II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 336

W
box 28/5
24. Das Seite Land

Wem es nach den Vierkommerssticheleien und dem kon¬
Und doch darf man sich des
Ich habe mich ohne Zandern für Schnitzler entschie¬
fusen Pathos des „Wolkenkukusheim“ noch nicht voll¬
bedenkt, daß das Stück wel
den, und habe es nicht bereut, wenn auch die seelischen
kommen rätselhaft war, was einzelne Leute dazu ver¬
Menschen aus Fleisch und A
Feinheiten, die ja bei Schnitzler nie ganz ausbleiben kön¬
anlaßt, Josef Ruederer als den Münchener pocta laures¬
Akte zu Hampelmännern !
nen, diesmal nur wie verkrochene Glühwürmchen durch
tus hinzustellen, der mußte es wohl nach diesem Schmied¬
Blumenthals Sentimentalisch
das Dickicht von mühselig konstruierten Weldungen und
unfug merken, daß hier rätselhafte Gewalten — weiß Gott,
hahnebüchene Philisterlustig
stark sadenscheiniger Theatralik hiduechglitzerten. Ettlingers
warum — ein Piedestal mauerten, für das ihnen die
sichtliche Siegeszug der „H
„Hydra“ entfesselte auch bei der dritten Aufführung noch
krönende Kolossahigur während der Arbeit abhanden ge¬
beinahe wie eine Kulturtat.
dieselben Lachstürme, die man, zumeist ohne sich was zu
kommen.
Allein: warum soll i
vergeben, mit stillem Schmunzeln mitfeiern durfte. Die
Nie haben Bauern solch papiernes Primanerdeutsch
und Kadelburg denken?..
„Hydra“, das ist das Publikum, das zu, besiegen, mit
deklamiert, nie ist mit so viel Pathos so wenig gesagt
Schiller und Ibsen zu besiegen, der unverbesserliche
worden, niemals waren die Unterdrücker eines Volkes nur
Idealist Hans Lindt, Mitdirektor des Goethetheaters, sich
Säufer und weiter nichts, und die Unterdrückten aus¬
Noch etwas ereignete s
in den Kopf gesetzt hat. Vergebens bettelt sein Sozius und
schließlich Freiheitsschwärmer. So wenig die abgelegten
Herbstmonats in der von
Geldgeber um nur ein eineiges zotiges Schwänkchen zu¬
Maitressen eutthronter Herrscher verzückt in die feindlichen
verlassenen Stadt München
gunsten seiner Börse; „nur über meine Leiche“, erklärt
Bajonette marschieren und zu Tode gehetzte Soldaten sich
„Ein Kind ward hier
der Idealist. Da schlägt sich seine Freundin, die es satt
drei volle Stunden lang mit dem Herdeklamieren einer
Hans Sachs in den „Meist
ist, immer nur intellektuelle Heldinnen zu spielen und auch
Ein Kind, das neun
Fünfzehn=Bogen=Rolle abgeben, ehe sie als melodrama¬
ihre körperlichen Vorzüge gewürdigt wissen möchte, zur
tische Schlußpointe entseelt in Mütterchens Arme sinken.
sein Dasein gerungen un
gegnerischen Partei; und siehe dat im dritten Akt werden
Derlei Dichtungen schreien nach dem Rotstift des Gym¬
längst aufgegeben worden
im Goethetheater nur mehr Possen gespielt; die ehemalige
nasiallehrers und der Zensur „ungenügend“. Kritik ist an
auf sicheren Füßen und b
Ibsendarstellerin erscheint im Trikot bis über die Ohren,
Arbeiten dieses Schlages nicht zu üben.
Wege, der reich an reizvol
der Idealist besitzt ein herrliches Auto, eine noch herr¬
Das empfand — nachträglich — wohl auch die Direk¬
mehr problematisch erscheint
lichere Villa, hält die Kunst nicht mehr für eine Göttin,
tion des Schauspielhauses und beeilte sich, die Scharte so
Ich meine das Münch
der man dienen muß bis zum letzten Atemzuge (so dachte
Landsmann Dr. Eugen R
schnell als möglich auszuwetzen. Kaum vierzehn Tage
er im ersten Akt), sondern für eine „Melkkuh“, und als
neun Monaten übernomme
später gab es schon wieder eine Uraufführung: Karl
man ihm von Schiller spricht, da sagt er wieder: „Nur
bitteren, schier aussichtslose
Ettlinger, den Lesern der deutschen Witzblätter unter dem
über meine Leiche!“
halten hat.
Pseudonym „Karlchen“ wohlbekannt, versuchte sich zum
Man sieht: die Rechnung geht glatt auf. So glatt,
ersten Male auf der Bühne. Ich konnte den starken Er¬
daß der nüchterne Kapitalist der ersten Akte zum Schluß
Man bedenke: er kam
folg, den das Stück — „ein Lustspiel in drei Akten ohne der Einzige sein muß, der sich seines Glückes schämt und
Schwierigkeiten das Steue
Ehebruch und Situationskomik“ nennt es Herr Ett¬
nun nach Schillern schreit. Das Publikum hatte viel Freude
Hebbel=Theaters aus der #
linger — bei der Premiere fand, erst anläßlich einer
an dem gut funktionierenden Rechenerempel, noch mehr
mit dem Kainszeichen, auf
späteren Wiederholung konstatieren. Denn an jenem Abend
an den eingestreuten Kulissen= und Literatenscherzen, die
fremde Stadt und eröffn
der Verfasser wohl als Ersatz für Ehebruch und Si¬
gab es nicht weniger denn drei Premieren auf einmal:
Theater, denn ein neues
außer Ettlingers „Hydra“ Schnitzlers „Das weite Land“
tuationskomik zum besten gab.
Mittelpunkte des allgemei
im Residenztheater und Beer=Walbrunns Oper „Don
Im ganzen: auch ein Stück, das die gefürchtete
erst durch allzu gediegen
Quijote“ auf der großen Hofbühne. (Nebenbei: eine ganz
Hydra in eine Melkkuh verwandeln wird und das der
Leistungen die Gunst des
respektable Belastungsprobe für das „München ohne
Held Ettlingers, Direktor Lindt, in den ersten zwei Akten
es zugrunde gehen soll,
Fremde“; und alle drei Häuser waren ausverkauft!)
seiner Direktionstätigkeit gewiß nicht augenommen hätte, Hand zu Hand gewander