II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 283

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24. Das weiteLand
Beriner Montagszeftung
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des Publikums nachzulassen scheint, kommt meine Kritik viel¬ Für ungefähr zehn Ses

leicht im rechten Augenblick, um es wieder ein bischen zu Problem und Schicksal.
Theater
beleben. Aber weiter. Verwunderlicher als der Hang dieses Sommer ist und weil es
grüblerischen Psychologen zu episodischer Schwankhaftigkeit ist rausch und Einsamkeit und
Das weite Land
die anfängerhafte Not, die auf einmal wieder der Verfasser von heiten gibt. Die Erotik flich
bühnenrunden und schlagkräftigen Werken hat, um die Karre Netz von spinnwebzarten
Ich hoffe, daß ich in diesem Monat nicht einmal aus Versehen
in Gang zu bringen und in Gang zu erhalten. In den ersten
sammengeknüpft werden un
den Namen Heinrichs von Kleist niedergeschrieben habe. Wenn
drei Akten ist, abgesehen von jenen listig eingestreuten Lustig¬
der Höllenlärm, der zur Säkularfeier seines Selbstmordes los¬
Sie liebeln dreist und zyni
keiten, je ein Viertel Füllsel eines merkwürdig unbeholfenen Begebenheit“, wie vor Pop
gebrochen ist, bis in den Himmel dringen könnte — es wäre für
Technikers. Erst die beiden Schlußakte haben die Prägnanz, hat eine leichte Beigabe von
den Dichter Grund genug, sich auch aus dem fragwürdigen Le¬
die das Drama braucht. Es sind durchaus nicht allein die Menschen liebeln doch nur
ben des Jenseits zu empfehlen. Ganz tintenfleckig denk' ich mir
handgreiflichen Effekte, die diese Akte eindrucksstärker machen. und zwischen der großen L##
seine makellose Seele von den gierigen Fingern der Schmöcke, Schnitzler hat sich einfach heiß geschrieben. Die Sätze werden bluten. Der junge Musiker
die nach ihr zum ersten Mal gegriffen haben, als überall Jubilä= leichter, schneller, kürzer und sagen, trotzdem oder deshalb, mehr. Genia Hofreiter nicht besitze
umsfeuilletons „gefragt und dementsprechend honoriert wurden.
Der Dialog bekommt hier manchmal den Klang von Stichomy- rich Aigner wird erschossen
Sie glauben, die Armen, durch ihre künstliche Hitze zu fühnen, thien. Der letzte Akt hat dreizehn, der erste fünfunddreißig Fähnrichs Eltern sind frühg
was ihre Landsleute vor hundert Jahren durch ihre natürliche Seiten. Das ist bezeichnend. Als Schnitzler fertig war, hätte die Frau ein einziges Mal ##
Kälte gesündigt haben. Wissen sie dehn aber wirklich nicht,
er im Fieber der Arbeit von neuem an die erste Hälfte gehen zwanzig Jahren, daß sie k
die Aermsten, daß sie täglich und Küsdlich die Sünde begehen, sollen. Aber das, nicht wahr, ist mir für die Wirkung auf die wirklich geliebt haben. Der
die Kleist in den (Tab getrieben hal? Haben sie für irgend Leute wichtig, keineswegs für die Wirkung auf mich, für den
Adele jeden Monat mit eine
einen Dichtersmann von eigenem Wuchs und neuen Tönen
sich ein kultivierter Kenner wie Schnitzler gar nicht genug Zeit
so rettungslos, daß er ein
früher Aug und Ohr, als bis ersie nicht mehr gebraucht? Es nehmen kann. Auch aus dem gestrecktesten Geplauder eines
würde. Der Doktor Mauer
gab für die deutsche Presse eine einzige Art von Feier, die Kleist Dichters will ich heraushören, worum es ihm ernst ist, wenn
die Sicherheit, die sie nur a#
ins Elysium hinein Freude gemacht hätte: daß jeder Kritiker
es nur ein Dichter, und wenn es ihm nur ernst ist.
Mann vielleicht für immer
gehalten worden wärc statt den toten Dramatiker der Nach¬
Schnitzlern ist es gerade diesmal verteufelt ernst. Leider ist daß er nach ihr keine mehr be
welt, einen lebenden Dramatiker der Mitwelt zu erklären.
er in Berlin an eine ausdrucks- und gefühlsnüchterne Bühne
Friedrich Hofreiter, der sie
Tun wir das. Von den wertvollen Werken dieses Theater¬
peraten, der sein Ernst wohl zu pathetisch war, und die ihn sich stößt. Denn er hat En
jahrs hat eins hier nicht besprochen werden können: Schnitzlers
darum gestrichen hat. Es darf den Dichter also nicht erstaunen, Frauen und Mädchen, aber
„Weites Land“. Besprechen wirs heute. Es ist zugleich dasjenige daß selbst kluge Kritiker ihn für frivol gehalten haben. Der
Genia liebt — Genia, um
von allen, das am ärgsten mißverstanden worden ist. Suchen
Doktor Mauer, der als der anständigste Mensch durch die Ge¬
wir, es zu verstehen.
Zwischen Genia und Fri
sellschaft des Stückes spaziert, fällt über sie das Urteil. Er hätte
Wenn es beginnt, ist sie ih
Das weite Land ist die Seele des Menschen. Es gibt kost¬
nichts einzuwenden gegen eine Welt, in der die Liebe wirklich
nicht verzeihen, daß sie um
barere Gleichnisse, auch in den Titeln Schnitzlerschei


nichts andres wäre als ein köstliches Spiel. Aber was er hier


W
Phantoms, nämlich um ihre
Aber nehmen wirs hin und fragen wir
fkeht: dieses Ineinander von Zurückhaltung und Frechheit, von
sakow hat sterben lassen.
in ungefähr einem Dutzend weiter Länder gesehen hat. Dann
seiger Eifersucht und erlogenem Gleichmut, von rasender Leiden¬
Wut und giftiger Eifersucht
fällt zunächst das weg, das ein einziger Tennisplatz ist, und
schaft und leerer Lust — das findet er trübselig und grauenhaft. jüngern Aigner totgeschossen
ein paar andre; die an die seriösen Länder angrenzen, wie
Ist wirklich zu glauben, daß Schnitzler das weniger trübselig Erinnerung an den Fall K
Operettenstaaten an Großstaaten, und die nur dazu da sind, und grauenhaft findet? Es ist eine echte Trauer in ihm um
Erna Wahl, sei es aus si
um die Karte möglichst bunt zu machen. Schnitzler hat hier ab
die Männer und Frauen seiner Zeit und dieser Schicht. Aber
eines unverbrauchten und n
und zu nachdrücklich aus Theater gedacht. Er verschmäht nicht
er hat freilich nicht die Natur, zornig die Augen zu rollen und
und Ende sieht man wenig 2#
Schwankscherze, nicht Schwankfiguren, nicht Schwanksituationen.
Donnerworte der Empörung zu ballen Er will schon der
kommen, und das ist nicht
Aber es ist wirklich nicht zu bezweifeln, daß er sie, und übrigens
Sittenrichter dieser Generation sein. Aber nicht mit priester¬
sondern hat wahrscheinlich
mit Maß, in seine Tragikomödie hineingesetzt hat, weil er auch lichen Gebärden und im Vollgefühl der eigenen Unfehlbarkeit.
das Ethos der Dichtung ein
gröbere Elemente als uns, die wir ihm sicher sind, für die Er züchtigt, indem er darstellt: mit resignierendem Verständnis
kann man sagen, kämpfenn
Tragik seiner Komödie gewinnen wollte. Das ist ihm gelungen.
und einer wehmütigen Iconie, deren weltmännisch gelassener
zu dürfen. Für mich ist es
Denn während früher ähnlich sublime Werke dieses Dichters
Ton doch wohl nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß eine
Einwand. Denn ihre Käm
nach wenigen Aufführungen verschwanden, steht das „Weite Land' wahre Herzensnot lange gebraucht hat, um sich zu ihm abzu- hinter ihnen. Sie wissen u
seit fünf Wochen auf dem Repertoire. Wenn jetzt das Interesse klären.
daß sie nichts mehr wünschen