er gibt
Autor zu schätzen weiß. Und wenn auch jeg¬
viel Bonmots aus zweiter Hand; flache Tief¬
licher Enthusiasmus ausblieb, als Brahm im
finnigkeit und die frohe Laune in den heiteren
Namen des von der Prager Premiere abge¬
Momenten kommt ihm nicht recht von Herzen.
haltenen Schnitzler dankte, so wahrte man doch
Die Darstellung tat alles, um dem Stück zu
auch hier standhaft die freundliche Haltung. Und
nützen. Heinz Monnard gab seinem Friedrich
das war im Grunde gar nicht so leicht, denn diese
Hofreiter Scharfe und Fülle der Charakteristik
fünfaktige Tragikomödie, deren bedauerliche
und war mit voller Aufbietung seiner reichen
Länge in bedenklichem Gegensatz zu ihrem arm¬
schauspielerischen Mittel bemüht, uns einen
seligen Inhalt steht, bürdet den Zuhörern eine
außergewöhnlichen Menschen, einen interessanten
nicht immer leicht zu tragende Last von Worten
Mann, ein eigenartiges Musterexemplar aus den
auf und windet sich so mühselig und umständlich
rätselbaften Gesilden des „weiten Landes“
durch ein dichtes Gestrüpp von Ueberflüssigkeiten
vorzuführen.
Menschlich näher aber brachte
dem Ziele zu, daß das tragische Ende auf müde
er
uns den traurigen Helden ebenso¬
und gleichgültige Stimmung stößt. Was Schnitzler
wenig, wie Hilde Herterich mit
all
mit diesem anstrengenden Ritt ins „weite Land“
ihrem Streben nach
Wahrhaftigkeit
die
sagen will, errät man im dritten Akt, als ein
Erna, und Irene Trieschs reife Kunst die zwi¬
lebensweiser Hoteldirektor in einer der vielen
schen Entsagung und Revanchegelüsten schwanke
strapaziösen Auseinandersetzungen des Stückes
Frau Hofreiter. Dem jungen Marine=Fähnrich
darauf hinweist, daß die Seele ein „weites
verlieh Kurt Stieler nach Möglichkeit warme
Land“ sei. Es liegt also wohl in der
Empfindung, den bravsten Menschen der Komö¬
Absicht dieser Dichtung, uns mit etlichen
die einen ehrlichen Doktor und Freund, spielte
Menschen bekanntzumachen, deren Empfin¬
Hans Marr mit seiner wohltuenden ehrlichen
dungsleben uns möglichst kompliziert erscheint.
Gradheit. Ilka Grüning und Mathilde Sussin,
Das ist
dem Autor denn auch reichlich
Emanuel Reicher, Karl Forest, Bruno Ziener
gelungen; schade nur, daß diese absichtlichen
spielten die bedeutenderen Episoden des von
Wunderlichkeiten sich so schlecht mit den Lebens¬
Emil Lessing inszenierten Stückes, dem man
bedingungen und — was noch schlimmer ist —
einen außergewöhnlich reichen dekorativen Rah¬
men verliehen.
mit der Unterhaltsamkeit eines Dramas ver¬
tragen. Dieser Herr Friedrich Hofreiter, der in
*
der unverschämtesten Weise hübsche Weiber und
Ueber die Aufnahme des Stückes im Wiener
Mädchen abküßt und seiner Frau das kleine Ver¬
Burgtheater erhalten wir das nachstehende Pri¬
gnügen der bescheidenen Revanche nicht gönnt,
vattelegramm:
sondern den ersten Jüngling, dem sie das Fenster
Wien, 14. Oktober, 11 Uhr 35 Min. nachts.
ihres Schlafgemachs öffnet, in einem schleunigst
herbeigeführten Duell herzlos niederknallt, mag
(Von unserem hl.=Korrespondenten.)
ein sehr geeigneter Held für einen psychologischen
Im Wiener Burgtheater fand der neue Schnitz¬
Roman in dem neuerdings so beliebten Umfang
ler einen von Akt zu Akt steigenden Erfolg, der
sein, auf der Bühne kann er reden, so viel er
um so höher anzuschlagen ist, als die Scherze, mit
will, er bleibt uns fremd und fällt schließlich auf
denen Schnitzler gerade jenem Teil der Wiener
die Nerven. Damit fällt aber auch das ganze
Gesellschaft, der in den Logen und im Parkett
Stück, denn es gibt neben diesem so unsagbar
maßgebend ist, den Spiegel ihres erotischen und
erkünstelt anmutenden Konflikt in den langen
Ehelebens vorhalten will, immerhin gerade bei
fünf Akten keine Spur einer anderen Handlung,
der Wiener Erstaufführung eine Gefahr be¬
eines anderen Konfliktes, die zu interessieren ver¬
deutete. Die Leistung des Burgtheaters war die
möchte. Man findet kaum Beziehungen zu
beste, die man in den letzten Jahren er¬
Menschen und Dingen einer Komödie, die so
lebt hat. Die Regie hat Schnitzler mit
völlig auf Spitzfindigkeiten gestellt ist und ihre
Hugo Thimig selbst geführt. In der Rolle des
Tragik ebenso mühselig aus mehr oder
Fabrikanten Hofreiter spielte sich Arnold Korff,
minder geistvollen Bemerkungen zusammenträgt,
der vom Berliner Theater her bekannt ist, mit
wie sie die wenigen äußerlichen Geschehnisse her¬
einer gewaltigen schauspielerischen Leistung in
beizwingt. Und die Art, wie Frau Genia Hof¬
die allererste Reihe. Die Genia spielte Fräulein
reiter, die Mutter eines schon leidlich heran¬
Marberg anständig und tüchtig, aber uninter¬
gewächsenen Jünglings, sich im Zwischenalt in
essant, die Erna Fräulein Hofteufel ausgezeich¬
dem blutjungen Marinefähnrich einen Geliebten
net. Auch die kleinste Rolle war mit den ersten
zulegt, der regelmäßig auf dem Wege durchs
Darstellern besetzt. Die Gesamtwirkung des
Fenster mit ihr verkehrt, trägt ebenso zu dem
Stückes kann als sehr stark bezeichnet werden.
wenig erfreulichen Eindruck des Ganzen bei wie
Vom 2. Akt an konnte sich der Dichter wiederholt
die „komplizierte“ Mädchengestalt der begehr= bedanken.
Auch in zahlreichen anderen Städten fand die
Tragikomödie gestern bei ihrer Erstaufführung,
Privattelegrammen zufolge, reichen
Beifall, so im Hamburger Deutschen Schauspiel¬
haus, in der Schauburg zu Hannover und in
Prag, wo der Autor nach dem vierten Akt er¬
scheinen konnte. In Leipzig dagegen war der
Beifall nur schwach.
24. Das we116
JSIG
Gtu. 46. J6.44
21.
lichen Erna, die anscheinend eine krankhafte Ab¬
neigung vor jedem Geliebten mit reellen Ab¬
Theater und Mafn.
sichten hat, dem diabolischen Herrn Hofreiter
J. K. Im Lessing=Theater wurde gestern
aber „überallhin folgen“ will, nachdem er den
(Sonnabend) Artur Schnitzlers neuestes Werk,
Liebhaber seiner Frau so heldenhaft beseitigt.
die fünfaktige Tragikomödie „Das weite
Leider ist Schnitzler auch in dem überreichlichen!
Land“ mit jener Freundlichkeit aufgenommen,
Beiwerk des Fünfakters nicht der alte, liebens¬
die weniger beweist, daß man ein Stück als seinen
würdige und unterhaltsame Canseur. Er gibt
Autor zu schätzen weiß. Und wenn auch jeg¬
viel Bonmots aus zweiter Hand; flache Tief¬
licher Enthusiasmus ausblieb, als Brahm im
finnigkeit und die frohe Laune in den heiteren
Namen des von der Prager Premiere abge¬
Momenten kommt ihm nicht recht von Herzen.
haltenen Schnitzler dankte, so wahrte man doch
Die Darstellung tat alles, um dem Stück zu
auch hier standhaft die freundliche Haltung. Und
nützen. Heinz Monnard gab seinem Friedrich
das war im Grunde gar nicht so leicht, denn diese
Hofreiter Scharfe und Fülle der Charakteristik
fünfaktige Tragikomödie, deren bedauerliche
und war mit voller Aufbietung seiner reichen
Länge in bedenklichem Gegensatz zu ihrem arm¬
schauspielerischen Mittel bemüht, uns einen
seligen Inhalt steht, bürdet den Zuhörern eine
außergewöhnlichen Menschen, einen interessanten
nicht immer leicht zu tragende Last von Worten
Mann, ein eigenartiges Musterexemplar aus den
auf und windet sich so mühselig und umständlich
rätselbaften Gesilden des „weiten Landes“
durch ein dichtes Gestrüpp von Ueberflüssigkeiten
vorzuführen.
Menschlich näher aber brachte
dem Ziele zu, daß das tragische Ende auf müde
er
uns den traurigen Helden ebenso¬
und gleichgültige Stimmung stößt. Was Schnitzler
wenig, wie Hilde Herterich mit
all
mit diesem anstrengenden Ritt ins „weite Land“
ihrem Streben nach
Wahrhaftigkeit
die
sagen will, errät man im dritten Akt, als ein
Erna, und Irene Trieschs reife Kunst die zwi¬
lebensweiser Hoteldirektor in einer der vielen
schen Entsagung und Revanchegelüsten schwanke
strapaziösen Auseinandersetzungen des Stückes
Frau Hofreiter. Dem jungen Marine=Fähnrich
darauf hinweist, daß die Seele ein „weites
verlieh Kurt Stieler nach Möglichkeit warme
Land“ sei. Es liegt also wohl in der
Empfindung, den bravsten Menschen der Komö¬
Absicht dieser Dichtung, uns mit etlichen
die einen ehrlichen Doktor und Freund, spielte
Menschen bekanntzumachen, deren Empfin¬
Hans Marr mit seiner wohltuenden ehrlichen
dungsleben uns möglichst kompliziert erscheint.
Gradheit. Ilka Grüning und Mathilde Sussin,
Das ist
dem Autor denn auch reichlich
Emanuel Reicher, Karl Forest, Bruno Ziener
gelungen; schade nur, daß diese absichtlichen
spielten die bedeutenderen Episoden des von
Wunderlichkeiten sich so schlecht mit den Lebens¬
Emil Lessing inszenierten Stückes, dem man
bedingungen und — was noch schlimmer ist —
einen außergewöhnlich reichen dekorativen Rah¬
men verliehen.
mit der Unterhaltsamkeit eines Dramas ver¬
tragen. Dieser Herr Friedrich Hofreiter, der in
*
der unverschämtesten Weise hübsche Weiber und
Ueber die Aufnahme des Stückes im Wiener
Mädchen abküßt und seiner Frau das kleine Ver¬
Burgtheater erhalten wir das nachstehende Pri¬
gnügen der bescheidenen Revanche nicht gönnt,
vattelegramm:
sondern den ersten Jüngling, dem sie das Fenster
Wien, 14. Oktober, 11 Uhr 35 Min. nachts.
ihres Schlafgemachs öffnet, in einem schleunigst
herbeigeführten Duell herzlos niederknallt, mag
(Von unserem hl.=Korrespondenten.)
ein sehr geeigneter Held für einen psychologischen
Im Wiener Burgtheater fand der neue Schnitz¬
Roman in dem neuerdings so beliebten Umfang
ler einen von Akt zu Akt steigenden Erfolg, der
sein, auf der Bühne kann er reden, so viel er
um so höher anzuschlagen ist, als die Scherze, mit
will, er bleibt uns fremd und fällt schließlich auf
denen Schnitzler gerade jenem Teil der Wiener
die Nerven. Damit fällt aber auch das ganze
Gesellschaft, der in den Logen und im Parkett
Stück, denn es gibt neben diesem so unsagbar
maßgebend ist, den Spiegel ihres erotischen und
erkünstelt anmutenden Konflikt in den langen
Ehelebens vorhalten will, immerhin gerade bei
fünf Akten keine Spur einer anderen Handlung,
der Wiener Erstaufführung eine Gefahr be¬
eines anderen Konfliktes, die zu interessieren ver¬
deutete. Die Leistung des Burgtheaters war die
möchte. Man findet kaum Beziehungen zu
beste, die man in den letzten Jahren er¬
Menschen und Dingen einer Komödie, die so
lebt hat. Die Regie hat Schnitzler mit
völlig auf Spitzfindigkeiten gestellt ist und ihre
Hugo Thimig selbst geführt. In der Rolle des
Tragik ebenso mühselig aus mehr oder
Fabrikanten Hofreiter spielte sich Arnold Korff,
minder geistvollen Bemerkungen zusammenträgt,
der vom Berliner Theater her bekannt ist, mit
wie sie die wenigen äußerlichen Geschehnisse her¬
einer gewaltigen schauspielerischen Leistung in
beizwingt. Und die Art, wie Frau Genia Hof¬
die allererste Reihe. Die Genia spielte Fräulein
reiter, die Mutter eines schon leidlich heran¬
Marberg anständig und tüchtig, aber uninter¬
gewächsenen Jünglings, sich im Zwischenalt in
essant, die Erna Fräulein Hofteufel ausgezeich¬
dem blutjungen Marinefähnrich einen Geliebten
net. Auch die kleinste Rolle war mit den ersten
zulegt, der regelmäßig auf dem Wege durchs
Darstellern besetzt. Die Gesamtwirkung des
Fenster mit ihr verkehrt, trägt ebenso zu dem
Stückes kann als sehr stark bezeichnet werden.
wenig erfreulichen Eindruck des Ganzen bei wie
Vom 2. Akt an konnte sich der Dichter wiederholt
die „komplizierte“ Mädchengestalt der begehr= bedanken.
Auch in zahlreichen anderen Städten fand die
Tragikomödie gestern bei ihrer Erstaufführung,
Privattelegrammen zufolge, reichen
Beifall, so im Hamburger Deutschen Schauspiel¬
haus, in der Schauburg zu Hannover und in
Prag, wo der Autor nach dem vierten Akt er¬
scheinen konnte. In Leipzig dagegen war der
Beifall nur schwach.