box 28/4
24. Das weiteLand
##araminm mun Min An
die Liebesbeziehungen zur leichtlebigen Frau eines
Bankiers löst oder gar brutal durchschneidet und
schon im Begrisfe steht, sich das Mädchen
zu erstürmen, das sein Freund schüchtern liebt
und heiraten will, quält er sich noch mit der
posthumen Eifersucht und den überspitzten Tüfteleien
über den Anteil seiner Frau an diesem Selbstmord.
Während er selbst von einem Liebesabenteuer heim¬
Kehrt, entdeckt er, daß seine Frau endlich sich zu einer
Art Liebesrevanche entschlossen und sie ins Werk
gesetzt
hat.
rfordert den Begünstigten,
hhne daß Eifersucht, ohne daß Liebe oder
Haß im Spiele ist, fordert ihn, erschießt ihn. Ueber
die Frau hinweg, über die Geliebte hinweg, die sich
ihm eben geopfert und die er nun abschüttelt, will er
sich erst dem Richter stellen und danach von dannen
ziehen, in die neue Welt. Die Zärtlichkeit, mit der
er indes beim Schlußwort dem kleinen Sohn ent¬
gegeneilt, der eben aus England heimkehrt, läßt
fast die Vermutung zu, daß vielleicht doch noch
eine Vereinigung, eine Versöhnung möglich ist. Wer
will sich so sicher auskennen im weiten Land der
Menschenseele! Vollends sinds, wie gesagt, so viele
„weite Länder“ die mit gleichem Anspruch auf Durch¬
querung und Erforschung vor uns erscheinen. Da ist
neben dem überlegen=rücksichtslosen Helden die kompli¬
zierte und ungewöhnlich feinnervige Gattin, die zwischen
fortdauernder Liebe, Resignation, Stolz und Rache¬
gelüst oder wie sie
lieber sagt, Revanchelust
vendelt, da
das
900
junge
Wr
Mädchen von
stolzem Charakter= und klarem Verantwortlichkeitge¬
fühl, das sich der leisaufdämmernden stillen Neigung
entreißt, um sich einem wilderen Liebesrausch hinzu¬
geben, da ist die rührendste Gestalt, die Schauspielerin
Meinhold=Aigner, die ihren Gatten verließ, als er
aus seinen Liebeswirren sich nicht recht zu ihr zurück¬
finden konnte, die nun in ihrem Sohn, dem blühenden
Marinefähnrich ihr Glück, ihre Welt,
alles sieht, und doch immer wieder erkennt,
daß nur
Eltern den Kindern gehören,
Verling Dörsen Courier, Berlin
nicht die Kinder den Eltern. Rührend ist sie im Kampf
mit sich selbst als sie die Liebesbeziehungen ihres
—cednane
Sohnes zur Freundin erkennt und noch nicht recht
weiß soll sie Genia dafür lieben oder hassen. Dal
Doch wozu die allzureiche Galerie auch hier
*
vorbeidesilieren lassen? Genug, das Stück hat
keine Hauptperson auf die unser Interesse sich richten!
PO#t
elkann, weil es
viel Hauptpersonen hat,
Vor den Kulissen.
hat keine Handlung, die unsere Aufmerksam¬
Im Lessing=Theater und zu gleicher Stunde an
keit fesselt, weil es zu vielerlei Handlungen hat.
einem guten Dützend anderer Bühnen ist gestern abend
Eine Sprache von seinem und edlem Schliff und
Arthur Schnitzlers Tragikomödie in Szene ge¬
originellen, aufrührerischen Gedanken darf man von
gangen.— eine ganze, dunte Musterkarte von Erfolgs¬
Schnitzler immer erwarten
aber auch an zu viel
berichten liegt heute dem glücklichen Verfasser
Sprache leidet das Stück. Die Gespräche sind z
vor, der die ganze Skala der Autorfreuden
breit, die psychologischen Erörterungen zu redselig und
durchkosten kann, vom freudigen Triumph bis
neben originellen Einfällen laufen auch banale mit
zum lauwarmen Achtungserfolg.
Unter diesen
unter oder bedenkliche Wendungen wie etwa „auch
immerhin noch nicht unbehaglichen Temperaturgrad
Söhne werden einmal Männer“ — ja wer denn
wird die Aufnahme sicherlich nirgends sinken. Nicht
sonst?
um des Werkes, aber doch um des Verfassers willen.
Das Lessingtheater hatte dem Werke eine über¬
Auch im Lessing=Theater hatten wir es gestern Abend
raschend reiche und geschmackvolle Ausstattung gewid¬
zuerst nicht mit einem Erfolg der Tragikomödie,
met. Besonders war das prächtige Hotel=Vestibül ein
sondern mit einem Schnitzler=Erfolg zu tun. Der kleines Dekorationswunder und Emil Lessings
Beifall galt zunächst nicht der Novität, sondern den
Regie belebte dieses Bild, das zur Begrüßung des
älteren Werken, galt nicht der neuen Dichtung sondern,
Berlin
Gastwirtstags in
internationalen
trotz der neuen Dichtung dem Verfasser und seinem
überaus wirksam.
Uns fiel
schaffen schien,
hoch in verdientem Ansehen stehenden bisherigen
daß die Darsteller in
wichtigeren
Inur auf,
Schaffen. Man klatschte Literaturgeschichte. Erst Gruppenszenen allzu opernhaft die volle Front nach
vom dritten Akte an brach die Teilnahme auch für
dem Zuschauerraum richteten. Wie Irene Triesch,
das neue Werk, für die Tragikomödie und ihre Helden
die das Haus froh wieder begrüßt hat, eine kompli¬
durch, und der Schlußbeifall, für den Doktor Brahm
zieate Frauennatur zu gestalten, zu durchleuchten ver¬
mit wenigen Worten im Namen des Verfassers
mag, wie niobidenhaft Blick und Miene uns ihre
dankte, galt schon gleichermaßen dem Verfasser, dem
Gemütswirrnis oder Pein fühlbar machen kann,
Stück und der Aufführung.
wieviel Seele ihren Ton durchwehen kann, indes ihre
Die Tragikomödie leidet zunächst stark unter ihrer
Haltung die volle Ruhe bewahrt, das zeigte sich gestern
Fünfaktigkeit. Allem Anschein nach ursprünglich als
i er. Herr Monnard wußte die stillgebändigte
Roman, als Erzählung gedacht oder gar entworfen ! Kraftnatur des Hofreiter ohne zu großen Aufwand
und später erst der dramatischen Form zugeführt, istl an Mitteln glaubhaft zu machen. Emanuel Reicher
dieses „weite Land“ ganz dazu angetan, d
gab eine verwandte Herrennatur mit vornehmer,
sich
verwirren und verirren zu
Besucher
ruhiger Ueberlegenheit. Fri. Sussin traf den
Ein
lassen.
breit angelegtes, sigurenreiches
geschiedene
abgeklärter Resignation als
Ton
Bild rollt Schnitzler hier vor uns auf, inSchauspielerin, Hans Marr bewährte sich auch in
dem nur die Mittelgruppe lange zu fehlen der Rolle eines schüchternen Liebhabers, Fräulein
scheint, der Punkt, auf den die ganze Aufmerksamkeit] Herterich erhob sich zu kühner Leidenschaft in der
sich richten kann. Die Seele ist das weite Land, Liebesszene, Herr Forest, Frl. Grüning, Fro¬
durch das Schnitzler uns führt, aber zu vielerleijböse boten seinausgeführte Chargen — die zu vielen!
Seelen scheinen sich erschließen zu wollen, und so guten Rollen zeigen wieder die Mängel des Stücks.
können wir uns in keinem „weiten Land“ recht um¬
Das Haus, kühl achtungsvoll erst, dann sehr un¬
schauen. Ueberdies ist der Dichter mehr Erklärer als geduldig und unruhig, erwärmte sich schließlich doch
24. Das weiteLand
##araminm mun Min An
die Liebesbeziehungen zur leichtlebigen Frau eines
Bankiers löst oder gar brutal durchschneidet und
schon im Begrisfe steht, sich das Mädchen
zu erstürmen, das sein Freund schüchtern liebt
und heiraten will, quält er sich noch mit der
posthumen Eifersucht und den überspitzten Tüfteleien
über den Anteil seiner Frau an diesem Selbstmord.
Während er selbst von einem Liebesabenteuer heim¬
Kehrt, entdeckt er, daß seine Frau endlich sich zu einer
Art Liebesrevanche entschlossen und sie ins Werk
gesetzt
hat.
rfordert den Begünstigten,
hhne daß Eifersucht, ohne daß Liebe oder
Haß im Spiele ist, fordert ihn, erschießt ihn. Ueber
die Frau hinweg, über die Geliebte hinweg, die sich
ihm eben geopfert und die er nun abschüttelt, will er
sich erst dem Richter stellen und danach von dannen
ziehen, in die neue Welt. Die Zärtlichkeit, mit der
er indes beim Schlußwort dem kleinen Sohn ent¬
gegeneilt, der eben aus England heimkehrt, läßt
fast die Vermutung zu, daß vielleicht doch noch
eine Vereinigung, eine Versöhnung möglich ist. Wer
will sich so sicher auskennen im weiten Land der
Menschenseele! Vollends sinds, wie gesagt, so viele
„weite Länder“ die mit gleichem Anspruch auf Durch¬
querung und Erforschung vor uns erscheinen. Da ist
neben dem überlegen=rücksichtslosen Helden die kompli¬
zierte und ungewöhnlich feinnervige Gattin, die zwischen
fortdauernder Liebe, Resignation, Stolz und Rache¬
gelüst oder wie sie
lieber sagt, Revanchelust
vendelt, da
das
900
junge
Wr
Mädchen von
stolzem Charakter= und klarem Verantwortlichkeitge¬
fühl, das sich der leisaufdämmernden stillen Neigung
entreißt, um sich einem wilderen Liebesrausch hinzu¬
geben, da ist die rührendste Gestalt, die Schauspielerin
Meinhold=Aigner, die ihren Gatten verließ, als er
aus seinen Liebeswirren sich nicht recht zu ihr zurück¬
finden konnte, die nun in ihrem Sohn, dem blühenden
Marinefähnrich ihr Glück, ihre Welt,
alles sieht, und doch immer wieder erkennt,
daß nur
Eltern den Kindern gehören,
Verling Dörsen Courier, Berlin
nicht die Kinder den Eltern. Rührend ist sie im Kampf
mit sich selbst als sie die Liebesbeziehungen ihres
—cednane
Sohnes zur Freundin erkennt und noch nicht recht
weiß soll sie Genia dafür lieben oder hassen. Dal
Doch wozu die allzureiche Galerie auch hier
*
vorbeidesilieren lassen? Genug, das Stück hat
keine Hauptperson auf die unser Interesse sich richten!
PO#t
elkann, weil es
viel Hauptpersonen hat,
Vor den Kulissen.
hat keine Handlung, die unsere Aufmerksam¬
Im Lessing=Theater und zu gleicher Stunde an
keit fesselt, weil es zu vielerlei Handlungen hat.
einem guten Dützend anderer Bühnen ist gestern abend
Eine Sprache von seinem und edlem Schliff und
Arthur Schnitzlers Tragikomödie in Szene ge¬
originellen, aufrührerischen Gedanken darf man von
gangen.— eine ganze, dunte Musterkarte von Erfolgs¬
Schnitzler immer erwarten
aber auch an zu viel
berichten liegt heute dem glücklichen Verfasser
Sprache leidet das Stück. Die Gespräche sind z
vor, der die ganze Skala der Autorfreuden
breit, die psychologischen Erörterungen zu redselig und
durchkosten kann, vom freudigen Triumph bis
neben originellen Einfällen laufen auch banale mit
zum lauwarmen Achtungserfolg.
Unter diesen
unter oder bedenkliche Wendungen wie etwa „auch
immerhin noch nicht unbehaglichen Temperaturgrad
Söhne werden einmal Männer“ — ja wer denn
wird die Aufnahme sicherlich nirgends sinken. Nicht
sonst?
um des Werkes, aber doch um des Verfassers willen.
Das Lessingtheater hatte dem Werke eine über¬
Auch im Lessing=Theater hatten wir es gestern Abend
raschend reiche und geschmackvolle Ausstattung gewid¬
zuerst nicht mit einem Erfolg der Tragikomödie,
met. Besonders war das prächtige Hotel=Vestibül ein
sondern mit einem Schnitzler=Erfolg zu tun. Der kleines Dekorationswunder und Emil Lessings
Beifall galt zunächst nicht der Novität, sondern den
Regie belebte dieses Bild, das zur Begrüßung des
älteren Werken, galt nicht der neuen Dichtung sondern,
Berlin
Gastwirtstags in
internationalen
trotz der neuen Dichtung dem Verfasser und seinem
überaus wirksam.
Uns fiel
schaffen schien,
hoch in verdientem Ansehen stehenden bisherigen
daß die Darsteller in
wichtigeren
Inur auf,
Schaffen. Man klatschte Literaturgeschichte. Erst Gruppenszenen allzu opernhaft die volle Front nach
vom dritten Akte an brach die Teilnahme auch für
dem Zuschauerraum richteten. Wie Irene Triesch,
das neue Werk, für die Tragikomödie und ihre Helden
die das Haus froh wieder begrüßt hat, eine kompli¬
durch, und der Schlußbeifall, für den Doktor Brahm
zieate Frauennatur zu gestalten, zu durchleuchten ver¬
mit wenigen Worten im Namen des Verfassers
mag, wie niobidenhaft Blick und Miene uns ihre
dankte, galt schon gleichermaßen dem Verfasser, dem
Gemütswirrnis oder Pein fühlbar machen kann,
Stück und der Aufführung.
wieviel Seele ihren Ton durchwehen kann, indes ihre
Die Tragikomödie leidet zunächst stark unter ihrer
Haltung die volle Ruhe bewahrt, das zeigte sich gestern
Fünfaktigkeit. Allem Anschein nach ursprünglich als
i er. Herr Monnard wußte die stillgebändigte
Roman, als Erzählung gedacht oder gar entworfen ! Kraftnatur des Hofreiter ohne zu großen Aufwand
und später erst der dramatischen Form zugeführt, istl an Mitteln glaubhaft zu machen. Emanuel Reicher
dieses „weite Land“ ganz dazu angetan, d
gab eine verwandte Herrennatur mit vornehmer,
sich
verwirren und verirren zu
Besucher
ruhiger Ueberlegenheit. Fri. Sussin traf den
Ein
lassen.
breit angelegtes, sigurenreiches
geschiedene
abgeklärter Resignation als
Ton
Bild rollt Schnitzler hier vor uns auf, inSchauspielerin, Hans Marr bewährte sich auch in
dem nur die Mittelgruppe lange zu fehlen der Rolle eines schüchternen Liebhabers, Fräulein
scheint, der Punkt, auf den die ganze Aufmerksamkeit] Herterich erhob sich zu kühner Leidenschaft in der
sich richten kann. Die Seele ist das weite Land, Liebesszene, Herr Forest, Frl. Grüning, Fro¬
durch das Schnitzler uns führt, aber zu vielerleijböse boten seinausgeführte Chargen — die zu vielen!
Seelen scheinen sich erschließen zu wollen, und so guten Rollen zeigen wieder die Mängel des Stücks.
können wir uns in keinem „weiten Land“ recht um¬
Das Haus, kühl achtungsvoll erst, dann sehr un¬
schauen. Ueberdies ist der Dichter mehr Erklärer als geduldig und unruhig, erwärmte sich schließlich doch