II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 266

24. Das
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General Ans. Elbfeld. Barmen
Zeitung:
Datum:
73. Okt. 1977
Berliner Premieren. Im „Lessingtheater“ gibt Ar¬
alles ist unbedingt besser gedacht als gemacht. Schnitzler ist zu
tur Schnitz
fünfaktige Tragikomödie „Das weite
reich, um künstlerisch Maß zu halten: und die Sehnsucht, nicht nur
Landvermtlich weit ernsthafteren literarischen Absichten, un¬
einen Konflikt, sondern ein Weltbild zu geben, das Satzgefüge sei¬
willkürlich ein Pendant zu der Groteske aus Berlin W/W. — ich
ner Idee unaufhörlich mit frischen Gestalten, Aphorismen, Bezie¬
bitte, diese Abkürzung recht zu verstehen — die vor wenigen Ta¬
hungen und Wahrnehmungen zu interpungieren, läßt ihn da im¬
gen auf der Weltthegterbühne einen Sensationserfolg hatte. Leicht
mer neue Ornamente anheften, wo er klarstellen, da verzieren, wo
kaschiertes Metternich=Milien, mit der graziösen, halb tändelnden,
er einfach bleiben sollte. Auch hier, ganz wie in seinem ersten
halb soppenden Tonart der Wiener Gesellschaft ausgestattet. „Sen¬
Gesellschaftsstück vom „einsamen Weg“, läßt sich der Dichter von
timenial sind wir nicht“, ist der Wahlspruch. Diese Ehepaare sind
den Wellen seiner Eingebungen gar zu lässig treiben. Zwischen
nicht mehr in den „Hundstagen“, sondern bereits in den Herbst¬
jenen Dialogen, die man nur in den Dämmerstunden sprechen sollte,
tagen ihres legitimen Glückes, das vielleicht nie eines gewesen ist:
die der Träne und dem Lächeln gleich nahe stehen und sich gewöhn¬
nicht mehr beim „Zwischenspiel“ dessen muntere Takte Schnitzler
lich vom Sentiment mit einer Grimasse abwenden. Zwischen einem
schon einmal auf seiner Ehebühne anklingen und verklingen ließ,
jäh aufsteigenden Anfangsakt und einem in sich sehr ergötzlichen
sondern bei einem erheblich melancholischeren Nachspiel. Man ist
Mittelakt — Weiße=Rößl=Stimmung —, der indessen mit seinen
von einer Brutalität, die auch durch das Gewebe der gewähltesten
Vorgängern und Nachfolgern nur noch durch eine einzige, flam¬
Ausdrucksweise hindurchschimmert: von einer Toleranz, die dem
mende Schlußszene verbunden ist. So wütet Schnitzler gegen sein
natürlich gänzlich veralteten, anständigen Menschen die Schamröte
eigenes Fleisch: und wenn sich die große Menge durch das Laby¬
ins Gesicht treibt. Es ist nicht mehr schick, die Eheirru. zu ver¬
rinth dieser Ein= und Ausfälle nicht den Weg bahnen kann, wenn
schleiern, in Ton und Benehmen die Form zu wahren. Nen: man
sie müde wird zwischen dem wenigen Körperlichen und dem vie¬
leistet einander zynische Ohrenbeichten, klopft, wie der Muster¬
len Geistigen, zwischen dem Wundervollen und dem nur Spitzfin¬
ehemann, den sich die Ofsenbachsche Moral vorstellt, vorm Eintre¬
digen, so muß er seine eigene Darstellungsmethode zur Verant¬
ten vorsichtig an die Türe an, zerstört immer weiter die Brücke,
wortung ziehen. Bei „Liebelei“ und „Freiwild“ las man's an¬
die vom „Gatten“ des alten Schlages zur Gattin führte. Auf die
ders
Die Aufführung kann ich mir besser denken, als sie im
Personen des Schnitzlerschen Stückes angewendet: der Fabrikant
„Lessingtheater“ gezeigt wurde. Zumal Heinz Monnard
Friedrich Hofreiter nimmt sich ein heißblütiges Mädel aus den
nicht der Mann ist für die Verkörperung morbider Nervensysteme
besten Kreisen: Frau Genia hält sich, nach redlichem Bemühen, sich
(derjenige, dem solche gebrochenen, etwas schrillen Töne glatt zu
den eigenen Mann zurückzuerobern, an einem kleinen Marinefähn¬
Gebote stehen, Albert Bassermann, saß im Zuschauerraum): Frau
rich schadlos. An diesem Punkte aber bekommt der Zynismus die¬
Triesch war ausgezeichnet in der Befangenheit einer „guten
ser seelisch festgepanzerten Gesellschaftsschicht jene Abfuhr, die ihm
Frau“, die eine leichtsinnige Frau werden muß: Fräulein Herte¬
Schnitzler zugedacht hat. Denn als der Mann zum ersten Male
rich in dem flackernden, werbenden Blick, mit dem sie dem Manne
sehenden Auges dem Faktum gegenübersteht, mit dem seine leicht¬
ihrer Wahl ihre sehnsüchtige Jugend in die Arme legte. Herr
fertige Rede schon häufig spielte, da greift er, der „Moderne“ doch
Froböse als Ehemann, der, wenn ein Liebhaber seiner Frau
sauf Hebbels antiquiertes Schlagwort zurück. Mit dem Gedanken:
zugegen, die Türe sorgsam — zuhält, Fräulein Grüning als
„Darüber kann kein Mann hinweg“, schießt er den Nebenbuhler
fabelhaft naturalistisch gestaltete, „betamte“ Wiener Jüdin, Herr
sganz nach veralteter Methode zusammen. Damit zerstört er freilich
Forest als Raunzer (mit der Peter Altenberg=Maske) und Poet
auch das eigene Lebensgebäude. Denn hier löst das vergossene
dazu waren die „lustigen Personen“ .. Aber das Publikum
Blut, statt zu binden: und Genia geht von ihm . ... Das wollte nicht recht warm werden.
W. T