24. bas
box 28/4
Wendenl
Telephon 12801.
De
„ODSLRVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen
für Zeltungs-Ausschnitte und Bibliographien
Wien, I. Concordiaplatz 4
Vertretungen
In Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk,
Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minne¬
apolis, New-York, Paris, Rom, San Francisco.
Stockholm, St. Petersburg.
(Quellonangahe ohne Gewähr.)
Aussch
Efterarische Eche, Berlin
B
Ea 1 NI1011
Schr der Bahnen
Berlin
„Das weite Land.“ Tragikomödie in fünf Akten
von Arthur Schnitzler. (Lessingtheater, 14. Ol¬
tober.) Buchausgase=S=Fischer. „Bürl.“ Komödie
in drei Akten von Arno Holz und Oscar Jerschke.
(Neues Schauspielhaus, 12. Oktober.)
Seele ist ein weites Land, sagt der Hotel¬
+ direktor von Aigner im dritten Akt nachdem er
seinem Freunde, dem Fabrikanten Friedrich
Hofreiter, ertlärt hat, daß er aus übergroßer Liebe
seine Frau betrog, und daß sie ihn aus übergroßer
Liebe laufen ließ für immer. Wir Menschen sind
eben komplizierte Subjekte, und wenn wir auch
innen Ordnung zu machen suchen, das Chaos bleibt.
Dieser verstoßene Ehemann, der den Frauen durch
einen affektierten Vollbart und durch einen Stich
ins Banale gefährlich bleibt, hat einen Sohn, den
er nicht kennt. Schnitzler liebt solche zerstreuten
Familien. Friedrich Hofreiter wird diesen Sohn
im fünften Akt totschießen, nachdem er ihn im vier¬
ten recht ungehörig provoziert hat, nämlich vor
seiner eigenen Frau, um die es sich hier handelt,
ferner vor einer anderen Frau, die er nach Ge¬
brauch an ihren Mann und den folgenden Lieb¬
haber zurückgegeben hat, ferner vor einem jungen
Mädchen, das den Vierzigjährigen zwang, sie zu
verführen, und vor den Gästen seines Hauses, die
durch drei Akte Tennis spielen. Das sollte in einer
Gesellschaftskomödie nicht statthaft sein. Wenn diese
Leute auch an nichts glauben und in ihrem erotischen
Chaos durchaus keine Ordnung schaffen wollen,
solange geschossen wird, beanspruchen sie den Nang
von Kavalieren. Der Satiriker und Elegiker Schnitz¬
ler macht sich für eine etwas knallige Szene verant¬
wortlich, die dem Theatraliker Sudermann sehr
natürlich stehen würde.
Friedrich Hofreiter ist eine dämonische Natur,
ein anziehender Menschenfresser und eine Art
Gettatore. Die Leute, die sich um seine stille
und von der allgemeinen Frivolität noch un¬
angegriffene Frau bemühen, kommen auf geheim¬
nisvolle Weise um. Einer fiel bei einer gemein¬
samen Bergtour von einem Felsen herunter, der
sich mit Ibsenschem Symbolismus über dem Stück
erhebt; ein anderer erschoß sich, nachdem er mit dem
Manne eine bedeutsame Billardpartie gespielt hatte.
Also liebt Hofreiter seine Frau, obgleich ihre Tugend
ihn empört. Sie zwingt ihn, über Leichen zu gehen,
aber da sie den jungen Fähnrich erhört, zieht er
auch keine andere Folgerung. Sie kann es ihm nicht
recht machen in ihrer großen Liebe, die immer ge¬
wartet hat, und so wird er wie sein Freund Aigner
und andere Vorgänger auch den einsamen Weg
gehen müssen. Für die etwas undurchsichtige Frau
Genig, mehr Seele als Charakter, mehr melancho¬
lisches Porträt als aktionsfähige Persönlichkeit, ist
vorläufig gesorgt. Sie wird ihren Buben lieben
und besitzen, bis er ins Kadettenalter kommt. Dann
wird sie ihn an alle die Frauen verlieren, die er
haben will, an dieses Chaos der Schnitzlerschen Welt,
das gewiß vorhanden ist, wenn Eros und Neilos
noch ganz allein regierten. Aber die Griechen hielten
dieses Regiment für einen Urzustand, der dem Kos¬
mos um Jahrtäufende voranging.
206
en: Berlin
deuten. Man treibt die Kunst nicht immer wie ein
Liebesabenteuer, durch das man sich selbst neu
hervorbringt. Der Dichter kann auch einmal von
seinen Renten leben, und wir dürfen nicht immer
die Einsetzung seines Kapitals verlangen. Aber
irgendwie muß die Okonomie stimmen. Gibt Schnitz¬
ler weniger von sich, und das ist der Fall, weil er
alles Feine des Stückes schon einmal gesagt und
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I. österr. behördl. konz. Unternehmen
für Zeltungs-Ausschnitte und Bibliographien
Wien, I. Concordiaplatz 4
Vertretungen
In Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk,
Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minne¬
apolis, New-York, Paris, Rom, San Francisco.
Stockholm, St. Petersburg.
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Berlin
„Das weite Land.“ Tragikomödie in fünf Akten
von Arthur Schnitzler. (Lessingtheater, 14. Ol¬
tober.) Buchausgase=S=Fischer. „Bürl.“ Komödie
in drei Akten von Arno Holz und Oscar Jerschke.
(Neues Schauspielhaus, 12. Oktober.)
Seele ist ein weites Land, sagt der Hotel¬
+ direktor von Aigner im dritten Akt nachdem er
seinem Freunde, dem Fabrikanten Friedrich
Hofreiter, ertlärt hat, daß er aus übergroßer Liebe
seine Frau betrog, und daß sie ihn aus übergroßer
Liebe laufen ließ für immer. Wir Menschen sind
eben komplizierte Subjekte, und wenn wir auch
innen Ordnung zu machen suchen, das Chaos bleibt.
Dieser verstoßene Ehemann, der den Frauen durch
einen affektierten Vollbart und durch einen Stich
ins Banale gefährlich bleibt, hat einen Sohn, den
er nicht kennt. Schnitzler liebt solche zerstreuten
Familien. Friedrich Hofreiter wird diesen Sohn
im fünften Akt totschießen, nachdem er ihn im vier¬
ten recht ungehörig provoziert hat, nämlich vor
seiner eigenen Frau, um die es sich hier handelt,
ferner vor einer anderen Frau, die er nach Ge¬
brauch an ihren Mann und den folgenden Lieb¬
haber zurückgegeben hat, ferner vor einem jungen
Mädchen, das den Vierzigjährigen zwang, sie zu
verführen, und vor den Gästen seines Hauses, die
durch drei Akte Tennis spielen. Das sollte in einer
Gesellschaftskomödie nicht statthaft sein. Wenn diese
Leute auch an nichts glauben und in ihrem erotischen
Chaos durchaus keine Ordnung schaffen wollen,
solange geschossen wird, beanspruchen sie den Nang
von Kavalieren. Der Satiriker und Elegiker Schnitz¬
ler macht sich für eine etwas knallige Szene verant¬
wortlich, die dem Theatraliker Sudermann sehr
natürlich stehen würde.
Friedrich Hofreiter ist eine dämonische Natur,
ein anziehender Menschenfresser und eine Art
Gettatore. Die Leute, die sich um seine stille
und von der allgemeinen Frivolität noch un¬
angegriffene Frau bemühen, kommen auf geheim¬
nisvolle Weise um. Einer fiel bei einer gemein¬
samen Bergtour von einem Felsen herunter, der
sich mit Ibsenschem Symbolismus über dem Stück
erhebt; ein anderer erschoß sich, nachdem er mit dem
Manne eine bedeutsame Billardpartie gespielt hatte.
Also liebt Hofreiter seine Frau, obgleich ihre Tugend
ihn empört. Sie zwingt ihn, über Leichen zu gehen,
aber da sie den jungen Fähnrich erhört, zieht er
auch keine andere Folgerung. Sie kann es ihm nicht
recht machen in ihrer großen Liebe, die immer ge¬
wartet hat, und so wird er wie sein Freund Aigner
und andere Vorgänger auch den einsamen Weg
gehen müssen. Für die etwas undurchsichtige Frau
Genig, mehr Seele als Charakter, mehr melancho¬
lisches Porträt als aktionsfähige Persönlichkeit, ist
vorläufig gesorgt. Sie wird ihren Buben lieben
und besitzen, bis er ins Kadettenalter kommt. Dann
wird sie ihn an alle die Frauen verlieren, die er
haben will, an dieses Chaos der Schnitzlerschen Welt,
das gewiß vorhanden ist, wenn Eros und Neilos
noch ganz allein regierten. Aber die Griechen hielten
dieses Regiment für einen Urzustand, der dem Kos¬
mos um Jahrtäufende voranging.
206
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deuten. Man treibt die Kunst nicht immer wie ein
Liebesabenteuer, durch das man sich selbst neu
hervorbringt. Der Dichter kann auch einmal von
seinen Renten leben, und wir dürfen nicht immer
die Einsetzung seines Kapitals verlangen. Aber
irgendwie muß die Okonomie stimmen. Gibt Schnitz¬
ler weniger von sich, und das ist der Fall, weil er
alles Feine des Stückes schon einmal gesagt und