II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 292

W
box 28/4
24 DsteLand
638 Mhiimmimmmimmmmmmmmmmmmtmmmmmmmmnm Friedrich Düsel: Ainmmmmmmmmmmmminmmmmmmmmimmmiminhnim
#terung gewesen, sie schuldig zu wissen, schon zur ahnen dürften, daß hinter diesem sichtbaren Aus¬
Beruhigung seines schlechten Gewissens, ist er
gang in der Ferne der Tage vielleicht doch noch
doch gerade wieder dabei, seinem lechzenden In¬
ein andrer uns unsichtbarer liegt, ein Tag, der die
gend= und Eroberungsdrang in Erna Wahl ein
Gatten, ihn in sehend gewordener Resignation, sie
neues Opfer darzubringen, ein ganz junges noch
in unerschütterter, nur zur Mütterlichkeit gedämpf¬
dazu, eine Sentimentalitätslose und Unbeküm¬
ter Liebe, an der Hand ihres aus der Fremde
merte, schon eine von dem neuen unbedenklichen
heimgekehrten Kindes zueinander zurückführt.
Geschlecht, das um uns herum auswächst. Und
Das Thema von dem weiten Lande, in dem
glückgesegnet wie er ist in allem, was er will
wir schwankende und irrende Gestalten uns nicht
und möchte: das Schicksal gewährt ihm den
zurechtfinden, weil Treue und Verrat, Liebe und
Wunsch. Als er vom Gebirge, wo die neue Ge¬
Haß, Gleichgültigkeit und Leidenschaft sich so zum
liebte sich ihm im Sturm gegeben, herunter ins
Verwechseln ähnlich sehen, wird bei Schnitzler
Tal steigt, findet er seine Frau — war's Troß,
mit einer Fülle von Geist und Witz polyphonisch
war's Lanne, war's Rache oder nur vage Sehn¬
in schier endlosen Variationen abgewandelt. Nur
sucht und trostsuchendes Einsamkeitsgefühl?
vor dem Buche, nicht vor der Bühne ist man
in den Armen eines Marinefähnrichs, dem außer
imstande, all den dichten Verschlingungen und
seiner Jugend nichts weiter zu dieser Gunst ver¬
seinen Zerfaserungen zu folgen, so sicher dieser
bilft, als daß er eben da ist, während der andre
an Ibsen geschulte Meister des analytisch=synthe¬
sern. Nun könnte der Ehemann ja wohl Halle¬
tischen Dialogs auch die Fäden der Handlung
Iuj. Lugen, und eine französische Komödie würde
und der Charakteristik in der Hand hält. Das
in der Tat alles hübsch glatt und grad auf¬
Kultivierteste, was dem Drama allenfalis noch
gehen lassen. Bei Schnitzler aber — und das
möglich, hier ist es erreicht. Weiter vermag eine
allein schon macht ihn zum seherischen Psycho¬
Dichtung der Bühne den sich kräuselnden, ver¬
logen und Dichter vor hundert andern — springt
schwebenden und zerflatternden Wölkchen latenter
der Mechanismus „Wie ich dir — so du mir“
Gesühle schlechterdings nicht zu folgen, will sie
gerade jetzt aus dem Räderwerk: der Ungetreue
sich nicht versteigen — eine Gefahr, die diesem
aus Profession, der sich noch vor kurzem nichts
Stücke schon ganz nahe auf den Leib rückt. Sie
sehnlicher wünschte als eine Vergeltung, ver¬
vermöchte es selbst dann nicht, wenn das Wun¬
wandelt sich auf einmal in den beleidigten Ehe¬
der Wirklichkeit würde, daß alle sieben tragenden
herrn und provoziert den Nebenbuhler auf die
Rollen so seinhörige und auch im Differenzierte¬
brutalste Art von der Welt. Das Duell ist un¬
sten sicherstellige Darsteller fänden wie im Berliner
vermeidlich; schon morgen früh soll es ausge¬
Lessingtheater Frau Genia in Irene Triesch
sochten werden. Bis dahin steht das „Tragisch
und ihr weibliches Gegenbild, die klare, reinliche
oder Komisch?“ noch auf des Messers Schneide.
Schauspielerin, in Mathilde Sussin. Diese
Ja, auch als wir im letzten Akt Friedrich Hof¬
beiden in dichtergetreuer Gestaltung zu übertreffen,
reiter im Gehrock und Zylinder heimkommen
wird auch Schnitzlers Heimatstadt sich schwerlich
sehen, gelassen, ruhig, mit seiner alten boshaften
rühmen können, während es Herr Korff als
Ironie gewappnet, können wir noch hoffen, die
Hofreiter und Fräukein Hofteufel als Erna
„Tragikomödie“ von dem weiten Land werde Wahl im Wiener Burgtheater leicht genug gehabt
ihren Akzent auf die dritte statt auf die erste haben werden, Herrn Monnard und Fräulein
Silbe nehmen, aus dem Knäuel der halben Ge¬
Herterich, ihre Berliner Rivalen, durch Weltton
fühle und verwegenen Spielereien werde sich die
und Echtheit zu beschämen. —
Komödie der nur zeitweilig verdunkelten Treue
Was ist nicht Spiel, was wir auf Erden treiben,
entwirren, die reuig zum häuslichen Spinnrocken
Und schien es noch so groß und tief zu sein? ...
zurückkehrt. Aber Schnitzlers — ja, man muß
Wir wissen nichts von andern, nichts von uns;
Wir alle spielen — wer es weiß, ist klug!
hier leider sagen: launische, nicht überzeugende
Willkür will es anders und brutaler. Der große
Diese Verse aus Schnitzlers „Paracelsus“ klin¬
Unpathetische zielt wirklich, zielt kalt und über¬
gen auch aus seiner neuen Tragikomödie vom
legt auf des Gegners Herz und streckt ihn tot
weiten Land der Seele herauf, in der sich das
in den Sand. Nur weil ihn der junge, freche
lustige Rakett plötzlich in die mörderische Pistole
Blick reizt und ärgert, ihn, dessen Schläfen schon verwandelt: es ist sein altes, immer wieder¬
das mahnende Alter anfängt grau zu färben ...
kehrendes Thema. Max Dauthendeys Drame
Wir zucken zusammen, doch der Schauer vor der
„Spielereien einer Kaiserin“ (Bachausgabe
grinsenden Roheit der Lebens, der uns für einen
bei Langen, München), das erste, mit dem sich
Augenblick anrührt, weicht bald dem eklen Schau¬
der empfindungsstarke Lyriker das Theater erobert
der vor diesem Spieler um Güter, die ihm nicht
hat, greift verwandte Töne, aber es sind recht
gehören. Das bißchen Entsagung, das er sich durch
ungeschickte Finger, die sich da auf dem Instru¬
den Verzicht auf die auch jetzt noch zum Aus¬
ment der Bühne versuchen. Dauthendeys Heldin,
harren entschlossene Geliebte auferlegt, kann ihn eine Heldin, die während der sechs Akte — denn
nicht entfühnen — wenn, ja wenn wir nicht etwa Vorspiel und Epilog zählen mit — kaum von