usist So is ind ickiey famtes Parsüim, untermischt nit dem Ge
ruch beizend scharfer Desinfektionsmittel. Daß der Dialog die Handlung
überwuchert, drängt sich um so eher als Fehler auf, als uns die Personen
mit ihrem marklosen Sybaritentum und seichten Leben sheit bald herz¬
lich gleichgültig sind und selbst die tragische Schießerei chluß nicht mehr
zu lebendiger Teilnahme aufrüttelt. Dazu ist die Hauptperson mit einer ge¬
zierten, müden Spitzfindigkeit so übersein gezeichnet, daß ihr Innenleben uns
trotz gelegentlicher taktloser Offenherzigkeiten bis zum Ende ein Rätsel bleibt.
Friedrich Hofreiter, ein Wiener Industrieller, trägt — allmählich dämmert „
uns das auf — im tiefen Herzen eine sublime Liebe zu seiner Frau, und
seine Frau liebt ihn. Aber die Ehe ist kalt und unbefriedigend. Hofreiter
liebelt mit einer lockern Bankiersfrau, dann mit einem jungen Mädchen,
das zuerst modern starkgeistig auftritt und sich später als lüsternes Gäns¬
chen entpuppt. Er gibt sich keine Mühe, seine Untreue zu verbergei, er
stellt sich sogar, als wenn er auch seiner Frau eine vergnügliche Abschwei¬
fung von der langweiligen Chaussee der Pflicht keineswegs verübeln würde.
So bedauert er wortreich einen Künstler, der sich aus unerwiderter Liebe
zu seiner, Hofreiters, Frau erschossen hat, und macht ihr kaum verhüllte
Vorwürfe, daß sie ein hoffnungsreiches junges Leben durch ihre Unbarm¬
herzigkeit geknickt habe. Erst später ahnen wir, daß Hofreiter unter dem
Gewand des frivolen Skeptikers sich mit schmerzendem Dolch zersetzt,
daß jener Künstler infolge eines amerikanischen Duells mit Hofreiter Hand
an sich gelegt hat. Vergeblich schmachtet seine Frau, die nur aus Liebe zu
ihrem Gatten den verführerischen Anbeter zurückgewiesen hat, nach einem
herzlichen Wort; aufs tiefste gekränkt und entmutigt rächt sie sich, indem
sie dem Beispiel der andern folgt und sich einem blutjungen Marinefähnrich
in die Arme wirft. Hofreiter beobachtet, wie der Fähnrich nächtlicherweile
aus dem Fenster des Schlafzimmers seiner Frau steigt. Einem Freund
gegenüber spöttelt er über die Hörner, die ihm aufgesetzt worden sind, bricht
dann aber mit dem Fähnrich einen Streit vom Zaun, der zum Duell führen
muß, nicht etwa, weil er die beleidigte Gattenehre reinwaschen will — viel
Ehrgefühl steckt nicht in den schlaffen Seelen — sondern aus wildem Grimm
gegen den begünstigten Nebenbuhler. Im Zweikampf schießt Hofreiter den
Gegner nieder. Seine Frau sagt sich von ihm los wegen seiner erbar¬
mungslosen Brutalität, der Tod des Jünglings, der doch nur ein Lücken¬
büßer war, geht ihr nicht sehr zu Herzen; Hofreiter selbst weist das schon
erwähnte Mädchen, das ihm überall hin folgen will, schroff zurück, und
der Vorhang fält, während draußen die jauchzende Stimme des eben
aus der Pension zurückkehrenden Sohnes des unglücklichen Ehepaars er¬
klingt. Dem Falle Hofreiter sind ähnliche Fälle gegenübergestellt. Als
einziger aufrechter, gesunder Mensch, der von „Herzensschlampereien“
nichts wissen will, bleibt nur ein leider recht lederner Arzt übrig. Das
Stück, das in Baden bei Wien, während eines Aktes in einem Dolomiten¬
hotel spielt, bringt dann noch eine Reihe unterhaltender Typen: einen un¬
fäglich faden Lawn=Tennis=Gecken, einen Nachtcafé=Dichter, einen schön¬
geistig wissenschaftlerischen Zierbengel, eine einfältig plappermäulige alte
Dame der Gesellschaft, einige komische Touristen. Am Schluß hat der Zu¬
schauer das Gefühl: Wozu alle die endlosen Redereien, wozu das Pistolen=
geknalle? Was gehen mich die Mollusken an, die da ihre weichen, schlei¬
migen Glieder durcheinander flechten? Für solche Milieuschilderungen und
seelische Tifteleien ist der Roman da, auf der Bühne zerfließen sie zu Brei.
Gespielt wurde durchweg gut. Heinz Monnard gab die schwierige, wider¬
spruchsvolle Rolle des Friedrich Hofreiter; als Frau Hofreiter vermied Irene
Triesch, die man lieber in größern, ihrem Talent ebenbürtigen Aufgaben
sähe, glücklich ein allzu larmoyantes Wesen. Emanuel Reicher spielte den
ziemlich papiernen geschiedenen Don Juan. Dem Beifall, den das Publikum
spendete, fehlte offenbar die Überzeugung; er galt mehr andern, bessern¬
Stücken des Verfassers und den Darstellern.
X Wien. Von den mehr als ein Dutzend Aufführungen, die am
Samstag Arthur Schnitzlers fünfaktige Tragikomödie Das weite
Land gefunden hat, war die am Burgtheater als die Haupt¬
aufführung gedacht. Nicht nur, weil der Dichter in Wien wohnt, als
besonderer Burgtheaterdichter gilt und bei der Burgtheateraufführung
persönlich zugegen war, sondern auch, weil Schnitzler dieses neue Stück
wieder ganz ins moderne Wiener Milieu, wie er es nämlich auffaßt und
darstellt, hineingesetzt, mehrere der Rollen Gestalten der Wiener Gesell¬
schaft nachgezeichnet und die meisten sogar Burgschauspielern „auf den
Leib geschrieben“ hat, die Hauptrollen zweien der Koryphäen des Burg¬
theaters, die die Aufführung des Stücks nicht mehr erlebt haben, Kainz
und Harimann. Auch ohne die gleichzeitige Massenaufführung wäre
daher Das weite Land für Wien eine große Sensation gewesen. Gleich¬
wohl kann man sagen, daß die überaus sorgfältige Aufführung des
Burgtheaters nahe daran war, einen Mißerfolg zu ergeben. Während
der ersten drei Akte dieses langgedehnten Stücks, die fast nichts geben
als eine allerdings sehr naturalistische Milieuschilderung, machte sich eine
bedrohliche Langeweile im Hause breit, die das Wohlgefallen an der
feingeschliffenen Dialektik dieses zynischen Skeptikers und der meister¬
haften Leichtigkeit und Natürlichkeit seines Dialogs fast erstickte; erst die
beiden letzten Akte mit ihrem kräftigern dramatischen Impuls brachten
ein tieferes Interesse hervor, so daß sich der Achtungserfolg in einen
wirklichen verwandelte, wobei freilich ein inneres Widerstreben des
Publikums gegen die Verbogenheit und Verrenktheit der Schnitzlerschen
Erotik und gegen das Übermaß dieses Sumpfes, als gegen eine selbst“
in dem geschilderten Milieu naturwidrige Unwahrscheinlichkeit nicht über¬
wunden werden konnte. Wesentlich verdankt das Stück seinen Erfolg
in Wien dem Darsteller der Hauptfigur, einer echten Schnitzlerschen
Gestalt, die lebhaft an den „jungen Medardus“ und an den Helden im
„Zwischenspiel“ erinnert, der Figur des Fabrikanten Friedrich Hof¬
reiter. Nach Kainzens Tode hat sie Herr Korff übernommen (der so¬
lange von Kainz in Schatten gestellt worden war) und zu einer meister¬
haften Darstellung gebracht, die mit einem Schlage dargetan hat, daß
das Burgtheater in diesem Künstler für solche Rollen einen vollen
Ersatz für Kainz gefunden hat. Seine schöne Leistung allein wird dem
Stücke in Wien, dessen Publikum ja im Theater mehr den Schauspieler
als den Dichter sucht, eine Reihe von Aufführungen sichern. Die
Partnerin Korffs, Frl. Marberg, die vom Deutschen Volkstheater
herübergekommen ist, als Frau des Fabrikanten Hofreiter, stand dagegen
noch nicht auf der vollen Höhe dieser ebenfalls überaus schwierigen Rolle;
sie gab sich zu einfach und schlicht und ließ die Verschwommenheit ver¬
missen, die den Schnitzlerschen Gestalten eigen ist. Für das ganze reiche
Episodenwerk hatte des Burgtheater sein erstes Künstlerpersonal auf¬
geboten, und die Ausstattung war hervorragend.
Strassburger Pest, Strassburg, Ei#
—NN-.
XX [Ein neues Stück von Arkur Schnitzler.] Unser Feuilleton=Mit¬
arbeiter schreibt uns aus Berlin: Man wußte es, bevor der Vorhang
vor dem erlesenen Publikum in die Höhe ging, daß uns Artur Schnitz¬
ler mit seiner neuen Tragikomödie Das weite Land keine Ueber¬
raschung bringen werde. Die Entwickelung dieses Dichters ist schon
lange zu ihrer Erfüllung gekommen, und wird keine neuen Höhen
mehr ersteigen. Aber es wurde auch keine Enttäuschung, dieser heitere“
und doch nachdenkliche Weg in die weiten Gefilde der Seele, denn sie
ist das große unbekannte Land, in dem heute noch die einzigen Wunder
geschehen, die kalte Nüchternheit uns gelassen. Schnitzler stellt einen
Führer von weltmännischer Art dar, der auf solchen forschenden Reisen
mit eleganter Klugheit, wenn dies Wort erlaubt ist, zu sagen weiß,
wie er die Dinge und Menschen sieht. Es liegt im Wesen solcher Dra¬
men, daß sie kein besonderes Interesse an einer Handlung haben, die
zielstrebend zu ihrer Vollendung eilt, und daß sie als weitere Folge
auch keinen eigentlichen Helden haben. Allerlei Menschenschicksale wer¬
den gezeigt, die einen nur in einer besonderen Entwicklungsperiode, die
anderen in einem größeren Lebensausschnitt. Manches Geschick wird
bis zu einem Ende geführt, manches bleibt für uns ein Fragment. Im
Zenith des Geschehens steht die Gestalt des großen Liebhabers, der mit
verändertem Gesicht fast in jedem Schnitzlerschen Stück zu finden ist,
die Anatolfigur. Diesmal machte der Dichter den Versuch, die Per¬
sönlichkeit dieses Helden tiefer zu erschauen, sie nicht einfach aufgehen zu
lassen in einer bunten Fülle von Liebesgeschichten. Der Industrielle
Hofreiter hat ein viel verschlungenes Seelenleben; er verrät seine Frau,
so oft sein Blut rebellisch wird, und nimmt es ihr keineswegs übel, wenn
sie sich auf dieselbe Weise revanchiert. Er spürt kei“e Spur von Eifer¬
sucht. Und doch will er nicht „der Dumme“ sein, fordert den Liebhaber
und erschießt ihn! Er kennt keinen Zwang des Gewissens, und trotzdem
vermag er über den Toten, den er nicht gehaßt und doch getötet, seiner?
Geliebten nicht zu folgen. Sein Leben zerbricht ihm unter den Händen,
da er glaubte, es am festesten zu halten. Es sind keine sonderlich tief¬
bohrenden Probleme und Erkenntnisse, die Schnitzler da aufgegriffen?
hat, aber er hat eben eine seltene Art, alte Dinge in moderner Form*
neu zu sagen. Es ist ein heiteres Stück, das Schnitzler da gegeben hat,
und eine frohe Stimmung lag über dem Theater. Unter glatter Decke
bereitet sich so die Katastrophe vor, bis sie plötzlich hereinbricht, mit wenig
theatralischen Requisiten ohne Posse — ein paar kurze Worte, Achsel¬
zucken und die tragische Komödie eines Lebens fand ihr Ende. Ein
Drama also von wenig äußerem Glanz, aber von einer guten und star¬
ken Innerlichkeit. Das Lessingtheater brachte eine Darstellung
heraus, die restlos alle Möglichkeiten ausschöpfte und — als Ganzes
gesehen — kaum einen Wunsch offen ließ. Selbst die kleinsten Rollen
waren von besten Kräften besetzt, so hatte Emanuel Reicher kaum
hundert Worte zu sprechen, und es ergab sich eine Aufführung von
einer aufs feinste abgestimmten Einheitlichkeit. Man hat Unrecht, wenn
man einige Namen herausgreift; die größeren Rollen wurden von Heinz
Monnard, Irene Triesch und Hilde Herterich getragen.
ruch beizend scharfer Desinfektionsmittel. Daß der Dialog die Handlung
überwuchert, drängt sich um so eher als Fehler auf, als uns die Personen
mit ihrem marklosen Sybaritentum und seichten Leben sheit bald herz¬
lich gleichgültig sind und selbst die tragische Schießerei chluß nicht mehr
zu lebendiger Teilnahme aufrüttelt. Dazu ist die Hauptperson mit einer ge¬
zierten, müden Spitzfindigkeit so übersein gezeichnet, daß ihr Innenleben uns
trotz gelegentlicher taktloser Offenherzigkeiten bis zum Ende ein Rätsel bleibt.
Friedrich Hofreiter, ein Wiener Industrieller, trägt — allmählich dämmert „
uns das auf — im tiefen Herzen eine sublime Liebe zu seiner Frau, und
seine Frau liebt ihn. Aber die Ehe ist kalt und unbefriedigend. Hofreiter
liebelt mit einer lockern Bankiersfrau, dann mit einem jungen Mädchen,
das zuerst modern starkgeistig auftritt und sich später als lüsternes Gäns¬
chen entpuppt. Er gibt sich keine Mühe, seine Untreue zu verbergei, er
stellt sich sogar, als wenn er auch seiner Frau eine vergnügliche Abschwei¬
fung von der langweiligen Chaussee der Pflicht keineswegs verübeln würde.
So bedauert er wortreich einen Künstler, der sich aus unerwiderter Liebe
zu seiner, Hofreiters, Frau erschossen hat, und macht ihr kaum verhüllte
Vorwürfe, daß sie ein hoffnungsreiches junges Leben durch ihre Unbarm¬
herzigkeit geknickt habe. Erst später ahnen wir, daß Hofreiter unter dem
Gewand des frivolen Skeptikers sich mit schmerzendem Dolch zersetzt,
daß jener Künstler infolge eines amerikanischen Duells mit Hofreiter Hand
an sich gelegt hat. Vergeblich schmachtet seine Frau, die nur aus Liebe zu
ihrem Gatten den verführerischen Anbeter zurückgewiesen hat, nach einem
herzlichen Wort; aufs tiefste gekränkt und entmutigt rächt sie sich, indem
sie dem Beispiel der andern folgt und sich einem blutjungen Marinefähnrich
in die Arme wirft. Hofreiter beobachtet, wie der Fähnrich nächtlicherweile
aus dem Fenster des Schlafzimmers seiner Frau steigt. Einem Freund
gegenüber spöttelt er über die Hörner, die ihm aufgesetzt worden sind, bricht
dann aber mit dem Fähnrich einen Streit vom Zaun, der zum Duell führen
muß, nicht etwa, weil er die beleidigte Gattenehre reinwaschen will — viel
Ehrgefühl steckt nicht in den schlaffen Seelen — sondern aus wildem Grimm
gegen den begünstigten Nebenbuhler. Im Zweikampf schießt Hofreiter den
Gegner nieder. Seine Frau sagt sich von ihm los wegen seiner erbar¬
mungslosen Brutalität, der Tod des Jünglings, der doch nur ein Lücken¬
büßer war, geht ihr nicht sehr zu Herzen; Hofreiter selbst weist das schon
erwähnte Mädchen, das ihm überall hin folgen will, schroff zurück, und
der Vorhang fält, während draußen die jauchzende Stimme des eben
aus der Pension zurückkehrenden Sohnes des unglücklichen Ehepaars er¬
klingt. Dem Falle Hofreiter sind ähnliche Fälle gegenübergestellt. Als
einziger aufrechter, gesunder Mensch, der von „Herzensschlampereien“
nichts wissen will, bleibt nur ein leider recht lederner Arzt übrig. Das
Stück, das in Baden bei Wien, während eines Aktes in einem Dolomiten¬
hotel spielt, bringt dann noch eine Reihe unterhaltender Typen: einen un¬
fäglich faden Lawn=Tennis=Gecken, einen Nachtcafé=Dichter, einen schön¬
geistig wissenschaftlerischen Zierbengel, eine einfältig plappermäulige alte
Dame der Gesellschaft, einige komische Touristen. Am Schluß hat der Zu¬
schauer das Gefühl: Wozu alle die endlosen Redereien, wozu das Pistolen=
geknalle? Was gehen mich die Mollusken an, die da ihre weichen, schlei¬
migen Glieder durcheinander flechten? Für solche Milieuschilderungen und
seelische Tifteleien ist der Roman da, auf der Bühne zerfließen sie zu Brei.
Gespielt wurde durchweg gut. Heinz Monnard gab die schwierige, wider¬
spruchsvolle Rolle des Friedrich Hofreiter; als Frau Hofreiter vermied Irene
Triesch, die man lieber in größern, ihrem Talent ebenbürtigen Aufgaben
sähe, glücklich ein allzu larmoyantes Wesen. Emanuel Reicher spielte den
ziemlich papiernen geschiedenen Don Juan. Dem Beifall, den das Publikum
spendete, fehlte offenbar die Überzeugung; er galt mehr andern, bessern¬
Stücken des Verfassers und den Darstellern.
X Wien. Von den mehr als ein Dutzend Aufführungen, die am
Samstag Arthur Schnitzlers fünfaktige Tragikomödie Das weite
Land gefunden hat, war die am Burgtheater als die Haupt¬
aufführung gedacht. Nicht nur, weil der Dichter in Wien wohnt, als
besonderer Burgtheaterdichter gilt und bei der Burgtheateraufführung
persönlich zugegen war, sondern auch, weil Schnitzler dieses neue Stück
wieder ganz ins moderne Wiener Milieu, wie er es nämlich auffaßt und
darstellt, hineingesetzt, mehrere der Rollen Gestalten der Wiener Gesell¬
schaft nachgezeichnet und die meisten sogar Burgschauspielern „auf den
Leib geschrieben“ hat, die Hauptrollen zweien der Koryphäen des Burg¬
theaters, die die Aufführung des Stücks nicht mehr erlebt haben, Kainz
und Harimann. Auch ohne die gleichzeitige Massenaufführung wäre
daher Das weite Land für Wien eine große Sensation gewesen. Gleich¬
wohl kann man sagen, daß die überaus sorgfältige Aufführung des
Burgtheaters nahe daran war, einen Mißerfolg zu ergeben. Während
der ersten drei Akte dieses langgedehnten Stücks, die fast nichts geben
als eine allerdings sehr naturalistische Milieuschilderung, machte sich eine
bedrohliche Langeweile im Hause breit, die das Wohlgefallen an der
feingeschliffenen Dialektik dieses zynischen Skeptikers und der meister¬
haften Leichtigkeit und Natürlichkeit seines Dialogs fast erstickte; erst die
beiden letzten Akte mit ihrem kräftigern dramatischen Impuls brachten
ein tieferes Interesse hervor, so daß sich der Achtungserfolg in einen
wirklichen verwandelte, wobei freilich ein inneres Widerstreben des
Publikums gegen die Verbogenheit und Verrenktheit der Schnitzlerschen
Erotik und gegen das Übermaß dieses Sumpfes, als gegen eine selbst“
in dem geschilderten Milieu naturwidrige Unwahrscheinlichkeit nicht über¬
wunden werden konnte. Wesentlich verdankt das Stück seinen Erfolg
in Wien dem Darsteller der Hauptfigur, einer echten Schnitzlerschen
Gestalt, die lebhaft an den „jungen Medardus“ und an den Helden im
„Zwischenspiel“ erinnert, der Figur des Fabrikanten Friedrich Hof¬
reiter. Nach Kainzens Tode hat sie Herr Korff übernommen (der so¬
lange von Kainz in Schatten gestellt worden war) und zu einer meister¬
haften Darstellung gebracht, die mit einem Schlage dargetan hat, daß
das Burgtheater in diesem Künstler für solche Rollen einen vollen
Ersatz für Kainz gefunden hat. Seine schöne Leistung allein wird dem
Stücke in Wien, dessen Publikum ja im Theater mehr den Schauspieler
als den Dichter sucht, eine Reihe von Aufführungen sichern. Die
Partnerin Korffs, Frl. Marberg, die vom Deutschen Volkstheater
herübergekommen ist, als Frau des Fabrikanten Hofreiter, stand dagegen
noch nicht auf der vollen Höhe dieser ebenfalls überaus schwierigen Rolle;
sie gab sich zu einfach und schlicht und ließ die Verschwommenheit ver¬
missen, die den Schnitzlerschen Gestalten eigen ist. Für das ganze reiche
Episodenwerk hatte des Burgtheater sein erstes Künstlerpersonal auf¬
geboten, und die Ausstattung war hervorragend.
Strassburger Pest, Strassburg, Ei#
—NN-.
XX [Ein neues Stück von Arkur Schnitzler.] Unser Feuilleton=Mit¬
arbeiter schreibt uns aus Berlin: Man wußte es, bevor der Vorhang
vor dem erlesenen Publikum in die Höhe ging, daß uns Artur Schnitz¬
ler mit seiner neuen Tragikomödie Das weite Land keine Ueber¬
raschung bringen werde. Die Entwickelung dieses Dichters ist schon
lange zu ihrer Erfüllung gekommen, und wird keine neuen Höhen
mehr ersteigen. Aber es wurde auch keine Enttäuschung, dieser heitere“
und doch nachdenkliche Weg in die weiten Gefilde der Seele, denn sie
ist das große unbekannte Land, in dem heute noch die einzigen Wunder
geschehen, die kalte Nüchternheit uns gelassen. Schnitzler stellt einen
Führer von weltmännischer Art dar, der auf solchen forschenden Reisen
mit eleganter Klugheit, wenn dies Wort erlaubt ist, zu sagen weiß,
wie er die Dinge und Menschen sieht. Es liegt im Wesen solcher Dra¬
men, daß sie kein besonderes Interesse an einer Handlung haben, die
zielstrebend zu ihrer Vollendung eilt, und daß sie als weitere Folge
auch keinen eigentlichen Helden haben. Allerlei Menschenschicksale wer¬
den gezeigt, die einen nur in einer besonderen Entwicklungsperiode, die
anderen in einem größeren Lebensausschnitt. Manches Geschick wird
bis zu einem Ende geführt, manches bleibt für uns ein Fragment. Im
Zenith des Geschehens steht die Gestalt des großen Liebhabers, der mit
verändertem Gesicht fast in jedem Schnitzlerschen Stück zu finden ist,
die Anatolfigur. Diesmal machte der Dichter den Versuch, die Per¬
sönlichkeit dieses Helden tiefer zu erschauen, sie nicht einfach aufgehen zu
lassen in einer bunten Fülle von Liebesgeschichten. Der Industrielle
Hofreiter hat ein viel verschlungenes Seelenleben; er verrät seine Frau,
so oft sein Blut rebellisch wird, und nimmt es ihr keineswegs übel, wenn
sie sich auf dieselbe Weise revanchiert. Er spürt kei“e Spur von Eifer¬
sucht. Und doch will er nicht „der Dumme“ sein, fordert den Liebhaber
und erschießt ihn! Er kennt keinen Zwang des Gewissens, und trotzdem
vermag er über den Toten, den er nicht gehaßt und doch getötet, seiner?
Geliebten nicht zu folgen. Sein Leben zerbricht ihm unter den Händen,
da er glaubte, es am festesten zu halten. Es sind keine sonderlich tief¬
bohrenden Probleme und Erkenntnisse, die Schnitzler da aufgegriffen?
hat, aber er hat eben eine seltene Art, alte Dinge in moderner Form*
neu zu sagen. Es ist ein heiteres Stück, das Schnitzler da gegeben hat,
und eine frohe Stimmung lag über dem Theater. Unter glatter Decke
bereitet sich so die Katastrophe vor, bis sie plötzlich hereinbricht, mit wenig
theatralischen Requisiten ohne Posse — ein paar kurze Worte, Achsel¬
zucken und die tragische Komödie eines Lebens fand ihr Ende. Ein
Drama also von wenig äußerem Glanz, aber von einer guten und star¬
ken Innerlichkeit. Das Lessingtheater brachte eine Darstellung
heraus, die restlos alle Möglichkeiten ausschöpfte und — als Ganzes
gesehen — kaum einen Wunsch offen ließ. Selbst die kleinsten Rollen
waren von besten Kräften besetzt, so hatte Emanuel Reicher kaum
hundert Worte zu sprechen, und es ergab sich eine Aufführung von
einer aufs feinste abgestimmten Einheitlichkeit. Man hat Unrecht, wenn
man einige Namen herausgreift; die größeren Rollen wurden von Heinz
Monnard, Irene Triesch und Hilde Herterich getragen.