II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 195

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24. Das ueiteLand
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gehören können, so viele auch sich ihnen zu eigen geben, und Tragikomödie, des von Hofrei
Hrthur Schnißler- im-Geflingtheater.
weil sie am Ende schauernd ihren einsamen Weg gehen Arztes Mauer=ihr Todesurteil
müssen.
Erste Aufführung der Tragikomödie „Dasweite Land“.
Die Schauspieler hatten
Wir glauben's gern, auch ohne die ewigen Wiederholun= losen Plauderern Leben einzu
J. A. B. Weiches Wiener Geplauder und Geplausche
gen; aber Schnitzler wird uns nicht dazu bringen, diesenervigen Dialog und die v
on Anfang bis zum Ende — fünf lange, lange Akte lang.
koketten Lebensnipper, die sich selbst kaum einen Augen-presionistischer Beobachtungsge
Man spricht nur von Amouren, die diese dialektischen Ge¬
blick ganz ernst nehmen, uns als tiefe, problematische in aller Echtheit aufschillern.
schmäckler um Gotteswillen nicht in Liebe ausarlen lassen.
Naturen auszuschwatzen. Noch weniger werden wir auf dieser steller der amüsanten Episod
Dann kommen auch ernsthaftere Dinge an die Reihe: Tennis
schwankenden Basis eine neue Sittlichkeit oder Lebens=Lustspielmäßige ist hier beden
und Bergkraxelei. Das dünkt sich eine Welt! Dieser kleine
anschauung aufbauen. Wir lassen uns die graziöse Schön= der witzig einen raunzenden
Gesellschaftsklüngel, zu dem die Rechnung für ein Auto¬
färberei all dieser Nichtigkeiten gefallen, auf die sich keiner
Ziener als plappernder S
mobil (und sei es auch scharlachrot) die beste Einlaßkarte
so gut versteht, wie Schnitzler, aber die Leute selbst fangen der in einem Alpenhotel die H
ist, dieser kreuz und quer versippte Kreis verwöhnter
uns an bedenklich zu enuyieren. Sie sind die geborenen doch allein greifbare Wirklich
Frauen und verweihlichter Männer, die sich in einer Villen= Lustspielfiguren, und hoffentlich erkennt das Schnitzler end-ließ seinen Anatol den töricht
kolonie in Baden bei Wien zu einem ästhetisierenden — dem
lich selbst, wenn er sieht, daß sie uns nur dann erträglich sind, und tat für den traurigen Lei
Namen nach zu schließen, arischen — Ghetto zusammen¬
wenn sie aller Sentimentalität entsagen und ihre Ironien! Widersprüche seiner Handlun
gefunden haben: alle Propheten der Lebenskünstelei Das
und Selbstironien frei spielen lassen. Was fangen wir mit schauen in mich kannst du de
wirkliche Leben mit seinen Brutalitäten ist ihnen im Grunde
seinem neuen Helden, dem Fabrikanten Friedrich Hofreiter, Mögliche. Auch Irene Tric
genommen ekelhaft: drum lassen sie es, wenn es sich in ihren
an, der seiner Frau Vorwürfe darüber macht, weil sie seinen keinen Ehobruch begehen kann,
Zirkel hineindrängt, in psychologischen Retorten ver¬
Freund, den Klaviertirtuosen, nicht erhört und in den Tod lichkeitsbedürfnis nicht voreine
dampfen; auch Gefühle mögen sie nicht recht; alles Gefühl
getrieben hat, und der dann, als sie — ohne inneren beliebigen Fant nachts ihr
wird geistreich zerredet.
Zwang — sich einem Marinefähnrich hingibt, froh darüber Scheinexistenz. Und das ge
„Fröstelnde Herzen“ könnte dieser mit Schnitzlerscher
ist, daß er nun nicht mehr allein als der schuldige Ehebrechersterich bei der kecken Erna,
Finesse dialugisierie Roman heißen. Der Dichter aber klebt
im Hause herumgehen muß, und dennoch diesen Fähnrich kämpft hat und sich nach eine
ihm eine Vignette auf, die das wohlfeile Wort: „Die Seele
am Ende niederknallt. Dieser irrsinnige Pistolenschuß, der einem lakonischen „Aus!“ abst
ist ein weites Land“ zur Entschuldigung für einen poetischenl einen ihm gleichgültigen Rivalen ins Jenseits befördert, Schauspieler siegten über alle
Relativismus wählt, der sich einbildet, alles verzeihen, heiße bringt — wie schon mehrmals bei Schnitzler — gewaltsamKonstruktion und sogar über e
schon alles verstehen, und enthebe den Dramatiker jeglicher Ernst in die gleichgültige Spielerei. Aber nur im Leben
und ein Kraxel=Solneßtum h
psychologischen Folgerichtigkeit. Gewiß, der Typus des ge¬
ist Zufallstragik erschütternd, im Drama bleibt sie eine
nußhungrigen Egoisten, der sich aus Frauen= und Mädchen=] Peinlichkeit. Der Ausgang des possenhaften Duells, zu dem
„Das weite Land
herzen einen weichen Teppich webt, der die Laune zu seinem
sich Herr Hofreiter einen von ihm selbst betrogenen Ehe¬
G. M. Aus Hamburg wird
Lebensgesetz erhoben hat, existiert, und er mag im schwel= mann als Sekundanten erbittet, kann in uns nur das Be¬
Schauspielhaus“ in Hamburg
gerischen Wien öfter vorkommen als anderwärts. Schnitzlee dauern zurücklassen, daß Anatol sich verheiratet hat. Das 14. Oklover die Tragikomödie von
hat diese Menschen, die die Dürftigkeit ihres cynischen
hätte er nicht tun sollen.
Land“ zur ersten Aufführung. 2
Empfindungslebens mit schönrednerischen Falten drapieren,
Schnitzler ist viel zu bewußt, um die Hohlheit dieser
und mit abwartendem Interesse
oft genug bespiegelt, und uns auch von der einzigen Tragik seiner Welt nicht selbst zu durchschauen, aber seine Balan= stellte sich ein starker, wenn auch
überzeugt, von der sie heimgesucht werden, wenn der Katzen=cierungskünste werden dadurch nicht seriöser, daß er ihnen fall ein, so daß sich Direktor
jammer des Alters über sie kommt: weil sie niemandem aus dem Munde des einzigen graddenkenden Menschen dieser mit feinstem Verständnis inszenier