24. Das veite-Land
—.—
Wialstehe Ronateheite, dante
11 JANGRRNS
Au:
An: Los- Im. Lessingtheater spielte
##rsscater man die neue: Diehtung
Schnitzlers Das weite Land:
eine Diel
TSST
Eürlichkeit
und Wahrheit. Daß Schnitzler bei die¬
sem Werk in einer unidealisierten Wirk¬
lichkeit beharrt und Zustände des All¬
tags mit einer, man muß das Wort wie¬
derholen: trostlosen Echtheit gestaltet,
kommt der Spielweise des Lessing¬
t#eaters entgegen. Und so gab es eine
Aufführung, die schlechthin über jedes
Lob erhaben ist. Das bleibt merkwürdig,
weil der ganze Abend eigentliche schau¬
spielerische Höhepunkte nicht gab und
weder einen Bassermann noch eine Leh¬
mann auf die Bühne brachte. Gerade
hierin offenbart sich die unvergleichliche
erzicherische Wirkung, die diese Bühne
in ihrer Gesamtheit auf ihre Mitglieder
ausübt. Wenn immer das Lessingtheater
eine begabte neue Kraft seiner Truppe
eingliedert, hat man beim ersten Auf¬
treten das Gefühl eines unzulänglichen
Fremdkörpers, der das Niveau des Thea¬
ters nicht erreicht. Wer dann nach
längerer Zeit wieder eine Aufführung
besucht, muß erleben, wie das Ensemble
den Neuling förmlich aufgesaugt hat. Er
ist in die Gesamtheit eingefügt und ein
scheinbar unlösbarer Teil eines einheit¬
lichen Organismus geworden. So geht
es auch mit Monnard. Ich sah ilm zuerst
vor vielen Jahren in München, er war
noch Anfänger und hinterließ in meiner
Erinnerung Grauen und Entsetzen. Als
er zuerst im Lessiagtheater auftrat, be¬
schattete die Erinnerung an die unver¬
gleichlichen Leistungen Bassermanns die
Wirkung seines Spiels, und man ging mit
dem lauwarmen Gefühl heim: gewib.
eine tüchtige Kraft, ein routinierter
Schauspieler, ein anständiger, gewandter
und geschmackvoller Darsteller. Ich
hatte auch mit der Schnitzleraufführung
nicht das Gefühl einer mitreißenden Per¬
sönlichkeit, aber ich ziche den Hut vor
einem Mann, der in seiner Kunst s0
ernst arbeitet und so vorwärtskommt.
Der traurige Held des Stücks kommt in
Monnards Gestaltung restlos zum Leben.
und das mit einer Natürlichkeit, die jeden
Gedanken an Routine verdrängt und nur
den Glauben an einen reinen, einheit¬
lichen Künstler weckt. Das Wunderbare
aber an dieser Aufführung ist, daß auch
nicht eine einzige Persönlichkeit der an¬
gefn im Licht stand. Jeder stcht auf
Pseinem Posten und füllt ihn aus, füllt
ihn so aus, daß jede Erinnerung an die
Arbeit der Darsteller oder des Regisseure
schwindet, und nicht mehr der Schau¬
spieler wirkt, sondern die zur Wyklich
keit erweckte Dichtung.
box 28/4
Nr. 42
Berliner Salon
Seite 17
Das weite Land. -
Gürk.
Arthur Schnitzlers fünfaktige Tragikomödie „Das weite Land“ ist
Teine-M
gt sie wenig von dem, was den Appetit
der großen Menge zu reizen vermag. Die stille, leuchtende Inner¬
lichkeit dieses Dichters findet jenseits der Rampe nicht immer die
Resonanz, deren die Bühne bedarf, wenn sie auf stärkere Wirkungen
hinarbeitet. Zu solchen Wirkungen gelangt Schnitzler aber erst auf
weiten Umwegen, die fast ganze zwei Akte füllen. Die Exposition ist voll¬
kommen novellistisch gehalten. Sie will ein breites Gesellschaftsbild
geben von dem Leben und Treiben einer bestimmten Wiener Gesell¬
schaftsschicht, in der Männlein und Weiblein ziemlich wahllos durch¬
einander lieben, bald frisch und fröhlich, bald mit melancholischer
Resignation und müder Skepsis. Aber geliebt wird auf alle Fälle,
und wenn sich mal einer das Leben nimmt, weil seine Liebe un¬
erwidert blieb, dann hat man dafür höchstens ein mitleidiges Lächeln.
Der Fehler dieser einführenden Szenen liegt nun darin, daß sich von
diesem in satten Farben ausgepinselten Bilde die Haupifiguren nicht
von Anfang an kräftig genug abheben, so daß sie dem Hörer nicht
gleich von vornherein jene Anteilnahme abzwingen, die er braucht, wenn er
ihrem Schicksal bis ans letzte Ende mit Spannung folgen soll. „Das weite
Land“, über das der Dichter mit ruhiger Beschaulichkeit den Blick
schweifen läßt, ist die Seele der Menschen, die sich durch mehr oder
minder brutale Instinkte zueinander gerissen und aneinander gekettet
fühlen. Und in diesem weiten Lande sind viele Wohnungen für alle
Nuancen von jenem blinden Trieb, den wir Liebe nennen. Da sehen
wir den gefühlvollen Bankier, der um die wechselnden Liebschaften
seiner Frau genau Bescheid weiß und der doch nicht von ihr los kann,
weil er „rettungslos in sie verliebt ist“ Dann das junge, lebensprühende
Mädel, der das Blut wie gärender Most durch die Adern treibt und
die sich ohne Bedenken dem verheirateten Manne hingibt, der
ihr jünger als alle anderen erscheint, weil er mehr Kraft
hat und Temperament. Und noch eine Menge anderer
Typen, die mit hellen Augen gesehen und mit sicherer Hand auf die
Leinwand geworfen sind. Zwischen ihnen allen enthüllt der Dichter
uns zögernd, leider allzu zögernd, die Herzen der beiden Menschen,
deren Schicksal ihm als eine Tragikomödie erscheint. Das ist der
Mann, der im letzten Grunde nur seine eigene Frau liebt, der aber
trotzdem in naivem Egoismus alles an sich reißt, was ihm an Schön¬
heit und Jugend über den Weg läuft. Neben ihm steht die Frau,
die wehen Herzens an seiner Seite geht, die sich fast schon von ihm
trennen will, bis sie endlich auch einmal ihr Fenster einem jungen
hübschen Mann offen läßt. Der Mann erfährt's, und er, der selbst
seiner Leidenschaft nie einen Zügel angelegt hat, kann's nicht ver¬
zeihen. Er beschimpft den andern und erschießt ihn im Duell.
—.—
Wialstehe Ronateheite, dante
11 JANGRRNS
Au:
An: Los- Im. Lessingtheater spielte
##rsscater man die neue: Diehtung
Schnitzlers Das weite Land:
eine Diel
TSST
Eürlichkeit
und Wahrheit. Daß Schnitzler bei die¬
sem Werk in einer unidealisierten Wirk¬
lichkeit beharrt und Zustände des All¬
tags mit einer, man muß das Wort wie¬
derholen: trostlosen Echtheit gestaltet,
kommt der Spielweise des Lessing¬
t#eaters entgegen. Und so gab es eine
Aufführung, die schlechthin über jedes
Lob erhaben ist. Das bleibt merkwürdig,
weil der ganze Abend eigentliche schau¬
spielerische Höhepunkte nicht gab und
weder einen Bassermann noch eine Leh¬
mann auf die Bühne brachte. Gerade
hierin offenbart sich die unvergleichliche
erzicherische Wirkung, die diese Bühne
in ihrer Gesamtheit auf ihre Mitglieder
ausübt. Wenn immer das Lessingtheater
eine begabte neue Kraft seiner Truppe
eingliedert, hat man beim ersten Auf¬
treten das Gefühl eines unzulänglichen
Fremdkörpers, der das Niveau des Thea¬
ters nicht erreicht. Wer dann nach
längerer Zeit wieder eine Aufführung
besucht, muß erleben, wie das Ensemble
den Neuling förmlich aufgesaugt hat. Er
ist in die Gesamtheit eingefügt und ein
scheinbar unlösbarer Teil eines einheit¬
lichen Organismus geworden. So geht
es auch mit Monnard. Ich sah ilm zuerst
vor vielen Jahren in München, er war
noch Anfänger und hinterließ in meiner
Erinnerung Grauen und Entsetzen. Als
er zuerst im Lessiagtheater auftrat, be¬
schattete die Erinnerung an die unver¬
gleichlichen Leistungen Bassermanns die
Wirkung seines Spiels, und man ging mit
dem lauwarmen Gefühl heim: gewib.
eine tüchtige Kraft, ein routinierter
Schauspieler, ein anständiger, gewandter
und geschmackvoller Darsteller. Ich
hatte auch mit der Schnitzleraufführung
nicht das Gefühl einer mitreißenden Per¬
sönlichkeit, aber ich ziche den Hut vor
einem Mann, der in seiner Kunst s0
ernst arbeitet und so vorwärtskommt.
Der traurige Held des Stücks kommt in
Monnards Gestaltung restlos zum Leben.
und das mit einer Natürlichkeit, die jeden
Gedanken an Routine verdrängt und nur
den Glauben an einen reinen, einheit¬
lichen Künstler weckt. Das Wunderbare
aber an dieser Aufführung ist, daß auch
nicht eine einzige Persönlichkeit der an¬
gefn im Licht stand. Jeder stcht auf
Pseinem Posten und füllt ihn aus, füllt
ihn so aus, daß jede Erinnerung an die
Arbeit der Darsteller oder des Regisseure
schwindet, und nicht mehr der Schau¬
spieler wirkt, sondern die zur Wyklich
keit erweckte Dichtung.
box 28/4
Nr. 42
Berliner Salon
Seite 17
Das weite Land. -
Gürk.
Arthur Schnitzlers fünfaktige Tragikomödie „Das weite Land“ ist
Teine-M
gt sie wenig von dem, was den Appetit
der großen Menge zu reizen vermag. Die stille, leuchtende Inner¬
lichkeit dieses Dichters findet jenseits der Rampe nicht immer die
Resonanz, deren die Bühne bedarf, wenn sie auf stärkere Wirkungen
hinarbeitet. Zu solchen Wirkungen gelangt Schnitzler aber erst auf
weiten Umwegen, die fast ganze zwei Akte füllen. Die Exposition ist voll¬
kommen novellistisch gehalten. Sie will ein breites Gesellschaftsbild
geben von dem Leben und Treiben einer bestimmten Wiener Gesell¬
schaftsschicht, in der Männlein und Weiblein ziemlich wahllos durch¬
einander lieben, bald frisch und fröhlich, bald mit melancholischer
Resignation und müder Skepsis. Aber geliebt wird auf alle Fälle,
und wenn sich mal einer das Leben nimmt, weil seine Liebe un¬
erwidert blieb, dann hat man dafür höchstens ein mitleidiges Lächeln.
Der Fehler dieser einführenden Szenen liegt nun darin, daß sich von
diesem in satten Farben ausgepinselten Bilde die Haupifiguren nicht
von Anfang an kräftig genug abheben, so daß sie dem Hörer nicht
gleich von vornherein jene Anteilnahme abzwingen, die er braucht, wenn er
ihrem Schicksal bis ans letzte Ende mit Spannung folgen soll. „Das weite
Land“, über das der Dichter mit ruhiger Beschaulichkeit den Blick
schweifen läßt, ist die Seele der Menschen, die sich durch mehr oder
minder brutale Instinkte zueinander gerissen und aneinander gekettet
fühlen. Und in diesem weiten Lande sind viele Wohnungen für alle
Nuancen von jenem blinden Trieb, den wir Liebe nennen. Da sehen
wir den gefühlvollen Bankier, der um die wechselnden Liebschaften
seiner Frau genau Bescheid weiß und der doch nicht von ihr los kann,
weil er „rettungslos in sie verliebt ist“ Dann das junge, lebensprühende
Mädel, der das Blut wie gärender Most durch die Adern treibt und
die sich ohne Bedenken dem verheirateten Manne hingibt, der
ihr jünger als alle anderen erscheint, weil er mehr Kraft
hat und Temperament. Und noch eine Menge anderer
Typen, die mit hellen Augen gesehen und mit sicherer Hand auf die
Leinwand geworfen sind. Zwischen ihnen allen enthüllt der Dichter
uns zögernd, leider allzu zögernd, die Herzen der beiden Menschen,
deren Schicksal ihm als eine Tragikomödie erscheint. Das ist der
Mann, der im letzten Grunde nur seine eigene Frau liebt, der aber
trotzdem in naivem Egoismus alles an sich reißt, was ihm an Schön¬
heit und Jugend über den Weg läuft. Neben ihm steht die Frau,
die wehen Herzens an seiner Seite geht, die sich fast schon von ihm
trennen will, bis sie endlich auch einmal ihr Fenster einem jungen
hübschen Mann offen läßt. Der Mann erfährt's, und er, der selbst
seiner Leidenschaft nie einen Zügel angelegt hat, kann's nicht ver¬
zeihen. Er beschimpft den andern und erschießt ihn im Duell.