II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 280

box 284
24. Das veite Land


wird er freigesprochen. Diese französische Gerichtsverhand= volle Novelle, ein hinreißender Roman geworden. Di
lung hätte den Kernpunkt des dritten Aktes geben müssen.
Fragen, die es auregt und nicht löst, laden zum Ver
Wegen ein und desselben. Verbrechens verurteilt das
weilen ein. Wir möchten immer auf die Bühne hinauf
deutsche Gericht Büxl zum Tode, indes die französischen
rufen: „Halt, meine Herrschaften, einen Augenblick! Geb
Geschwornen ihn glatt freisprechen. Liegt da nicht der
uns Zeit zum Nachdenken!“ Aber das gibt es im Theater
Kern zu einer grandiosen Satire? Da hätte aus dem
nicht. Menschen und Ereignisse hasten unaufhaltsam vorbei,
grotesken Schwank ein tiefer Gedanke blicken können.
und nichts ist peinlicher als einem Tanze beiwohnen,
Wie weit ist es mit der irdischen Gerechtigkeit bestellt,
dessen Rhythmus unverständlich bleibt. Es ist echt schnitz¬
wenn diesseits der Grenze eine Tat mit dem Tode be¬
lerisch diskret und vornehm, daß er die Pointen
straft wird, und jenseits der Grenze dem Täter, der aus
nicht unterstreicht, aber er flüstert sie so leise, daß man sie
Leidenschaft handelte, jubelnder Freispruch winkt! Aus
kaum hört. Das ehrr den Dichter, aber schwächt die Kraft
„Büxl“ hätte eine Satire allerersten Ranges werden kön¬
des Dramatikers. Den beiden, ersten Akten des Stückes
nen. So blieb es ein Torso. Den Verfassern gingen Witz
stand das Publikum ziemlich ratlos gegenüber. Dann
und Atem aus und an dem wertvollen Kern ihres
kamen stärkere Effekte, derbere Lustspieleffekte im Hotelakt,
Stückes gingen sie blind vorüber.
kräftigere dramatische Akzente in den beiden letzten Akten.
Trotzdem hatte „Bürl“ einen sehr hübschen Erfolg.
Wenn ein beleidigter Ehemann den Geliebten seiner Frau
Ueber Schnitzlers „Das weite Land“ haben Sie i
fordert, so ist das immer ein guter Aktschluß;
die
zwischen aus Wien ausführlichen Bericht erhalten. Ich
spannungsvolle Frage, wie ein Duell ausgehen wird, übt
kann mich also darauf beschränken, über die Aufnahme
stets ihre sichere Wirkung auf unsere Nerven, und wenn
zu berichten, die das Werk des Dichters hier gefunden hat.
der Gatte vom Zweikampf, in dem der andere gefallen ist,
Sie war äußerst respektvoll, und man merkte es dem
heimkehrt und der Mutter dieses anderen die Hand drückt
Publikum an daß es gern wärmer geworden wäre. Alle
und mit ihr über das Wetter spricht, weil er ihr doch un¬
Prämissen für den Erfolg waren vorhanden. Die günstigste
möglich sagen kann, was geschehen ist so ist das eine in
ihrer brutalen Lügenhaftigkeit uns das Herz zerreißende
sphäre von Sympathie erfüllte das Theater. Schnitzler
Situation. Oder wenn die beiden Frauen, die Gattin und
kann auf den schwachen Erfolg seines Werkes am Lessing¬
die Geliebte, dem Ausgang des Duells bang entgegen¬
theater stolzer sein als mancher Autor auf einen glän¬
sehen und die gemeinsame Sorge hier die natürliche Feind¬
zenden Sieg. Wenn er hier gewesen wäre, hätte er ge¬
schaft überbrückt. An solchen neuartigen Gegenüberstellungen
sehen, wie groß und glaubensstark seine Gemeinde ist,
ist Schnitzlers Stück reich, und diesen inneren Kontrast¬
wie man ihn schätzt und liebt, und wie man es ihn nicht
reichtum hat die Berliner Kritik leider übersehen. Diese
entgelten läßt, wenn einmal ein Stück die Herzen ver¬
Tragikomödie stellt Menschen in seltsame Beziehungen
wirrt statt sie zu erheben, wenn es unser Gefühl in die
zueinander. Darin, nicht in dem Konflikt dieser Menschen
Irre schickt statt es zu konzentrieren. „Das weite Land“
liegt ihr Wert. Und das ist entschieden ein dramatischer
ist gewiß ein sehr geistvolles Stück, aus dem die Probleme
Wert. Nur daß diese Gegenüberstellungen dann nicht
wirbelnd emporsteigen wie die Perlen im Champagner¬
dramatisch gelöst werden. Der Dichter sagt uns zwar eine
glase. Wir folgen diesem Aufsteigen der Perlen — aber
Antwort ins Ohr, aber er sagt sie zu schnell und zu un¬
plötzlich sind sie fort, verschwunden, haben sich in nichts
verständlich. Wir hören sie kaum. Novellen und Gedichte
aufgelöst. „Das weite Land“ ist unfaßbar, das heißt wir
können im Dämmerlicht gedeihen, Stücke brauchen eine
können seinen Sinn im raschen Vorüberfluge eines
andere Beleuchtung.
Theaterabends nicht fassen. Es wäre gewiß eine wunder= Auch über Reinhardts „Orestie“ haben Sie gehört, als !
da
Wort und Tat zu durh
sich nun in der „Oresti
heit verloren hat. Und
Zirkuswirkungen mehr
nichts übrig blieb als
Moissi als Orest. Ab
größer gewesen in eine
Der umständliche
müdend. Die vielgerüh
ich müßte lügen, wenn
irgendwie unser Gemütz
seiner Mutter mitten in
er sie in den Palast ja
stoßend. Alles in allen
Beweis, daß ein C
wiederholen darf. Rein
einmal rund um die M
schade, wenn er
Theater, verließe, bloß
wir lieber das richtige
haften Dimensionen zu
es kann. Dus sei ihm
rung Max. Reinhardts
Kunst.