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24. Das beite Land
Herbst hat besonders an unserm samländischen Seegestade Land¬
schaften von wahrhaft zauberhaftem Kolorit geschaffen. Man kennt
das Märchen vom „Bäumlein, das goldene Blätter haben wollte.“
Nun: Tausende und Abertausende solcher Bäulmein, ja große Baum¬
riesen mit goldenen Blättern sah man gestern in den samländischen
Wäldern; denn wirklich wie leuchtendes Gold schimmerte das von
der strahlenden Sonne beschienene Laub mancher Bäume und Sträucher
ganz besonders der Birken und Eichen, und selbst die zartgegliederten,
Farrenkräuter am Waldesboden hatten diese satte goldene Herbst¬
farbe angenommen. Eine Anzahl von Bäumen prangt diesmal,
Mitte Oktober, übrigens noch in fast grünem Laubschmuck. Denn
as starke
während man allgemein geglaubt hat, in diesem Jahre würden wegen
im Verla
der Gluthitze im Sommer und infolge der anhaltenden Trockenheit
kreich der F
die Blätter sehr früh von den Bäumen abfallen und die Wälder
la## verhältnisn
zeitiger als in anderen Jahren kahl dastehen, ist gerade das Um¬
spricht, in sehl
nicht geschätzt, sondern geschmäht hat. Der überzeugte und raffinierte
artig, herb=sinn!
Birtuose des Ehebruchs fällt den ungeschickten Dilettanten auf diesem
führer zum Opft
Gebiete an, zwingt ihn zum Duell und tötet ihn, weil er sich durch
das Widerspiel
einen wilden, trotzigen Blick des Gegners gereizt fühlt. Damit
der für die älter
scheidet er sich für immer von der Gattin. Aber auch die neue Ge¬
einen grillenhaft
liebte, die sich ihm auf Gnade und Ungnade ergeben hat, schüttelt er
Ziener als Gi
jetzt entschieden ab, nicht um zu büßen, sondern um ein neues freies
nicht als letzte —
Leben zu beginnen.
der Gesellschaft
Die ersten beiden Akte haben das Publikum gefesselt, der dritte
Das Geistig=Vor
amüsiert lebhaft durch die Fülle der Hoteltypen, die beiden letzten
würdigt, wenngle
wirken befremdlich, schließlich abstoßend. Schnitzler suchte vermutlich
hehlen ließ. Fül#er, der der Premiere in Wien beiwohnte,
eine Bestätigung der Theorie vom weiten Seelenland darin, daß die
dankte Direktor Dr. Brahm dem applaudierenden Publikum.
beiden Hauptgestalten nicht nur gegen ihre Grundsätze handeln (das
Prof. A. Klaar.
ist die Voraussetzung aller Tragik und aller Tragikomik), sondern auch
zagen ihre Natur, daß die Fanatikerin der Treue sich dem Erstbesten
Das Werk wurde gleichzeitig an einer ganzen Reihe von
hingibt, und daß der Fanatiker der Untreue nach alter Manier den
Bühnen aufgeführt und hat fast überall starke Eindrücke hinterlassen.
Rächer seiner Ehre spielt. Aber der bittere Hohn der Umkehr hat
Aus einigen Orten lauten die Meldungen etwas skeptischer. Wir
etwas Nihilistisches: er verflüchtigt förmlich die Charaktere und damit
erhielten über die Premiere folgende Privatmeldungen:
auch unser Interesse an ihrem Kampf. Es bleibt nichts zurück als
das Salomonische: „alles ist eitel" — allenfalls eine Lehre, aber
L. Hfd. Wien, 14. Oktober. Bei der heutigen Erstaufführung
im
kein Eindruck auf das Gemüt. Die Tragödie verläuft in eine paro¬
Burgtheater machte Arthur Schnitzlers Tragikomödie „
weite Land“ in der zweiten Hälfte tiefen Eindruck. Der Dichter
bistische Spitze. Vielleicht sollte die Bezeichnung „Tragikomödie“ auch
wurde oft gerufen.
darauf hindeuten. Aber das Stück ist zu echt tragisch angelegt, als daß
H. Sp. Hamburg, 14. Oktober. Im Deutschen Schauspielhaus
dieser grausame Witz der Umkehrung uns befriedigen, uns eine Be¬
konnte die seine Einrichtung Hagemanns und die treffliche Darstellung,
antwortung der aufgeworfenen tiefen Frage, was das Element der
vor allem Robert Nhils, Schnitzlers „Weites Land“ ein schwüch¬
Treue vermag, bedeuten könnte. Wir fühlen uns nicht bereichert, son¬
liches Werk, nur zu einem halben Erfolge führen. Mit Bedauern und
dern mitbetrogen durch die Einsicht in einen allgemeinen Selbstbetrug.
Befremden sehen wir Schnitzlers feine Begabung langsam auf den
Schade um die beiden prächtigen ersten Akte! Sie hätten ganz anders
Boden der französischen Ehebruchsdramen, der Schule des jüngeren
t#oyin, zu einer Höhe, zu einem großen Ausblick führen können ..
Dumas oder Victorien Sardous hinabgleiten — nur daß dem seiner
Das Stück wurde im Lessingtheater meisterhaft gespielt.
gearteten Wiener leider die robuste Theaterbegabung seiner Vorgänger
Irene Triesch gab der leidenden Gattin eine verschwiegene Tiefe
fehlt.
des Wesens, eine schwere wortkarge Liebebedürftigkeit, die vom Anfang
Ungeteilter, großer Beifall wird weiter aus Hannover und
bis zum Ende fesselte. Monnard als Hofreiter, um einen Grad zu
brutal. charakterisierte nichtsdestoweniger den unbewußt eitlen Stim=] Prag, freundliche Aufnahme aus München und Leipzig ge¬
munasmenschen, das verwöhnte Halbgenie, das sich jedes Recht zu¬ meldet.
R
24. Das beite Land
Herbst hat besonders an unserm samländischen Seegestade Land¬
schaften von wahrhaft zauberhaftem Kolorit geschaffen. Man kennt
das Märchen vom „Bäumlein, das goldene Blätter haben wollte.“
Nun: Tausende und Abertausende solcher Bäulmein, ja große Baum¬
riesen mit goldenen Blättern sah man gestern in den samländischen
Wäldern; denn wirklich wie leuchtendes Gold schimmerte das von
der strahlenden Sonne beschienene Laub mancher Bäume und Sträucher
ganz besonders der Birken und Eichen, und selbst die zartgegliederten,
Farrenkräuter am Waldesboden hatten diese satte goldene Herbst¬
farbe angenommen. Eine Anzahl von Bäumen prangt diesmal,
Mitte Oktober, übrigens noch in fast grünem Laubschmuck. Denn
as starke
während man allgemein geglaubt hat, in diesem Jahre würden wegen
im Verla
der Gluthitze im Sommer und infolge der anhaltenden Trockenheit
kreich der F
die Blätter sehr früh von den Bäumen abfallen und die Wälder
la## verhältnisn
zeitiger als in anderen Jahren kahl dastehen, ist gerade das Um¬
spricht, in sehl
nicht geschätzt, sondern geschmäht hat. Der überzeugte und raffinierte
artig, herb=sinn!
Birtuose des Ehebruchs fällt den ungeschickten Dilettanten auf diesem
führer zum Opft
Gebiete an, zwingt ihn zum Duell und tötet ihn, weil er sich durch
das Widerspiel
einen wilden, trotzigen Blick des Gegners gereizt fühlt. Damit
der für die älter
scheidet er sich für immer von der Gattin. Aber auch die neue Ge¬
einen grillenhaft
liebte, die sich ihm auf Gnade und Ungnade ergeben hat, schüttelt er
Ziener als Gi
jetzt entschieden ab, nicht um zu büßen, sondern um ein neues freies
nicht als letzte —
Leben zu beginnen.
der Gesellschaft
Die ersten beiden Akte haben das Publikum gefesselt, der dritte
Das Geistig=Vor
amüsiert lebhaft durch die Fülle der Hoteltypen, die beiden letzten
würdigt, wenngle
wirken befremdlich, schließlich abstoßend. Schnitzler suchte vermutlich
hehlen ließ. Fül#er, der der Premiere in Wien beiwohnte,
eine Bestätigung der Theorie vom weiten Seelenland darin, daß die
dankte Direktor Dr. Brahm dem applaudierenden Publikum.
beiden Hauptgestalten nicht nur gegen ihre Grundsätze handeln (das
Prof. A. Klaar.
ist die Voraussetzung aller Tragik und aller Tragikomik), sondern auch
zagen ihre Natur, daß die Fanatikerin der Treue sich dem Erstbesten
Das Werk wurde gleichzeitig an einer ganzen Reihe von
hingibt, und daß der Fanatiker der Untreue nach alter Manier den
Bühnen aufgeführt und hat fast überall starke Eindrücke hinterlassen.
Rächer seiner Ehre spielt. Aber der bittere Hohn der Umkehr hat
Aus einigen Orten lauten die Meldungen etwas skeptischer. Wir
etwas Nihilistisches: er verflüchtigt förmlich die Charaktere und damit
erhielten über die Premiere folgende Privatmeldungen:
auch unser Interesse an ihrem Kampf. Es bleibt nichts zurück als
das Salomonische: „alles ist eitel" — allenfalls eine Lehre, aber
L. Hfd. Wien, 14. Oktober. Bei der heutigen Erstaufführung
im
kein Eindruck auf das Gemüt. Die Tragödie verläuft in eine paro¬
Burgtheater machte Arthur Schnitzlers Tragikomödie „
weite Land“ in der zweiten Hälfte tiefen Eindruck. Der Dichter
bistische Spitze. Vielleicht sollte die Bezeichnung „Tragikomödie“ auch
wurde oft gerufen.
darauf hindeuten. Aber das Stück ist zu echt tragisch angelegt, als daß
H. Sp. Hamburg, 14. Oktober. Im Deutschen Schauspielhaus
dieser grausame Witz der Umkehrung uns befriedigen, uns eine Be¬
konnte die seine Einrichtung Hagemanns und die treffliche Darstellung,
antwortung der aufgeworfenen tiefen Frage, was das Element der
vor allem Robert Nhils, Schnitzlers „Weites Land“ ein schwüch¬
Treue vermag, bedeuten könnte. Wir fühlen uns nicht bereichert, son¬
liches Werk, nur zu einem halben Erfolge führen. Mit Bedauern und
dern mitbetrogen durch die Einsicht in einen allgemeinen Selbstbetrug.
Befremden sehen wir Schnitzlers feine Begabung langsam auf den
Schade um die beiden prächtigen ersten Akte! Sie hätten ganz anders
Boden der französischen Ehebruchsdramen, der Schule des jüngeren
t#oyin, zu einer Höhe, zu einem großen Ausblick führen können ..
Dumas oder Victorien Sardous hinabgleiten — nur daß dem seiner
Das Stück wurde im Lessingtheater meisterhaft gespielt.
gearteten Wiener leider die robuste Theaterbegabung seiner Vorgänger
Irene Triesch gab der leidenden Gattin eine verschwiegene Tiefe
fehlt.
des Wesens, eine schwere wortkarge Liebebedürftigkeit, die vom Anfang
Ungeteilter, großer Beifall wird weiter aus Hannover und
bis zum Ende fesselte. Monnard als Hofreiter, um einen Grad zu
brutal. charakterisierte nichtsdestoweniger den unbewußt eitlen Stim=] Prag, freundliche Aufnahme aus München und Leipzig ge¬
munasmenschen, das verwöhnte Halbgenie, das sich jedes Recht zu¬ meldet.
R