II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 220

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24. Das seite Land
aufs Land. Dies Trennungs=Intermezzo schürzt den Schick¬
strieren sich exempelhaft. Man tä#
des Beispiels, der Produzierung nch
salsknoten. Hofreiter hat in dem Gebirgshotel ein leiden¬
wegen geschieht, daß die handelnde
schaftliches Erlebnis mit einer Zwanzigjährigen, und Genia
7 Feuilleton.
Repräsentanten erscheinen und nich
gibt sich inzwischen einem jungen Marine=Fähnrich.
voller, aus dem Selbstzweck heraus
Schnitzlers Psychologie geht in diesen beiden Parallel¬
5 Auswärtige Premidren.
lebnis zu vermitteln.
Fällen sehr diskret und wortkarg vor und überläßt moti¬
So wendet sich zunächst hier
vierende Erklärungen der Vorgänge unserem Einfühlen. Wir
„Das weite Land“. Tragikomödie von Arthur Schnitzler.
zuletzt auch der kluge, einfallfunkeln
können das ungezwungen leisten. Ber Genia liegt es so,
Berlin, 15. Oktober.
NI.
welt=Staffage zur Illuminierung des
daß eine Frau, die trotz der Bitternis, immer nur den glatten
besonders beweglich in dem flüssi
Spiegel ihrer Seele gesehn, im tiefsten durch diesen Selbst¬
Die Tragikomödie — ihre Buchausgabe erschien bei
dankbaren Situations=Schauplatz ein
mord um ihretwalen aufgewühlt und gefühlsverwirt ge¬
S. Fischer — wurde im Lessingtheater vom Berliner Pub¬
Hall. Auf dem Umweg über den Ko
worden. Einsam, ohne Halt, mit den Vorstellungen ihrer
likum anteilsvoll und empfänglich aufgenommen. Dr. Brahm
trifft diese Spiegelung dann aber an
freudlosen Gogenwart und ihren doch noch vorhandenen neu
konnte für den abwesenden Dichter danken.
die Stendhal lieben und den
aufgerührten Frauenwünschen wird sie die Beute einer Stunde,
Das weite Land das Schnitzler meint, ist die Seele
Liaisons dangereuses, die mit Anate
einer Situation. Und das Verführende ist gar nicht die
mit ihrer chaotischen Möglichkeitsfülle, ihren quälerischen und
Herrn von Sala wissend lächelnd a
Person des Mannes, sondern die unbestimmte Sehnsucht nach
beglückenden Ueberraschungen, ihren Widersprüchen und ihren
und rückwärts blickten, die es nichte
Wärme und Zärtlichkeit, die über sie, die früher nie an
ewigen gefährlichen und doch so lockenden Ungewißheiten.
Küsten zu stehen, zu schauen, wie a
Untreue gedacht jetzt in der Einöde kommt. Heikler liegt
Und der Dichter, der herbstlich erkenntnisvoll gewordene Ana¬
rinnt und die sich trotzdem immer
der Fall Hofreiter. Daß die junge lebenshungrige natur¬
tol=Mann von fünfzig Jahren, dichtet nun mit melancholi¬
zu bunten Trugbildern tragen las
— sich ihm
hafte Erna — von der Rasse Hilde Wangels
scherem Unterklang alte Weise auf der neu gestimmten Zither:
hat Schnitzler nie geschrieben.
nach dem starken gemeinsam erlebten Höhenrausch der Dolo¬
„Die Komödic unserer Seele — Unseres Fühlens heut und
Man hätte dem Werk Basserme
mitentour gibt, braucht nicht weiter erklärt zu werden.
gestern“. Schicksalsreigen schlingt er mit wechselnder Durch¬
siognomie gewünscht. Monnar
Schlanke, graumelierte Vierziger mit dem Fluidum und
einander=Verstrickung für Männer und Frauen im jungen
trocken, zu voluminos, die Angeln
Charme srer hommes à femmes sind Favoris für junge
und im späten Zeitalter der Gefühle.
Ueberzeugend schien die Genia der
Mädchen. Und das ist gewiß eine hübiche Einrichtung. Nach¬
Und es reizt ihn vor allem die Gestalt des Mannes,
tung, die Stieler dem Fähnrich
denklicher aber scheint ein anderer Umstand, der von Schnitzler
der dem Abstieg des Lebens und Genießens nah, fröstelnd dem
nur gegeben und unserer eigenen Auslegung ausgeliefert wird.
einsamen Weg entgegengeht. In der kritischen Zeit wanken
Unser Münchener Korresp
Hofreiter reist nämlich nach der leidenschaftlich begehrten Nacht
die unbefangenen Sicherheiten, Gedankengifte wirken stärker,
Stendhal warnt vor den satalen Begleiterscheinungen über¬
drücke von der dortigen Premiere de
Grübeler frißt sich zerstörerisch ein.
komödie im folgenden zusammen:
jäh ab ohne sein Glück auszukosten.
großer Erregung —
Friedrich Hofreiters Ehe mit Frau Genia schien beiden
Er kehrt dann allmählich nach Haus zurück, entdeckt das Ver¬
Der Titel ist symbolisch zu fa
außerordentlich ruhig und fest verankert. Er hatte seine Frei¬
hältnis Genias und erschießt den Fähnrich im Duell. Und
denklichen Gespräch während des dr
heit genoß sie ausgiebigst und hatte deswegen seine Frau
die folgenden Worte: „Haben Sie bei
hier läßt Schnitzler einen Lichtstreifen fallen. Diese Rache
und seinen Haushafen von den bunten Ausflügen heimkehrend,
zierte Subjekte wir Menschen eigent
ist nicht Eifersucht, etwas Eitelkeit mag gewiß im Spiel
aufrichtig gern. Und Genia rang sich aus tiefer Anhänglich¬
— das sagen Hofreiters
nicht alles zugleich in uns Raum,
sein, doch vor allem kommt sie -
keit zu der Entwicklung durch, die einmal im Stück so aus¬
Worte, als er von dem tödlichen Gegenüberstehen Auge in
Verehrung für andere, Treue, Treul
gesprochen wird: es kommt für Frauen die Zeit, wo sie auch
aus dem wütenden Haß des Alternden,
sucht wohl, etwas Ordnung in sich
Auge spricht —
für ihre Männer Mütter werden.
ist nicht das Natürliche. Das Nat
Absteigenden gegen die Jugend, die ihn aus dem frischen un¬
Nun kommt auch in dies scheinbar so ruhevolle Ver¬
Die Scele ist ein weites Land...“
bekümmerten Draufgängergesicht seines Gequers herausfor¬
hältnis die Zersetzung. Hofreiter erfährt gerade in einem
des weiten Seelenlandes verworrene
dernd anblitzt. Den tötet er, aber der Besiegte bleibt er
Stadium der inneren Leere und Unoccuptiertheit, dem Va¬
Lichte zu erhellen, hat Schnitzler vel
trotzdem selber. Etwas in ihm bricht zusammen. Er wehrt
cuumstadium nach der Lösung von einer Frau, daß sich ein
zu sagen: wie er es vermocht hat, t
Erna, die mit ihm will, ab: „Du bist zwanzig, Du gehörst
Sie selbst zeigt ihm den
Pianist Genias wegen erschossen.
In keinem seiner früheren Stücke d
nicht zu mir. Ich weiß, was Jugend ist. — Und man kann
Abschiedsbrief. Der spricht von hoffnungsloser Liebe und
seherisch, so geduldig das Labyrinth
Und als sie noch einmal sagt: „Ich
doch nicht jeden -
bestätigt, das Unbeteiligtsein Genias. In dem Mann jedoch,
gehöre Dir“, da erwidert er, wie aus weiter Entfernung
wie sie aus Hingebung und Härte,
dem erfahrenen Kenner aller Fußangeln und Schleichwege
Haß und Begehren sich unermeßlich
von den Schatten eines anderen Ufers her verhallend: „Ich
des Gefühls, sitzt der Haken fest und bohrt weiter. Nicht
Es ist leicht, die Mängel des Werkes
Was Arthur Schnitzler auch
niemandem auf der Welt“.
Eifersucht, nicht Liebe ists, aber ein Nagendes ein Nerven¬
bringt, es gibt uns immer viel und gebt uns im tiefsten
vor allem sagen: troß mächtiger St
kribbeln, pie böse Lust, die Seele seiner Frau, an die er
an. Unsere Empfänglichkeit wird darum nicht geringer, wenn
samer Höhepunkt ist es dialogisiertel
kaum mehr gedacht und die jetzt durch das Totenopfer in neuem
das Werk, wie in diesem Falle allerdings geschieht, mehr er¬
resolute Auf und Ab des Dramas,
besonderem Licht erscheint, sich zu entblößen. Und die Ge¬
Nach des wirklichen Lebens und der
zählt als dichterisch gestaltet mehr thematisch den Stoff
dankenmühle dreht sich zermürbend in ihm und mahlt Tag
behandest als die blutvolle Illusion des Miterlebens schafft.
auch rückläufige Bewegung und den ###
und Nacht an dem Problem: was wäre geschehen, wenn ...
Hier wird mit Figurinen eines Théätre d’amour unser Ge¬
kennen. Doch diesem Einwand mag
Das wohltemperierte Nebeneinander wird zur Quälerei.!
Dotreiter gebt. um sich davon frei zu machen, einige Wochen dankensviel angeregt und psychologische Erkenntnisse demon= Freude hat. Er ist belanalos gege
KS