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24. Das weite Land
r Düsseldorf
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Die Grenzen seine: Persönlichkeit läßt der Dichter gestellten Gattin Lykons und Pflegevater von Lykons Bettler von Syrakus“ ist keine Arbeit, die Spot oder
freilich auch hier, gerade hier erkennen, indem er seinen adelig geratenen zwei Kindern. Nichtsdestoweniger hat
kann
Feldherrn viel vom Sieg im mehr oder minder äußeren
scharfe Zurückweisung herausfordert. Im Gegenkeil, sie
Arratos — töricht=raffiniert!
jede Nennung von
Sinn reden, jedoch wenig von innerer Fülle offenbaren
darf Respekt fordern. Sudermann hat nochnie höher
Lykons Namen strengstens verboten! Da, gerade am
raht¬
läßt. Ja, das Werk ist geradezu aufgebaut auf heißer
gestanden, als hier. Und dennoch kann leider kein echter
zehnten Jahrestag jenes angeblich von Arratos errun¬
Kn.
Sehnsucht nach weltlichem Erfolg, auf heftiger Angst vor
Sieg gemeldet werden. Aus dem einfachen Grund, weil
genen Siegs, der gleichbedeutend ist mit des Arratos
nt an
dem Vergessenwerden, Sudermann erfindet im ersten
die Seelen seiner Theatergestalten nicht in dem Maße
Regierungs=Antritt -
gerade da taucht in Syrakus ein
mann¬
der sechs Akte, im „Vorspiel“ eine allegorische Flügel¬
interessieren, daß unsere Gleichgültigkeit gegen eine ferne
elender, geschundener, blinder Bettler auf, der da be¬
ende“
gestalt, die mit der Keule auf schlafende Krieger hinweist
Fabelwelt überwunden und der kolossale Aufwand an Er¬
hauptet, Kunde zu bringen von Lykons letzten Schick¬
und sich als einen bösartigen Bruder des Todes bekennt:
findung und szenischem Betrieb innerlich gerechtfertigt
salen. Der Bettler ist Lykon oder vielmehr sein schlechter¬
wurde..
als den radikalsten Auslöscher menschlichen Lebens, als
dings nicht wiederzuerkennender Schatten.
dra¬
den Bringer des Vergessenwerdens. Und der dramatisch¬
Kurz zuvor hatten wir hier, gleichzeitig mit soundso¬
Der blinde Bettler bringt nun mit ätzender Rede
terge¬
theatralische Kampf der folgenden fünf Akte empfängt seine
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viel anderen Städten, die Uraufführung von Schnitz¬
Leben ins politische Leben von Syrakus. Er gewinnt
echen¬
Nahrung aus der Rache des Helden an dem, der ihn in
W7d
lers romanhafter Tragikomödie „Das weite Land“.
die Bettler, die eigenen Kinder (ohne daß sie den Vater
Vergessenheit stieß.
in,
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Das Ergebnis war ebenfalls nur ein Achtungserfolg für
erkennen), die Bürger, die Söldner. Er verhindert den
oweit
Welch bedenkliche überschätzung des armen fragwür¬
den wohleingeführten Autor. Da drängt sich denn die
drohenden überfall von Seiten der karthagischen Flotte.
dazu
digen Dings, das man Nachrühm nennt! Das Untiefe
Beobachtung auf, daß nicht nur in der Wirkung der
Dabei wird er schwer verwundet, behält aber doch das
über¬
dieses Grundgedankens muß auf das ganze Werk ver¬
beiden so verschiedene Stücke, sondern auch im Wollen
letzte Wort; der falsche Freund Arratos vergiftet sich,
rängt
flachend wirken und etliche schiefe Konstruktion zur Folge
und Schaffen der beiden sehr unterschiedlichen Verfasser
und des Lykon Sohn wird die Herrschaft antreten. Sein
haben. Doch soll dem Dichter nicht vergessen werden, daß
etwas Verwandtes zu finden sei. In Schnitzlers „Tra¬
anderes Kind aber, die kaum erblühte Jungfrau, ahnt
er den Gedanken in seinem Helden entschlossen durch¬
giekomödie“ gibt es zwischen uferlosem psychologisieren¬
unmittelbar nach des Bettlers Tod: „Das kann nur Einer
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führt: sein Feldherr rächt sich für den Sturz ins große
dem Geplauder ein paar bewährte Theater=Effekte und
gewesen sein ...“
falle
Dunkel, allein er selber tritt auch wirklich nicht mehr aus
einen Anlauf zu einem Hochtouristenschwank. Hätte der
Man sieht, Sudermann hat sichs nicht geringe Mühe
dem Vergessensein hervor.
Dichter sich an dieser Dramatik durchweg genügen lassen,
kosten lassen, eine Tragödie großen Stils zu ersinnen.
reiche
Die Vorgeschichte ist etwas unklar. Soviel steht jeden¬
so wäre etwas Rundes, Lebensfähig=Bühnenfähiges ent¬
(Die gelegentliche Ahnlichkeit mit dem Motiv des heim¬
ver¬
falls fest: der Held, Lykon, Feldherr der Syrakusaner,
standen. So aber hat sein literarischer Ehrgeiz, zu dem
kehrenden Odysseus kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht
hat einen falschen Freund mit Namen Arratos, der im
er nur als Novellist und Einakter=Dramatiker voll be¬
werden.) Er hat fast das gesamte Solistentum des König¬
eines¬
verräterischen Bündnis mit dem Karthagerfeldhauptmann
rechtigt ist, ihn verlockt, das Ziel allzu hoch zu stecken.
lichen Schauspielhauses auf die Bühne gerufen, hat alle
des
ihn bei einer Schlacht in der Quellenschlucht beseitigen
Ganz wie der handfeste dramatisierende Sudermann,
Mittel des Theaters zu Hilfe genommen: ergreifende
Beiten
will, um selbst die Herrschaft über Syrakus zu ergreifen.
wenn er eine tiefsinnhafte Tragödie hohen Stiles unter¬
Zwiesprachen und wildbewegte Massenszenen, Symposion
Ader
Der Plan gelingt nicht völlig. Durch des Lykon Helden¬
nimmt statt all die schöne Kraft auf ein gesundes Gesell¬
mit Hetärengelächter und Revolution mit frischem Blut¬
schie¬
mut wird ein Sieg erfochten, wobei Lykon nicht getötet,
schaftsstück aus unserer gegenwärtigen Wirklichkeit zu
geruch. Und die Hauptrolle gibt Gelegenheit zu einer
t zu¬
verwenden.
sondern bloß verwundet, von den Karthagern geblendet
großen schauspielerischen Leistung. Daß die Handlung
lg zu
und eingekerkert wird. Dies ereignet sich zwischen dem
Schnitzler und Sudermann und noch ein paar Ver¬
noch durch die Verquickung mit völlig entbehrlichen
Paar
Vorspiel und der eigentlichen Tragödie, die zehn Jahre
wandte verfallen wieder und wieder, in einem an sich un¬
karthagischen Geschichten verbreitert und verwirrt wurde,
vorte
nach der verhängnisvollen Schlacht einsetzt. Allzu kunstvoll
zweifelhaft löblichen Streben nach dem Höchsten, dem
läßt sich wohl nur aus der Absicht erklären, daß das Bild
in Brocken und Bröckchen verteilt, werden die entscheiden¬
Irrtum, daß sie die Vollendung außerhalb ihres natür¬
äußerst bunt und figurenreich werden sollte.
ar
den Vorgänge von damals nun während der ersten Tra¬
lichen Bereichs suchen. Sie verkennen, daß auch Resig¬
Schaut aus solcherlei Zügen, wie auch namentlich aus
hier
gödienalte nachberichtet.
nation vornehm sein kann und daß der einzelne sein?
der unausgegorenen Fabulierung der Heldengattin und
Bzog,
Der falsche „leishinwandelnde“ Arratos, ein wachs¬
Allerbestes nur dann zu schaffen vermag, wenn er seine
des verräterischen Leisetreters der Theatraliker deutlich
weicher Tyrann und durchsichtiger Intrigant, ist nun seit
ureigensten Kräfte kennen und begrenzen lernt und
hervor, so fehlt es doch auf der anderen Seite diesmal
bliche
innerhalb dieser Grenzen nach Vollendung trachtet.
zehn Jahren Herr von Syrakus und überraschender¬
nicht an ernstlichen Versuchen, gediegene Charakteristik
weise auch Gemahl der im Vorspiel überaus ideal dar= zu geben und grobe Kulisseneffekte zu meiden. „Der
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24. Das weite Land
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Die Grenzen seine: Persönlichkeit läßt der Dichter gestellten Gattin Lykons und Pflegevater von Lykons Bettler von Syrakus“ ist keine Arbeit, die Spot oder
freilich auch hier, gerade hier erkennen, indem er seinen adelig geratenen zwei Kindern. Nichtsdestoweniger hat
kann
Feldherrn viel vom Sieg im mehr oder minder äußeren
scharfe Zurückweisung herausfordert. Im Gegenkeil, sie
Arratos — töricht=raffiniert!
jede Nennung von
Sinn reden, jedoch wenig von innerer Fülle offenbaren
darf Respekt fordern. Sudermann hat nochnie höher
Lykons Namen strengstens verboten! Da, gerade am
raht¬
läßt. Ja, das Werk ist geradezu aufgebaut auf heißer
gestanden, als hier. Und dennoch kann leider kein echter
zehnten Jahrestag jenes angeblich von Arratos errun¬
Kn.
Sehnsucht nach weltlichem Erfolg, auf heftiger Angst vor
Sieg gemeldet werden. Aus dem einfachen Grund, weil
genen Siegs, der gleichbedeutend ist mit des Arratos
nt an
dem Vergessenwerden, Sudermann erfindet im ersten
die Seelen seiner Theatergestalten nicht in dem Maße
Regierungs=Antritt -
gerade da taucht in Syrakus ein
mann¬
der sechs Akte, im „Vorspiel“ eine allegorische Flügel¬
interessieren, daß unsere Gleichgültigkeit gegen eine ferne
elender, geschundener, blinder Bettler auf, der da be¬
ende“
gestalt, die mit der Keule auf schlafende Krieger hinweist
Fabelwelt überwunden und der kolossale Aufwand an Er¬
hauptet, Kunde zu bringen von Lykons letzten Schick¬
und sich als einen bösartigen Bruder des Todes bekennt:
findung und szenischem Betrieb innerlich gerechtfertigt
salen. Der Bettler ist Lykon oder vielmehr sein schlechter¬
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als den radikalsten Auslöscher menschlichen Lebens, als
dings nicht wiederzuerkennender Schatten.
dra¬
den Bringer des Vergessenwerdens. Und der dramatisch¬
Kurz zuvor hatten wir hier, gleichzeitig mit soundso¬
Der blinde Bettler bringt nun mit ätzender Rede
terge¬
theatralische Kampf der folgenden fünf Akte empfängt seine
7
viel anderen Städten, die Uraufführung von Schnitz¬
Leben ins politische Leben von Syrakus. Er gewinnt
echen¬
Nahrung aus der Rache des Helden an dem, der ihn in
W7d
lers romanhafter Tragikomödie „Das weite Land“.
die Bettler, die eigenen Kinder (ohne daß sie den Vater
Vergessenheit stieß.
in,
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Das Ergebnis war ebenfalls nur ein Achtungserfolg für
erkennen), die Bürger, die Söldner. Er verhindert den
oweit
Welch bedenkliche überschätzung des armen fragwür¬
den wohleingeführten Autor. Da drängt sich denn die
drohenden überfall von Seiten der karthagischen Flotte.
dazu
digen Dings, das man Nachrühm nennt! Das Untiefe
Beobachtung auf, daß nicht nur in der Wirkung der
Dabei wird er schwer verwundet, behält aber doch das
über¬
dieses Grundgedankens muß auf das ganze Werk ver¬
beiden so verschiedene Stücke, sondern auch im Wollen
letzte Wort; der falsche Freund Arratos vergiftet sich,
rängt
flachend wirken und etliche schiefe Konstruktion zur Folge
und Schaffen der beiden sehr unterschiedlichen Verfasser
und des Lykon Sohn wird die Herrschaft antreten. Sein
haben. Doch soll dem Dichter nicht vergessen werden, daß
etwas Verwandtes zu finden sei. In Schnitzlers „Tra¬
anderes Kind aber, die kaum erblühte Jungfrau, ahnt
er den Gedanken in seinem Helden entschlossen durch¬
giekomödie“ gibt es zwischen uferlosem psychologisieren¬
unmittelbar nach des Bettlers Tod: „Das kann nur Einer
15
führt: sein Feldherr rächt sich für den Sturz ins große
dem Geplauder ein paar bewährte Theater=Effekte und
gewesen sein ...“
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Dunkel, allein er selber tritt auch wirklich nicht mehr aus
einen Anlauf zu einem Hochtouristenschwank. Hätte der
Man sieht, Sudermann hat sichs nicht geringe Mühe
dem Vergessensein hervor.
Dichter sich an dieser Dramatik durchweg genügen lassen,
kosten lassen, eine Tragödie großen Stils zu ersinnen.
reiche
Die Vorgeschichte ist etwas unklar. Soviel steht jeden¬
so wäre etwas Rundes, Lebensfähig=Bühnenfähiges ent¬
(Die gelegentliche Ahnlichkeit mit dem Motiv des heim¬
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falls fest: der Held, Lykon, Feldherr der Syrakusaner,
standen. So aber hat sein literarischer Ehrgeiz, zu dem
kehrenden Odysseus kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht
hat einen falschen Freund mit Namen Arratos, der im
er nur als Novellist und Einakter=Dramatiker voll be¬
werden.) Er hat fast das gesamte Solistentum des König¬
eines¬
verräterischen Bündnis mit dem Karthagerfeldhauptmann
rechtigt ist, ihn verlockt, das Ziel allzu hoch zu stecken.
lichen Schauspielhauses auf die Bühne gerufen, hat alle
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ihn bei einer Schlacht in der Quellenschlucht beseitigen
Ganz wie der handfeste dramatisierende Sudermann,
Mittel des Theaters zu Hilfe genommen: ergreifende
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will, um selbst die Herrschaft über Syrakus zu ergreifen.
wenn er eine tiefsinnhafte Tragödie hohen Stiles unter¬
Zwiesprachen und wildbewegte Massenszenen, Symposion
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Der Plan gelingt nicht völlig. Durch des Lykon Helden¬
nimmt statt all die schöne Kraft auf ein gesundes Gesell¬
mit Hetärengelächter und Revolution mit frischem Blut¬
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mut wird ein Sieg erfochten, wobei Lykon nicht getötet,
schaftsstück aus unserer gegenwärtigen Wirklichkeit zu
geruch. Und die Hauptrolle gibt Gelegenheit zu einer
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Schnitzler und Sudermann und noch ein paar Ver¬
noch durch die Verquickung mit völlig entbehrlichen
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Vorspiel und der eigentlichen Tragödie, die zehn Jahre
wandte verfallen wieder und wieder, in einem an sich un¬
karthagischen Geschichten verbreitert und verwirrt wurde,
vorte
nach der verhängnisvollen Schlacht einsetzt. Allzu kunstvoll
zweifelhaft löblichen Streben nach dem Höchsten, dem
läßt sich wohl nur aus der Absicht erklären, daß das Bild
in Brocken und Bröckchen verteilt, werden die entscheiden¬
Irrtum, daß sie die Vollendung außerhalb ihres natür¬
äußerst bunt und figurenreich werden sollte.
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den Vorgänge von damals nun während der ersten Tra¬
lichen Bereichs suchen. Sie verkennen, daß auch Resig¬
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nation vornehm sein kann und daß der einzelne sein?
der unausgegorenen Fabulierung der Heldengattin und
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Der falsche „leishinwandelnde“ Arratos, ein wachs¬
Allerbestes nur dann zu schaffen vermag, wenn er seine
des verräterischen Leisetreters der Theatraliker deutlich
weicher Tyrann und durchsichtiger Intrigant, ist nun seit
ureigensten Kräfte kennen und begrenzen lernt und
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innerhalb dieser Grenzen nach Vollendung trachtet.
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nicht an ernstlichen Versuchen, gediegene Charakteristik
weise auch Gemahl der im Vorspiel überaus ideal dar= zu geben und grobe Kulisseneffekte zu meiden. „Der
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