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24. Das neite Land
Hinbmnnmmnmmmmnimmnnnmnmninnminsnmnn Dramatische Rundschau. Minmmmmmmmmmmmnmmmmmmnmmmminnnn 639
der Szene kommt, ist Katharina Alexejewna
Skowronsky, das Dragonerweib von Marienberg,
das aus der Geliebten Menschikosfs zur Ge¬
mahlin Peters des Großen wurde und endlich
sogar zur zekrönten Zarin aller Reußen empor¬
stieg. Eine „Bombenrolle“, recht nach dem Her¬
zen einer Virtuosin in allen schauspielerischen
Künsten weiblicher Leidenschaft, Koketterie und
Verführung. Kein Wunder, daß Tilla Durieux
sich auf diese Rolle stürzte, als sie den Cntschluß
faßte, dem Deutschen Theater den Rücken zu
kehren und ihr Temperament nach freier Lanne
bald auf dieser, bald auf jener Bühne aufsprü¬
hen zu lassen. In München und anderswo soll
sie sich und dem Stücke großen Beisall erspielt
haben; das Berliner Publikum verhielt sich im
Theater in der Königgrätzer Straße (früher Hebbel¬
theater) wesentlich kritischer. Es zeigte sich weder
gesonnen, seine Sympathien einer Schauspielerin
zu schenken, die sich so leichtfertig der wohl¬
tätigen Zucht des Ensembles entzieht, noch einer
Dramengestalt, die so leichtfertig wie diese „Spie¬
lerin“ mit den Gefühlen ihres Herzens gefall¬
süchtigen Schacher treibt und sich nach der billi¬
gen Ausflucht, all ihre Verrätereien seien nichts
als Spielereien, Ernst sei einzig und allein ihre
Wilhelm von Scholz.
Liebe zu Menschikoff gewesen, dem Wodka in die
Arme wirft. Jede Spielerei, gesteht sie Men= als wenn Ihr das Spiel verdarbt, indem Ihr
schikoss, als er ihr die Krone bringt, war nur
meine Liebhaber köpfen oder erwürgen ließet!
erdacht, Euch zu reizen, und nie war mir wohler. Wie wohl war mir an einem solchen Tag im Herzen.
Euch grau und weiß vor Wut zu sehn wie eine Leiche,
Wenn Ihr's entdecktet, daß ich, Weib, geliebt sein wollte
Und mir zum Zeitvertreib ein junges Blut anlockte,
Um es im Leichtsinn zu vergessen, daß Ihr mein Herz
verschenken durftet,
Verschenken an den Zaren und die Welt, um eine
Kaiserin euch zu verschaffen.
Ein Puppenspiel habt Ihr mit meinem Herzen stets gespielt.
Wir sollen also glauben, daß dieses Weib trotz
vieler Lieben und Treubrüche nur eine Liebe
auf dem Herzen trug, eben die zu ihrem Ent¬
decker und Befreier Menschikoff, und daß es ihre
Tragik war, sich von ihm im Getriebe der gro¬
ßen barbarischen Welt nicht gehalten zu sehen.
Und wenn es Wahrheit, wenn es wirklich ein Ge¬
ständnis des Herzens war, was sie im letzten Akte
von ihrer Hofnärrin auf die Tafel schreiben läßt:
„Ich liebe dich heute wie immer, Menschikosf!“
uns läßt diese erotisch verbrämte Staatsaktion
kalt, und in dieser ganzen langen Bilderreihe mit
*
ihrer windschiefen dramatischen Architektur, ihrer
Se
oberflächlichen Charakteristik, ihrem billigen Gehalt
und ihren elenden Versen sehen wir nur eine
14
Spielerei des wertvollen Lyxikers Dauthendey,
%
von der er so bald wie möglich zu seiner ersten
und wahren Liebe zurückkehren möge.
S
Phol. Becker & Maaß. Berlin.
jas weite Land der Seele — auch Wil¬
Tilla Durieux als Katharina in Max Dauthendeys
Uhelm von Scholz setzt seinen Fuß auf die¬
„Spielereien einer Kaiserin“.
ses grenzenlose Gestade, und um seine Schultern
24. Das neite Land
Hinbmnnmmnmmmmnimmnnnmnmninnminsnmnn Dramatische Rundschau. Minmmmmmmmmmmmnmmmmmmnmmmminnnn 639
der Szene kommt, ist Katharina Alexejewna
Skowronsky, das Dragonerweib von Marienberg,
das aus der Geliebten Menschikosfs zur Ge¬
mahlin Peters des Großen wurde und endlich
sogar zur zekrönten Zarin aller Reußen empor¬
stieg. Eine „Bombenrolle“, recht nach dem Her¬
zen einer Virtuosin in allen schauspielerischen
Künsten weiblicher Leidenschaft, Koketterie und
Verführung. Kein Wunder, daß Tilla Durieux
sich auf diese Rolle stürzte, als sie den Cntschluß
faßte, dem Deutschen Theater den Rücken zu
kehren und ihr Temperament nach freier Lanne
bald auf dieser, bald auf jener Bühne aufsprü¬
hen zu lassen. In München und anderswo soll
sie sich und dem Stücke großen Beisall erspielt
haben; das Berliner Publikum verhielt sich im
Theater in der Königgrätzer Straße (früher Hebbel¬
theater) wesentlich kritischer. Es zeigte sich weder
gesonnen, seine Sympathien einer Schauspielerin
zu schenken, die sich so leichtfertig der wohl¬
tätigen Zucht des Ensembles entzieht, noch einer
Dramengestalt, die so leichtfertig wie diese „Spie¬
lerin“ mit den Gefühlen ihres Herzens gefall¬
süchtigen Schacher treibt und sich nach der billi¬
gen Ausflucht, all ihre Verrätereien seien nichts
als Spielereien, Ernst sei einzig und allein ihre
Wilhelm von Scholz.
Liebe zu Menschikoff gewesen, dem Wodka in die
Arme wirft. Jede Spielerei, gesteht sie Men= als wenn Ihr das Spiel verdarbt, indem Ihr
schikoss, als er ihr die Krone bringt, war nur
meine Liebhaber köpfen oder erwürgen ließet!
erdacht, Euch zu reizen, und nie war mir wohler. Wie wohl war mir an einem solchen Tag im Herzen.
Euch grau und weiß vor Wut zu sehn wie eine Leiche,
Wenn Ihr's entdecktet, daß ich, Weib, geliebt sein wollte
Und mir zum Zeitvertreib ein junges Blut anlockte,
Um es im Leichtsinn zu vergessen, daß Ihr mein Herz
verschenken durftet,
Verschenken an den Zaren und die Welt, um eine
Kaiserin euch zu verschaffen.
Ein Puppenspiel habt Ihr mit meinem Herzen stets gespielt.
Wir sollen also glauben, daß dieses Weib trotz
vieler Lieben und Treubrüche nur eine Liebe
auf dem Herzen trug, eben die zu ihrem Ent¬
decker und Befreier Menschikoff, und daß es ihre
Tragik war, sich von ihm im Getriebe der gro¬
ßen barbarischen Welt nicht gehalten zu sehen.
Und wenn es Wahrheit, wenn es wirklich ein Ge¬
ständnis des Herzens war, was sie im letzten Akte
von ihrer Hofnärrin auf die Tafel schreiben läßt:
„Ich liebe dich heute wie immer, Menschikosf!“
uns läßt diese erotisch verbrämte Staatsaktion
kalt, und in dieser ganzen langen Bilderreihe mit
*
ihrer windschiefen dramatischen Architektur, ihrer
Se
oberflächlichen Charakteristik, ihrem billigen Gehalt
und ihren elenden Versen sehen wir nur eine
14
Spielerei des wertvollen Lyxikers Dauthendey,
%
von der er so bald wie möglich zu seiner ersten
und wahren Liebe zurückkehren möge.
S
Phol. Becker & Maaß. Berlin.
jas weite Land der Seele — auch Wil¬
Tilla Durieux als Katharina in Max Dauthendeys
Uhelm von Scholz setzt seinen Fuß auf die¬
„Spielereien einer Kaiserin“.
ses grenzenlose Gestade, und um seine Schultern